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Music, Power, War And Revolution: Musik in Zeiten von Krieg und Revolution (Review)

Artist:

Music, Power, War And Revolution

Music, Power, War And Revolution: Musik in Zeiten von Krieg und Revolution
Album:

Musik in Zeiten von Krieg und Revolution

Medium: Do-DVD
Stil:

Dokumentation

Label: Accentus Music
Spieldauer: 165:20
Erschienen: 16.11.2018
Website: [Link]

Welchen Einfluss kann Musik auf eine Zeit des Krieges und der Revolutionen haben und welchen Einfluss haben Kriege und Revolutionen auf die Musik?
Die Kraft der Musik kann heilsam, aber auch zerstörerisch sein – oder in totalitären Systemen extrem gefährlich. Stimmt das tatsächlich?
Wie solche Wirkung sich konkret während des 1. und 2. Weltkriegs und der Russischen Revolution 1917, aber auch während der politischen Umwälzungen in Ungarn oder dem Brexit aus politischer, gesellschaftlicher und persönlicher Sicht verwirklicht, zeigt die hochinteressante und zugleich schwer beeindruckende dreiteilige Dokumentation von „Music, Power, War And Revolution – Musik in Zeiten von Krieg und Revolution”, wobei die Grundlage sich auf klassische Musik bezieht und deren von vielen garantiert in diesem Maße nie geahnten avantgardistischen Ausprägungen.
Was passiert, wenn Musik und Macht eine Liaison miteinander eingehen?
Eine Schlüsselfrage, auf die sich die drei Dokumentationen beziehen und am Ende der jeweiligen knappen Stunde pro Film beeindruckte Zuschauer zurücklässt.

Den beiden DVD‘s von „Music, Power, War And Revolution“ liegt ein 42seitiges, in das DVD-Digipak eingeklebtes, Booklet bei, das die Hintergründe der drei Dokumentationen, die jeweils von einem anderen Filmemacher umgesetzt wurden, ausgiebig in deutscher, englischer und französischer Sprache beleuchtet. Die Dokumentationen sind in englischer Sprache verfasst, wobei man Untertitel anwählen kann. Wenn Zeitzeugen, Musiker oder Wissenschaftler sprechen, werden deren Worte nicht übersetzt, wenn sie in der gewählten Untertitel-Sprache geäußert werden, sodass man sehr viele ausführliche deutschsprachige Beiträge im Original-Audioton verfolgen kann.

Die erste Dokumentation von Andreas Morell umreißt die immense, von vielen heutzutage sicher unterschätzte Wirkung von Musik während des 1. Weltkriegs: „Als der 1. Weltkrieg 1914 ausbrach, blieb die Musikwelt nicht unberührt. Künstler wurden unweigerlich zu Beteiligten, entweder als Soldaten an der Front oder als Komponisten patriotischer Musik oder musikalischer Denkmäler einer verlorenen Welt.“ (Einführungstext zur Doppel-DVD)

So war beispielsweise selbst der große Kunstfreund Wilhelm II. auch Oberhaupt der Evangelischen Kirche und verband seine euphorische Kriegshetze mit dem Kirchenlied „Nun danket alle Gott“, das als riesiger Choral zur von ihm eröffneten Kriegserklärung 1914 gesungen wurde und in das seine begeisterten Untertanen – sprich sein Volk – mit einstimmten. Nie zuvor wurde Musik zu kriegerischen Mobilisierungen so intensiv wie im 1. Weltkrieg genutzt: „Macht durch Musik“ als Motto.

Ganz Ähnliches machten auch die Nazis mit Liszt – wie wir im 3. Teil der Dokumentation „Music And Power“ von Maria Stodtmeier und Isa Willinger erfahren –, die jede Erfolgsmeldung mit Liszts „Les Préludes“ eröffneten und untermalten. „Zu den furchtbarsten Dingen wurde Musik gemacht!“ (Anita Lasker-Wallfisch, die Cello im Mädchenorchester des KZ in Auschwitz spielte.)

