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DIIV: Frog In Boiling Water (Review)
Artist: | DIIV |
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Album: | Frog In Boiling Water |
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Medium: | CD/LP/Download | |
Stil: | Shoegaze |
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Label: | Fantasy/Concord/Universal | |
Spieldauer: | 42:12 | |
Erschienen: | 24.05.2024 | |
Website: | [Link] |
„Das Album ist – getreu dem Titel – mehr oder weniger eine Sammlung von Schnappschüssen aus verschiedenen Blickwinkeln unseres modernen Lebens, die unserer Meinung nach verdeutlichen, wie der uns bevorstehende Zusammenbruch aussieht und vor allem, wie er sich anfühlt.“ (DIIV zu „Frog In Boiling Water“)
Es gilt längst als die pure Tierquälerei und ist trotzdem noch immer ein französisches Nationalgericht oder angeblich eine Delikatesse für (sich und ihren Gaumen so ungeheuer wichtig nehmende) Gourmets – Froschschenkel.
Warum?
Weil eine Voraussetzung dafür ist, dass lebende Frösche in kochendes Wasser geworfen werden und darin jämmerlich verenden. Was tut man nicht alles für den Gaumenschmaus. Wie das die Frösche wohl sehen würden? Ach so, die können ja nicht sprechen, sondern nur quaken. Und selbst die Störche werden denken: "Hey, ihr menschlichen Arschlöcher mit euren aufgeblasenen Mägen. Lasst uns gefällig die Frösche, denn wir quälen sie nicht, bevor wir sie zu unserem eigenen Überleben fressen.“
So – das musste einfach mal gesagt werden!
Aber warum?
Na – weil sich das komplette Album „Frog In Boiling Water“ von DIIV im Grunde um dieses Thema dreht, was den Menschen nicht gerade zur Ehre, sondern höchstens zur Verachtung gereicht.
Und der geben sich DIIV in ihren oft etwas verrauschten Shoegaze-Exkursionen voll und ganz hin, wobei sie im Vorfeld sogar noch ein Bandstatement diesbezüglich abgeben: „Wenn man einen Frosch in einen Topf mit kochendem Wasser wirft, wird er natürlich verzweifelt versuchen, herauszuklettern. Legt man ihn jedoch behutsam in einen Topf mit lauwarmem Wasser und dreht die Hitze auf niedrig, versinkt der Frosch in eine ruhige Stupor, genau wie einer von uns in einem heißen Bad, und bald wird er sich mit einem Lächeln im Gesicht widerstandslos zu Tode kochen lassen.“
Und genau mit solchen Gedanken und zugleich sich selbst hatten auch DIIV zu kämpfen. Denn in den vier Jahren, die es benötigte, das recht (oder besser extrem) bedrückende Album zu Ende zu bringen, zerbrach beinahe auch diese amerikanische Band, denn die anfängliche Absicht, demokratisch in völliger Gleichberechtigung das Album zu entwerfen und gestalten, um es dann in kompletter Band-breite zu entfalten, stieß an die Grenzen des Individualismus der einzelnen Musiker, führte zu persönlichen Krisen und Unstimmigkeiten. Eine Atmosphäre entstand, die durchaus auf dem Album hörbar ist – es aber gerade dadurch auch ungewöhnlich spannend macht. DIIV stellten sich selbst auf Probe – und heraus kam dabei dieses einerseits konkrete und andererseits metaphorische 'Frosch'-Album, das selbst die eine oder andere Frohnatur an sich zweifeln lässt.
So gesehen hatten wir es mit DIIV anfangs mit lauter kleinen Froschkönigen zu tun, die dann gemeinsam ins kochende Wasser springen mussten, um die Blasen ihrer eigenen Kreativität und der Akzeptanz ihrer Mitstreiter an die Oberfläche blubbern zu lassen – oder getreu der Weisheit, dass ein Frosch, der in die Milch hüpft, um sein Leben so lange strampeln muss, bis die Milch zur lebensrettenden Sahne wird, in Anwendung zu bringen. Kein leichtes, aber eben doch ein machbares Unterfangen wie „Frog In Boiling Water“ beweist.
