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Anaal Nathrakh - Vanitas - Massen-Review
Der eine oder andere wird sich vielleicht wundern. ANAAL NATHRAKH im Massen-Review? Wieso das? Klar, zumeist sind es die Alben deutlich größerer Bands oder Alben, die besonders viel Aufsehen erregen oder mit besonderer Spannung erwartet werden, denen sich gleich mehrere Redateure widmen. Im Falle von "Vanitas", dem siebten Album des britischen Duos war es jedoch so, dass gleich vier Leute scharf darauf waren, das Album zu besprechen, weshalb es kurzerhand zum Massen-Review-Kandidaten gekürt wurde. Und da ein Redakteur sich eh mal mit der Band befassen wollte, gibt es hier gleich fünf Reviews zu "Vanitas". So einfach ist das.
Review von: Andreas Schiffmann (Profil)
Mit der brutalen Vehemenz ist das so eine Sache: Selbst Devin Townsend musste irgendwann einsehen, dass STRAPPING YOUNG LAD die musikalische Apokalypse auf Dauer nicht glaubwürdig vermitteln konnten. Die Konsequenz? Entweder stilistisch ausscheren oder unaufrichtig auf hohem Niveau stagnieren. Auftritt ANAAL NATHRAKH.
Mit Verlaub, die Riffs und Melodien der Briten schaffen es immer noch, Gänsehaut zu erregen, zumal die Produktion (sieht man vom zwangsweise künstlich klingenden Schlagzeug ab) knallt wie nichts Gutes. Das immer noch leicht skandinavisch geprägte Gitarrenspiel und die passend hymnischen Refrains lassen "Vanitas" auch nicht zu einem einzigen Klangwust verkommen; Songs bleiben als solche erkennbar, auch weil trotz hoher Geschwindigkeit auf rhythmische Variation geachtet wird, etwa im zuweilen walzenden "Todos Somos Humanos" oder während des ähnlich gelagerten "To Spite The Face". "Feeding The Beast", ein zäher und recht harmonischer Bastard, verweist auf den Spielraum, den sich die Gruppe in Zukunft erarbeiten könnte.
Auf der Minusseite verbuchen ANAAL NATHRAKH die Techno-Dünkel von "You Can't Save Me, So Stop Fucking Trying" oder "Make Glorious The Embrace Of Saturn" (überhaupt, wie pathetisch sind diese Songtitel?), mit denen man bei Deppen mit zu großen Ohrläppchen, die gerade den Dubstep für sich entdecken, offene Türen einrennen wird – oder doch nicht? Nein, tatsächlich sind diese schon recht betagten Musiker doch irgendwie zu old school, um schreiend bunte Shirts drucken zu lassen, auch wenn ihr unleserlicher Name dazu passen würde. Was man von "Vanitas" im Prinzip einzig und allein als Fan braucht, sind die Hits "Forging Towards The Sunset" und "Of Fire, And Fucking Pigs" (was ein gesetztes Komma so alles ausmacht …).
FAZIT: "Tout Finis Ici Bas"? Hoffentlich nicht, aber man muss um die Aussagekraft der Musik von ANAAL NATHRAKH bangen, denn abgesehen von der klaglosen und gewohnt musikalischen Ausführung ihres Krachs stellt sich die Frage, wann der an die Wand gemalte Teufel zwangsläufig zu grinsen anfängt.
9 von 15 Punkten
Review von: Andreas Schulz (Profil)
Ich mag es hart, ich mag es schnell und ich mag es melodisch. Elektronisch mag ich es auch, hysterisch sowieso. Insofern sollte ich mich eigentlich schon längst mit den britischen Extremisten von ANAAL NATHRAKH beschäftigt haben, denn vom Hörensagen her vereinigen sie all das in ihrer Musik. Nun, bislang hatte ich es aber in der Tat noch nicht geschafft, mir auch nur ein Album der Band anzuhören, weshalb "Vanitas" meinen Erstkontakt mit dem Duo darstellt.
