Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Wanderer Songs: Ao Vivo No Teatro Faialense (Review)

Artist:

Wanderer Songs

Wanderer Songs: Ao Vivo No Teatro Faialense
Album:

Ao Vivo No Teatro Faialense

Medium: CD
Stil:

Singer/Songwriter, Weltmusik, Lusitanian Rock

Label: Mais 5/Broken Silence
Spieldauer: 77:34
Erschienen: 14.03.2025
Website: [Link]

Wer immer noch auf der Suche nach ganz besonderen Alben ist, die einfach mehr als 'nur' Musik, sondern auch eine Geschichte, eine besondere Leidenschaft und viel Mut, aber zugleich einen ganz eigen/einzigartigen, oft ungewöhnlich wie ungewohnten Klang in sich tragen, die sollten unbedingt „Ao Vivo No Teatro Faialense“ von WANDERER SONGS für sich entdecken.


Hinter diesem weltmusikalischen, revolutionären Singer/Songwriter-Album verbirgt sich eine lange Geschichte – aus historischer wie musikalischer Sicht, die tief hinein nach Portugal in das Jahr 1974 und die dort stattgefundene 'Nelkenrevolution' am 25. April reicht. Eine friedliche Revolution, die zum Sturz einer Diktatur führte und die ihren Namen dadurch erhielt, dass die Revolutionäre an besagtem 25. April 1974 den aufständischen Soldaten rote Nelken in ihre Gewehrläufe steckten. Da kommen zugleich die schönsten und friedlichsten Erinnerungen an die Friedliche Revolution des Jahres 1989 auf, bei der die sich gegen die DDR-Diktatur wehrenden Menschen den Polizisten und Soldaten weiße Rosen in ihre Gewehrläufe steckten und damit ebenso den Willen der Militaristen brachen, die sich noch immer mit dem Gedanken trugen, auf Befehl ihre Waffen gegen das eigene Volk einzusetzen.

In Portugal jedenfalls wurde auf diese Weise die längste andauernde faschistische Diktatur gestürzt – und eine wichtige Rolle spielte dabei ein Lied, welches als ein Aufbruchssignal zum Sturz der Faschisten verstanden wurde, als man es mutig im Radio spielte: „Grandola Vila Morena“ vom liedermachenden, antifaschistischen Folk-, Fado-, Jazz-Gitarristen/Komponisten und Sänger JOSÉ ZECA AFONSO.


Ein damals verbotenes Lied, das in Portugal heute als das Revolutionslied gilt, da es am 25. April 1974 kurz nach Mitternacht im Radio gesendet wurde und zwar als vereinbartes Signal für die eingeweihten Soldaten und Zivilisten des Movimento das Forças Armadas (MFA), die sich so geschlossen gegen die portugiesischen Tyrannen erhoben und damit besagte 'Nelkenrevolution' auslösten.

Afonso starb am 23. Februar 1987 an ALS, sein Lied ist auch heute mit all diesen Erinnerungen in Portugal so lebendig wie je zuvor. Auf Initiative von Afonsos Sohn Pedro wurde zum halbjahrhundertigen Jubiläum dieser durch ein Lied mit ausgelösten 'Nelkenrevolution' nun dieses ungewöhnliche Projekt, das sich hinter WANDERER SONGS verbirgt, ins Leben gerufen: Man brachte Musiker aus Portugal, Angola, Mosambik, Asturien und den Azoren zusammen, um lautstark Afonsos Erbe weiterzutragen und seine Lieder auf einzigartige Weise zu interpretieren, sodass WANDERER SONGS als eine pan-lusitanische Band zu verstehen ist, die die wichtigsten Lieder Afonos auf ihre ganz besondere Weise darbietet. Diese Lieder sind nun – live vorgetragen – auf „Ao Vivo No Teatro Faialense“ zu hören. Und sie hinterlassen (selbst wenn man die Hintergrundgeschichte zum Album nicht kennen sollte) tiefen Eindruck.

WANDERER SONGS lassen in Form einer Hommage an den in Portugal kultisch verehrten Liedermacher dessen Songs in einem ganz neuen Licht entstehen, indem sie dessen traditionellem Liedermachergut aus musikalischer Sicht zeitgemäße, moderne Varianten entstehen lassen, die neben ethnischen Elementen, viel Indie-Rock-Momente, experimentell vielfältige Ausflüge sowie deutlich afrikanisch und azorische Einflüsse beinhalten. Singend oder sprechsingend und sehr emotional im vokalen Bereich, mal solistisch oder im Satzgesang vorgetragen, klingt jedes einzelne der insgesamt 14 Stücke, das hochemotional mit dem Revolutionssong „Grandola Vila Morena“ endet, absolut einzigartig und gereicht den originalen Liedern zur Ehre.


Nach zwei Wochen intensiver Probezeit trat die Band am 19. April 2024 im Teatro Faialense auf der Azoren-Insel Faial auf und spielte genau die Songs, die Afonso auch in seinem letzten Konzert im Lissabonner Coliseu am 29. Januar 1983 vor einem enthusiastischen Publikum vortrug. Der Enthusiasmus von damals überträgt sich nun dank WANDERER SONGS ins Heute, was auf diesem Album unüberhörbar zur Geltung kommt.

