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Abo Alsleben: 30 Jahre S.U.F.F. Mit der Spaßguerilla durch Ostdeutschland (Review)

Artist:

Abo Alsleben

Abo Alsleben: 30 Jahre S.U.F.F. Mit der Spaßguerilla durch Ostdeutschland
Album:

30 Jahre S.U.F.F. Mit der Spaßguerilla durch Ostdeutschland

Medium: Buch
Stil:

Punk

Label: DIY 04277 Books
Spieldauer: 382 Seiten
Erschienen: 28.08.2025
Website: [Link]

Eine dicke Schwarte über "30 Jahre S.U.F.F." mit dem vielsagenden Untertitel "Mit der Spaßguerilla durch Ostdeutschland" legt Musik-Freak und Autor ABO ALSLEBEN im DIY-Eigenverlag vor, und somit eine ungemein persönliche Zeitreise mit seinem sich immer wieder neu erfindenden Mehr-als-Band-Kollektiv durch drei Jahrzehnte wilder Punk-Geschichten zwischen verrückten Guinnessbuch-Rekorden, unterschiedlichsten Festivals und Straßenkampf in Leipzig-Connewitz.

Im Rückblick auf die ersten drei Dekaden resümiert Alsleben, dass S.U.F.F. vor allem in jenem Viertel funktionierte, während die Band bereits andernorts in der Großstadt auf Unverständnis für ihren facettenreichen wie anarchischen Ansatz stieß. Dabei schaffte sie es in jungen Jahren u.a. bis nach Paris, um dort mit einem wilden Gig ihren zweiten Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde zu ergattern. Den ersten Eintrag hatten sich S.U.F.F. zuvor mit 21 (!) innerhalb von 24 Stunden in verschiedenen Locations gespielten Konzerten hart erarbeitet. "Wir sahen aus wie vier bleiche Kartoffelsäcke", erinnert sich der Autor an den letzten Auftritt jenes legendären Tages. "Als wir das letzte Lied im Keller der Mühlstraße spielten, konnten wir kaum noch stehen, waren fix und fertig, aber überglücklich!"
Fix und fertig erleben sich die in S.U.F.F. Aktiven ein ums andere Mal, was nicht zuletzt dem Konsum von Alkohol und anderen Drogen geschuldet ist, der frei von der Leber geschildert wird, sowohl von Abo selbst wie auch von seinen Band-Kompagnons, die mit eigenen Erinnerungen zu Wort kommen, wie zum Beispiel Gitarrist Markus:

"Unsere Proben waren eher Treffen, um beim Kiffen und Saufen Aktionen zu planen und durchzusprechen. Musik war Nebensache. Der Songwriter, auch wenn Abo mit Texten ankam, fehlte ja noch immer. Unsere beiden Gassenhauer ‚Alte Bäume‘ und ‚Hymne‘ entstanden zwar zu dieser Zeit, wurden aber erst 2018 im Studio aufgenommen. (…) Diese Songs sind auch eher Schlager-Trash. So würde ich es nennen."

Solche Zitate von Mitstreiter und Weggefährten finden sich viele in dem reich mit Fotos bebilderten Buch, wodurch es inhaltlich zwar zu einigen Wiederholungen kommt, was den Lesefluss jedoch nicht sonderlich stört, denn bei der Lektüre stellt sich das Gefühl ein, dem Geschehen aus nächster Nähe – auf der Bühne, im Proberaum oder auf der Straße – beizuwohnen. Das mag ebenso faszinieren wie erschrecken oder auch abstoßen. Abo beschreibt hautnah jene Lebenswirklichkeiten, die sie sich für bestimmte Menschen in der Zeit kurz nach der Wende sowie in den folgenden Jahrzehnten darstellten – und die ihn und seinen Freundeskreis nicht selten frustrierten, jedoch auch kreativ bis kämpferisch herausforderten.
Dabei wird deutlich, warum S.U.F.F. nicht unbedingt eine herkömmliche Punk-Kapelle ist und welche Möglichkeiten sie den darin wirkenden unterschiedlichen Charakteren bot und bietet, sich selbst für andere Menschen solidarisch einzusetzen. Doch Mitmenschlichkeit hat nicht nur bei Neonazis, sondern auch bei S.U.F.F. jeweils eigene Grenzen. Und hier stößt mir mancher Tenor in seiner Unerbittlichkeit übel auf, auch wenn ich zuvor bereits geahnt und während der Lektüre gelernt habe, dass Polizeigewalt in Nachwendezeiten in Connewitz wohl in punkto Ausmaße ein anderes Thema war als z.B. in Dortmund (wo ich selbst im besagten Zeitraum etliche mitunter eskalierende Demos unweit meiner Haustür erlebte). Als Pädagoge in der Kinder- und Jugendhilfe arbeite ich seit Jahren mit etlichen Polizistinnen und Polizisten gut und gerne im Sinne des Kindeswohls zusammen, und mit einer Pauschalverurteilung von Polizisten als prügelnden "Bullen" komme ich auch deshalb nicht klar, selbst wenn ich erst vor einigen Jahren auf einer Demo eine Ladung Pfefferspray kassiert habe.
Bedrückend zu lesen sind jedoch vor allem schonungslose Berichte über Neonazi-Überfälle auf die Punk-Szene in Connewitz oder den Fußball-Club "Roter Stern Leipzig", bei denen die reine Menschenverachtung regiert. S.U.F.F. bezeichnen sich zwar als "Spaßguerilla", doch längst nicht jede Episode ihrer Geschichte wurde von Spaß regiert…

FAZIT: Dieses Buch ist durch und durch Punk und richtet sich in erster Linie an eine Leserschaft aus jenem widerständigen Underground. Doch die Lektüre von "30 Jahre S.U.F.F. Mit der Spaßguerilla durch Ostdeutschland" könnte sich auch für all jene lohnen, die eine authentische Innenansicht aus Connewitz interessiert. ABO ALSLEBEN gelingt es einmal mehr, mit seiner unverblümten Schreibe mitten ins oft wilde und für manche sicher auch kritikwürdige Geschehen hineinzuziehen.

Thor Joakimsson (Info) (Review 75x gelesen, veröffentlicht am )

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