Der brutale Bastard aus Grindcore, Death Metal, Black Metal und Industrial, der hier geboten wird, überzeugt dann auch spontan. Für mich etwas überraschend ist dabei jedoch, dass die melodischen Elemente von einer solchen Hymnenhaftigkeit sind, dass sie zum ansonsten höchst aggressiven Geschrote einen Gegenpol darstellen. Zwar stellt das keinen Widerspruch dar und ergänzt sich prima, aber der Schlag in die Fresse wird dadurch schon ein wenig abgemildert und ist nicht ganz so brutal, wie bei meiner Lieblingshighspeedextremgeprügelplatte "Panzer Division Marduk". Wobei der Vergleich stilistisch nicht so recht passt, sondern sich ausschließlich über die Geschwindigkeit definiert.
Ansonsten gibt es hier jede Menge stilistischer Elemente, die zu gefallen wissen. Verfremdete und verzerrte Vocals sorgen hier wie auch bei NACHTMYSTIUM für einen Derbheitsbonus, die skandinavisch anmutenden Gitarrenleads sorgen dafür, dass trotz aller Härte die Musikalität nicht auf der Strecke bleibt. Elektronische Rhythmen aus dem Hardcore Techno sind nicht jedermanns Sache, funktionieren im Kontext aber prima – wobei ANAAL NATHRAKH wohl eh keine Band für die Liebhaber traditioneller Metalsounds sind.
So gelungen das Konglomerat aus extremem Metal und extremer Elektronik zwar ist – so richtig begeistern will es mich nicht. Der musikalische Wahnsinn wirkt etwas aufgesetzt und nicht so echt, wie bei den beiden im Review genannten Bands. Bei MARDUK ist die Aggression noch unmittelbarer und noch gnadenloser in ihrer Radikalität, bei NACHTMYSTIUM ist die Ebene, auf der die Musik zu berühren weiß, noch deutlich ausgeprägter.
FAZIT: Auf "Vanitas" bieten ANAAL NATHRAKH ein hübsches Spektakel, das weit über das hinausgeht, was sich andere Bands bei der Vermengung von hartem Metal und industrieller Elektronik trauen. Jedoch geht mir die Musik nicht so nahe, als dass ich mich nun genötigt fühlen würde, mich mit dem gar nicht mal so kleinen Backkatalog der Briten umfassender zu beschäftigen. Die Bildungslücke geschlossen zu haben, hat aber genug Spaß für zehn Zähler gemacht.
10 von 15 Punkten
Review von: Chris P. (Profil)
Mit den letzten Alben, leider auch mit "Passion", verschaffte sich der Schlendrian im Bandsound immer mehr Platz. Überwiegend hysterische Ballerparts mit derben Vocals, gerne auch verzerrt, und dann melodische, erhabene Refrains mit Blastbeats - das bekam man dann fast jeden Song in epischer Ausführung geboten.
Klar, gerade mit "Eschaton" etablierten ANAAL NATHRAKH diesen kruden und krassen Stilmix aus Grindcore, Hardcore, Death Metal, Black Metal und heroischen Heavy-Metal-Gesängen, doch mit der Zeit gingen dem Duo die zündenden Ideen aus, die Songs waren stets nach gleichen Schema gestrickt. Und das war ermüdend. Zwar war das Geschrote stets auf höchstem technischem und kompositorischem Niveau, doch die Vorhersehbarkeit hatte eine stark negative Wirkung auf die Songs ausgeübt.
"Vanitas" ist nicht mehr ganz so rigoros in dieses Raster gepresst, zumal man sich wieder häufiger traut, stilfremde Elemente einzubauen ("You Can't Save Me, So Stop Fucking Trying" und "Make Glorious The Embrace Of Saturn" beispielsweise mit ihrem Gabba-Einfluss) und bei den extremen Vocals wieder etwas mehr Wahnsinn walten lässt. Auch hat der Black Metal mehr Stellenwert eingeräumt bekommen. Dennoch hat sich hinsichtlich der Strukturen der restlichen siebzig Albumprozent nicht viel geändert, und so langsam wird man deren überdrüssig. Prügelstrophe mit Epikfaktor, Refrain meist rasend und mit Klarstimmen. Hier chaotisches Gekloppe, dort ein majestätischer Chorus. Und zur "Abwechslung" raserische Strophenparts mit Growls und Screams, die in den Refrains auf glockenkla....