Lenin dagegen war ein echter Kunstbanause, der sogar vorhatte, in Russland alle Theater schließen zu lassen und überhaupt nichts mit klassischer, avantgardistischer Musik anfangen konnte. Der Massenmörder Lenin hat vielleicht für die Revolution so einiges geleistet, für die russische Kunst aber war er ein schrecklicher Hemmschuh, der wohl nie begreifen konnte oder wollte, dass sich ein Volk ganz besonders auch über seine Kunst und Kultur definiert. Und gerade Russland hatte in der Beziehung wahre, noch heute für uns völlig unbekannte Musik-Genies zu bieten, die wir ausführlich und umfänglich in „Silenced: Composers In Revolutionary Russia“, ein Film von Anne-Kathrin Peitz, präsentiert bekommen.
Eine ganz außergewöhnliche Rolle wird dabei – neben Dimitrij Schostakowij – besonders Sergej Prokofiev, einem glühenden Verehrer der bolschewistischen Oktoberrevolution, zugeordnet, der am 5. März 1953 stirbt, dem gleichen Tag wie Stalin, der von dem Historiker Philipp Blom, der gleich in zwei Dokumentationen uns sehr sympathisch historische Hintergründe nahebringt, als „Stalin war eigentlich nur eine Intensivierung des leninistischen Terrors!“ beschrieben wird. Eine wichtige Feststellung auch für die vielen DDR-Freunde, die in der Schule Lenin als großen, tadellosen Helden der Sowjetunion eingepaukt bekamen.
So entsteht in Russland beispielsweise „Konkrete Musik“, die auf Instrumente komplett verzichtete und nur auf Klänge und Geräusch, die miteinander kombiniert wurden, zurückgriff – „Sirenen-Symphonie“ von Arseni Awraamow. Aber auch das „Theremin“ von Lev Theremin, das nur über durch die Hände erzeugte Schallwellen gespielt wird, erobert von Russland aus die Welt. Ungewöhnliche Einflüsse, die auch heute noch in der Rockmusik auftreten, man denke nur an EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN, die mit Bohrmaschinen, Hämmern und Stahlrohren musizierten, oder die avantgardistisch und progressive Rockmusik, die mit Hilfe eines Theremins ihrer Musik ganz spezielle Klangwelten verleihen.

Lange hielt die patriotische Euphorie der russischen Meisterkomponisten nicht an, denn Stalin forderte, dass „von der bolschewistischen Musik Schönheit und Anmut“ ausgehen solle und bezeichnete Schostakowitschs Opern als „Chaos statt Musik“, woraufhin der – wie es der britische Autor Julian Barnes in seinem Künstlerroman „Der Lärm der Zeit“ beschreibt – „Nacht für Nacht im eigenen Treppenhaus ein paar Schritte hin und her macht, neben seinem kleinen Koffer wieder stehen bleibt, raucht und lauscht, ob der Aufzug in seiner Etage hält. Im Koffer sind Wechselsachen für den Gulag.“

Am Ende gibt es sogar auf die Frage, ob Musik politisch sein kann, eine Antwort, die in dem dicken Booklet nachlesbar ist: „Der Beziehung zwischen Musik und Politik wohnt insgesamt eine Unschärfe bei. […] In Zeiten, in denen die Politik in Bewegung gerät, lautet die Antwort: ja. Wie heute wieder.“

FAZIT: Eine hochinteressante und zugleich schwer beeindruckende dreiteilige DVD-Dokumentation von „Music, Power, War And Revolution – Musik in Zeiten von Krieg und Revolution”, wobei die Grundlage sich auf klassische Musik bezieht und deren von vielen garantiert in diesem Maße nie geahnten avantgardistischen Ausprägungen. Welche Macht besitzt Musik und wie wirkt Macht auf Musik? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der dreiteiligen Dokumentation (Teil 1: Musik in den Zeiten des Großen Krieges - Werke von Schönberg, Berg, Ravel, Stephan – Ein Film von Andreas Morell) / Teil 2: Verstummte Klänge - Komponisten im revolutionären Russland – Ein Film von Anne-Kathrin Peitz) / Teil 3: Musik und Macht – Ein Film von Maria Stockmeier und Isa Willinger), die nicht nur sehr informativ, sondern auch gleichermaßen bewegend ist.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 3428x gelesen, veröffentlicht am )

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Tracklist:
  • I: Music In The Time Of The Great War – A film by Andreas Morell (54:36)
  • II: Silenced: Composers In Revolutionary Russia – A film by Anne-Kathrin Peitz (54:59)
  • III: Music And Power – A film by Maria Stodtmeier and Isa Willinger (55:45)
  • Teil 1: Musik in den Zeiten des Großen Krieges - Werke von Schönberg, Berg, Ravel, Stephan (Ein Film von Andreas Morell)
  • Teil 2: Verstummte Klänge - Komponisten im revolutionären Russland (Ein Film von Anne-Kathrin Peitz)
  • Teil 3: Musik und Macht (Ein Film von Maria Stockmeier und Isa Willinger)

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