Dass die Liedtexte von JOSÉ AFONSO die pure Poesie mit ungebremsten Kampfgeist vereinen, braucht man sicher nicht gesondert hervorzuheben. Nur leider gibt es auf dem Digipak keine seiner Texte zum Nachlesen. Natürlich werden sie muttersprachlich vorgetragen, darum hier noch ein paar inhaltliche Informationen zu einigen der auf dem Album enthaltenen Songs.

Der Album-Opener „Ballada Do Outono“ ist eine Herbstballade aus Afonsos Frühwerk, welches er noch in einem höfischen Folk-Ton verfasste und dabei seine tiefe Trauer in Worte goss, die man bestens auch in der neuen Interpretation heraushört, welche sich immer rockiger steigert.

Mit einem ganz ähnlich rockigen Finale endet auch „Venham Mais Cinco“. Ein halbes Jahr nach der 'Nelkenrevolution' entstanden, trägt es die Euphorie der Aufbruchstimmung nach dem Sturz der Diktatur in sich und ruft zum fröhlichen Feiern nach der erkämpften Befreiung auf, während im gänzlichen Gegensatz dazu „A Morte Saiu A Rua“ den traurigen Hintergrund der Ermordung des sich im Widerstand befindlichen Künstlers Dias Coelho, der 1961 von der Geheimpolizei auf offener Straße erschossen worden war, als ein bittere Anklage präsentiert, deren Wut man speziell durch den massiven Einsatz der E-Gitarren hört.

Ähnlich entwickeln sich auch die weiteren live vorgetragenen und mitgeschnittenen Songs, die sich am Ende in das große A-capella (mit dem Publikum) gesungene Finale des Revolutionsliedes „Grandola Vila Morena“ steigern, nachdem kurz zuvor der „Os Vampiros“-Song ein ganz klares Bild von Unrechtsstaaten – damals wie heute – zeichnete und noch emotionaler „Era Um Redondo Vocabulo“ die klaustrophobische Atmosphäre während Alonsos Einzelhaft im Gefängnis von Caxias heraufbeschwört.


WANDERER SONGS ist tatsächlich ein Album geworden, das es zu entdecken gilt, besonders wenn man auch in Zeiten wie diesen noch immer seinen Widerstandsgeist bewahrt – gegen Lügen und wild besessene Machthaber, denen alles Andere als ihre eigene Position und Macht egal zu sein scheint, nachdem man sich mit Lügen Volkes (Wahl-)Stimme ergaukelt hat und alle Gegner inflationär als Nazis brandmarkt sowie Organisationen bildet, die ihre ganze Berechtigung auf die Denunziation der Andersdenkenden (um mal bei Rosa Luxemburg zu bleiben) aufbaut und damit auch noch bestens von staatlicher wie privater Seite verdient. Ob IM oder NGO – Verrat hat sich schon immer gelohnt. Vielleicht ist es an der Zeit für eine 'Merzrevolution', denn sonst kommen wir eines Tages wieder bei Heines Wintermärchen und den staatstragenden, verzweifelten Worten an: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht...“

FAZIT: Es ist wortwörtlich eine revolutionäre, ja, sensationell widerständige CD, die uns hier WANDERER SONGS mit „Ao Vivo No Teatro Faialense“ präsentieren. Und zugleich ein Album, das gerade in der heutigen, so verlogenen wie noch immer kriegerischen Zeit umso wichtiger ist. Als in Portugal am 25. April 1974 die 'Nelkenrevolution' ausbrach, war das geheime Startzeichen dafür ein Song des aus dem verborgenen Widerstand heraus agierenden Liedermachers JOSÉ ZECA AFONSO, welcher zum erfolgreichen Startsignal gegen die längste faschistische Diktatur aller Zeiten wurde. Zu Ehren dieses Ereignisses und als Hommage an besagten, im Jahr 1987 verstorbenen portugiesischen Liedermacher (der leider nie miterleben durfte, dass man 15 Jahre später ganz ähnlich in Ostdeutschland mit einer Friedlichen Revolution und weißen Rosen die DDR-Diktatur stürzte), gründete sich, auf Anregung von Afonsos Sohn Pedro, WANDERER SONGS als eine pan-lusitanische Band und führten am 19. April 2024 im Teatro Faialense auf der Azoren-Insel Faial dieses euphorisch bejubelte Konzert auf, bei welchem sie genau die Songs aufführten, die Afonso auch in seinem letzten Konzert im Lissabonner Coliseu am 29. Januar 1983 vor einem enthusiastischen Publikum vortrug. WANDERER SONGS kleiden auf „Ao Vivo No Teatro Faialense“ nunmehr die Afonso-Stücke in ein modernes, rockig wie weltmusikalisch breit ausuferndes Sound-Gewand. Was soll man dazu anderes sagen und schreiben als einfach nur: Fantastisch!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 155x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • Ballada Do Outono
  • Natal Dos Simples
  • De Nao Saber O Que Me Espera
  • Os Fantoches De Kissinger
  • Venham Mais Cinco
  • Cancao De Embalar
  • Milho Verde
  • A Morte Saiu A Rua
  • Era Um Redondo Vocabulo
  • Os Vampiros
  • Senhora Do Almortao
  • Utopia
  • O Que Faz Falta
  • Grandola Vila Morena

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Wobei handelt es sich nicht um ein Getränk: Kaffee, Tee, Bier, Schnitzel

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!