DIIV beziehen sich diesbezüglich auf das bereits erwähnte, recht berühmte und wissenschaftlich fundiertes Frosch-Experiment, das viele kennen (und besser auch für ihr eigenes Verhalten in Anwendung bringen) sollten, weil: „Wir verstehen diese Frosch-Geschichte als eine Metapher über den langsamen, kranken und überwältigend banalen Zusammenbruch der Gesellschaft im Endstadium des Kapitalismus sowie die brutalen Realitäten, die wir schon als normal akzeptiert haben. Das ist das kochende Wasser und wir sind die Frösche. Das Album ist mehr oder weniger eine Sammlung von Schnappschüssen aus verschiedenen Blickwinkeln unserer gegenwärtigen Existenz, die unserer Meinung nach verdeutlicht, wie dieser Zusammenbruch aussieht und vor allem, wie er sich anfühlt.“
Nicht nur die Musik, sondern auch die Gestaltung des Albums hinterlässt dabei Eindruck und der beginnt schon, bevor sich die LP überhaupt auf dem Plattenteller dreht, denn greift man in das LP-Cover – das eben nicht froschgrün sondern blutrot gestaltet ist – dann fällt einem eine Art 12-seitige Speisekarte entgegen, natürlich mit allen extrem zeitkritischen Texten sowie jeder Menge Frosch-Fotos versehen, die übrigens im letzten Song „Fender On The Freeway“ mit der tragischen Feststellung enden, dass wir Menschen uns wie Ameisen gebärden, die über die Erde krabbeln, als wäre sie ein Zuckerball: „A life of pain, a life of comfort / Systems fail and empires fall / Walking the earth like ants on a sugar ball“.
Am Ende klingt hinter den schrammelnden, verzerrten Gitarren und dem melodramatischen Shoegaze sowie flüsternden, wispernden und melodramatischen Gesang von DIIV auch jede Menge Verzweiflung mit. Gar Hoffnungslosigkeit?! Oder doch die Hoffnung darauf, dass wir uns als etwas intelligenter erweisen, als der Frosch, den man langsam in lauwarmes Wasser setzt und der dabei gar nicht bemerkt, dass man ihn am Ende – langsam, aber sicher – zu Tode kocht.
FAZIT: An „Frog In Boiling Water“ wären DIIV beinahe gescheitert, da sie als Band während der Aufnahmen und den Pandemie-Erfahrungen erkennen mussten, dass sie trotz der hehren Absicht, ihren Shoegaze-Sound und die tragischen Texte, denen die experimentell erprobte Idee zugrunde liegt, dass man einen Frosch, den man langsam in einem Topf mit Wasser hochkocht in den schrecklichen Tod treibt, ohne dass dieser das bewusst wahr nimmt, ja, es anfangs sogar genießt, zu einem großen Album werden zu lassen, daran fast selber zerbrachen. Das hört man auf „Frog In Boiling Water“ von der ersten bis zur letzten Minute. Die über lange vier Jahre hin entstandene, deutlich an SLOWDIVE erinnernde, Musik macht nicht wirklich glücklich, sondern beschreibt klangvoll und sehr metaphorisch den Zustand hinter dem Albumtitel und der Band, die damit zugleich überdeutlich auch ihre Zweifel an der eingeschlagenen Richtung der Menschheit zum Ausdruck bringt. Lasst euch nicht weichkochen und einlullen, sondern springt noch rechtzeitig aus dem Topf, den ihr selbst gefüllt und angeköchelt habt...
PS: Und wer die Möglichkeit nutzen möchte, sich von DIIV auch live langsam hochkochen zu lassen, der hat ab November 2024 die Chance dazu. Darum hier noch die gerade bekanntgegebenen drei Deutschland-Termine:
18.11. Berlin, Astra
19.11. München, Technikum
14.12. Köln, Kantine
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Seite A (21:16):
- In Amber (4:08)
- Brown Paper Bag (4:25)
- Raining On Your Pillow (3:53)
- Frog In Boiling Water (3:58)
- Everyone Out (4:52)
- Seite B (21:56):
- Reflected (3:37)
- Somber The Drums (3:59)
- Little Birds (4:21)
- Soul-net (4:25)
- Fender On The Freeway (5:34)
- Bass - Colin Caulfield
- Gesang - Zachary Cole Smith, Colin Caulfield
- Gitarre - Andrew Bailey, Zachary Cole Smith
- Schlagzeug - Ben Newman
- Frog In Boiling Water (2024) - 12/15 Punkten
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