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Brother Dege: Aurora (Review)

Artist:

Brother Dege

Brother Dege: Aurora
Album:

Aurora

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Americana, Folk, Singer/Songwriter

Label: Prophecy
Spieldauer: 42:22
Erschienen: 15.03.2024
Website: [Link]

„Nach reiflicher Überlegung haben wir uns entschlossen, mit der Veröffentlichung von 'Aurora', dem sechsten Album von BROTHER DEGE, fortzufahren, das für den 15. März 2024 geplant ist. Soweit wir wissen, ist das der Wunsch von Dege. Wir werden sein künstlerisches Vermächtnis ehren, indem wir es der Welt zur Verfügung stellen.“

„Es geht definitiv um Liebe, Psychosen und die Funktionsstörungen, die sich in diesen Beziehungen und Mustern meiner selbst wiederholen.“ (Dege Legg zu "Aurora")

Oh nein, das darf doch einfach nicht wahr sein?!
Schreibt die schlimmsten Geschichten tatsächlich nicht etwa das Schicksal oder der Zufall, sondern eben das Leben, das mit einem Schlag völlig überraschend und unerwartet zu Ende geht?
Da sitzt man also als Kritiker über einer Review zu einem Album, das einen von Anfang bis hin zu dem extrem seltsamen Ende begeistert, weil es so warm und dunkel und voller Gefühl – der größtenteils bedrückenden Art – ist und einen mit all seiner Melancholie und Trauer sowie geheimnisvollen psychedelischen Wendungen, aber auch unerwartet rockigen Ausbrüchen, gefangennimmt. Dazu kommt noch dieses einerseits extrem feminin wirkende Cover, mit dem andererseits (wahrscheinlich nackten) Dege Legg darauf, zwischen dessen Beinen am Horizont die Sonne aufgeht (denn immerhin steht 'Aurora' im Lateinischen für die Morgenröte), so als würde mit der Sonne auch das Leben erwachen, aber nicht in die ewige Finsternis entrinnen...
Doch plötzlich flattert einem, während man noch beim begeisterten Schreiben der Review zum „Aurora“-Album ist, die Nachricht von BROTHER DEGEs Tod ins Haus.
Das ganze Leben erscheint eine Illusion und Täuschung, ganz ähnlich wie das LP-Cover und der Musiker dahinter: „The loser's blues. They got me, baby. Can you make it stop? („Loser's Blues “)

Nun also wissen wir genau, auf welchem Grab ab sofort die schwarzen Blumen wachsen werden, die BROTHER DEGE in „Where The Black Flowers Grow“ besingt – auf dem des Musikers, der erst vor kurzem den Song geschrieben hat, der nunmehr eine umso größere wie traurigere Bedeutung erhält. Da werden bei all dieser Melodramatik sogar Erinnerungen an den „Blackstar“ von DAVID BOWIE wach: „Ain't nobody got to know how my black flowers grow. Way down now deep in your soul. Come make my black flowers grow.“

BROTHER DEGE war ein in Louisiana geborener, Grammy-nominierter Singer/Songwriter in bester Americana-Tradition, auf den durch einen riesigen Zufall der weltberühmte Filmemacher Quentin Tarantino aufmerksam wurde, als er im Auto dessen Song „Too Old To Young Die“ hörte und so davon hingerissen war, dass er diesen für seinen sehr erfolgreichen Film „Django Unchained“ (2012) auswählte – ein wahrer Türöffner für BROTHER DEGE, der ihm viel Aufmerksamkeit einbrachte und ein paar Erinnerungen an MIDNIGHT OIL in sich trägt.

Auf seinem sechsten Album „Aurora“ vollbringt Dege Legg textlich wie musikalisch eine wahre Meisterleistung, die völlig überraschend für uns, seine letzte musikalische Hinterlassenschaft – ein musikalisches Testament – für seine Fans wie Freunde sein soll, in denen er die Verlierer („Loser's Blues“) genauso besingt wie diejenigen, die glauben, einen (Liebes-)Pakt mit dem Teufel schließen zu müssen, um eine Trennung zu überwinden („The Devil You Know“) oder sich in bitterböse Verlustängste („The Longing“) verstricken.

Es sind eben die dunklen Seiten unseres Daseins, die BROTHER DEGE in all ihrer Schwere und Bedrohlichkeit mit seiner Musik zum Leuchten bringt, selbst wenn er dabei den Teufel (einer Trennung) in sich wecken muss, um ihn so vernichten zu können (oder dieser ihn selber vernichtet), sodass er zum Hintergrund dieses Songs, der voller Symbolkraft steckt, bemerkt: „Die neue Single ist ein Trennungssong, in dem es darum geht, nicht allein sein zu wollen - allein mit sich selbst, nachdem man verlassen wurde, was der einsame, teuflische Ort ist, den wir alle kennen. An diesem Punkt in meinem Leben bin ich nicht gerne allein. Es ist ein unangenehmer Ort für mich - ich fühle mich verrückt. Klingt pathetisch, ich weiß. Aber ich bin am glücklichsten, wenn ich mich mit einem anderen Menschen verbinde oder Kunst aus therapeutischen Gründen schaffe - so wie das riesige Sandmandala im Video. Alle Kunst ist vorübergehend, wie Beziehungen und alles andere auch. Alles kommt und geht.“
Konnte man ahnen, dass diese Aussage so unmittelbar nahe zu diesem Zeitpunkt auch für BROTHER DEGE galt?

Jeder Song gewinnt – wohl auch in Anbetracht des Todes von Dege Legg – so eine mitunter neue Bedeutung, die einen zutiefst in sich zerrissenen Musiker zeigt, der seine Musik wie einen Rettungsanker um sich schlingt und dabei dem Meer vielleicht doch zu nahe kommt, während ihn der als Rettung empfundene Anker in die Tiefe zieht?
Entstand etwa unter dieser Bedingung auch „Turn The Screw“, das Legg als ein vertontes Gefühl des letzten Halts „kurz vor dem Sprung von einer Klippe“ versteht und noch mehr: „Es ist die Entscheidung, etwas zu tun, unabhängig von dem Wissen, ob es nun gut oder schlecht ausgehen wird. Es ist der berauschende Nervenkitzel, etwas zu riskieren und zu hoffen, dass alles zum Besten ausgeht.“

Am Ende also geht nichts – wie wir nun wissen – zum Besten aus.
Und das scheinen sogar die finsteren Klangwelten von „The Longing“, dem letzten sich über 12 Minuten erstreckenden Song, nicht nur anzudeuten, sondern mit ihrem Regenplätschern und Kirchenglockengeläut samt tieftönendem Harmonium-Klang noch einmal zu betonen. Auch hier steht wiederum die Frage im Raum, ob BROTHER DEGE, der sein Album bewusst wie ein 2-Akt-Epos über die LP-A- und -B-Seite, mit jeweils einem komplexen Instrumental als Einleitung, gestaltete, doch schon weiter war, als er es uns selber auf „Turn The Screw“ mit seinem Gefühl vom „letzten Sprung von der Klippe“ zu vermitteln versuchte.
Wurde sein Gefühl tatsächlich schneller zur schrecklichen Realität, als es der Hörer von „Aurora“ je zu ahnen wagte?

FAZIT: „Ich gebe mehr von mir preis als auf früheren Platten. Im Wesentlichen ist dies meine Version davon, wo ich herkomme. Es ist die dunkle Seite des tiefen Südens.“ So beschrieb BROTHER DEGE aka Dege Legg die Absicht und erhoffte Wirkung hinter seinem düsteren seelenvollen Americana-Folk-Singer/Songwriter-Album „Aurora“. Doch das alles noch viel, viel finsterer und bedrückender erscheint, als man hinter dieser schwer emotionalen wie beeindruckenden Musik wahrnimmt, wollte und konnte man gar nicht ahnen: Genau eine Woche vor dem offiziellen heutigen Veröffentlichungstermin verstarb unser musikalischer Bruder Dege Legg. Und „Aurora“ ist seine letzte musikalische Hinterlassenschaft für uns. Ruhe in Frieden – und lass, wo auch immer, deine schwarzen Blumen weiter blühen!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 3083x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 14 von 15 Punkten [?]
14 Punkte
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Tracklist:
  • Seite A (19:11):
  • Aurora (2:49)
  • Where The Black Flowers Grow (4:17)
  • Climbing Ivy (Sleep Beside You) (3:48)
  • A Mam Needs A Mommy (3:31)
  • Turn Of The Screw (4:46)
  • Seite B (23:11):
  • Ouroboros (2:51)
  • The Devil You Know (4:28)
  • Loser's Blues (3:50)
  • The Longing (12:02)

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

  • Aurora (2024) - 14/15 Punkten
Interviews:
  • keine Interviews
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