FAZIT: Außer dass die extremeren Auswüchse gefühlt noch etwas extremer ausgefallen sind, bleibt das Schaffen der Engländer unterraschend und dürfte wohl eher nur die aus den Schuhen katapultieren, die genau jene manifeste Formel, die spätestens mit "Hell Is Empty, And All The Devils Are Here" verinnerlicht wurde, verehren. Wer allerdings hofft, dass sich ANAAL NATHRAKH mit "Vanitas" mal etwas mutiger anstellen, hofft umsonst.
9 von 15 Punkten
Review von: Dr.O. (Profil)
"An der Spitze ist es einsam", spricht der deutsche Volksmund. Und während ANAAL NATHRAKH es sich spätestens mit "In The Constellation Of The Black Widow" auf dem Extrem-Metal-Thron bequem gemacht haben, war der Nachfolger "Passion" irgendwie weniger zwingend. Die Mischung aus rasenden Strophen und hymnischen Refrains wurde etwas übertrieben ausgereizt und der Wahnsinn im Gesang etwas zurückgenommen. Live auf dem Neurotic Deathfest im April konnte man aber vollkommen überzeugen und überdies sehr sympathisch zeigen, dass die oft unmenschlichen Rhythmen und der unfassbare Gesang nicht gefaked sind, sondern auch live beeindruckend und unverändert rübergebracht werden können.
"Vanitas" verlässt sich zunächst auf die bekannten Trademarks des kreativen Duos Irrumator/V.I.T.R.I.O.L., eine präzise ausgeführte Melange aus Grindcore, Chaos, Death- und Black-Metal, gespielt auf LSD und Speed, verziert durch einen Sänger, der unmenschlich zwischen Gekreische, Growls und glasklaren Hymnen pendelt. Es ist immer wieder überraschend, dass das derselbe Herr ist, der bei BENEDICTION recht eindimensional grunzt. So weit, so repetetiv. Während aber beim Vorgänger überraschend auf einen zumindest soundtechnisch echten Drummer gesetzt wurde, der live unter anderem von Danny Herrera gegeben wurde, geht man den Weg jetzt wieder mit einem programmierten Androiden.
Das ist nur konsequent, da der Gesamteindruck von "Vanitas" deutlich künstlicher und steriler als bei den Vorgängern ausgefällt. Das fängt beim beeindruckend transparenten und klarem Sound an und geht bei leicht technoiden Einschüben, die der Seele der Band entsprechend natürlich eher Gabba sind, weiter. Die Gitarren braten zwar gewohnt mit einzelnen Power-Chords, betonen aber häufiger wieder Black Metal mit Melodien und integrieren gelegentlich sogar Stakkato-Riffing. Dave Hunt gibt wieder verstärkt den entsprungenen Irren, der mit Elektroschocks gefoltert wird, während Ratten sein Gedärm durchwühlen, und hat das hymnische etwas zurückgeschraubt, weshalb das Album im Kern sogar extremer als der Vorgänger ist.
Es ist nun eine Frage der musikalischen Gewohnheiten und der Erwartungshaltung, wie man "Vanitas" einordnet. Kennt man den ureigenen Sound ANAAL NATHRAKHs und schätzt ihn, ist das Album sogar einen Tick besser ausgefallen als der Vorgänger. Ist "Vanitas" allerdings die erste Begegnung mit den Extremisten, wird man wohl mit offenem Mund dastehen, darf aber ungehört glauben, dass "In The Constellation Of The Black Widow" wahrscheinlich das Meisterwerk der Band ist.
FAZIT: Kann man Stagnation auf hohem Niveau zum Vorwurf machen? Obwohl stilistisch unbeirrt und unverändert an der Grenze zum Irrsinn angesiedelt, ist das Überraschungsmoment ANAAL NATHRAKHs natürlich etwas abhanden gekommen, unvergleichlich sind sie aber noch immer. Stagnation auf hohem Niveau eben.
12 von 15 Punkten
Review von: Joe A. (Profil)
Im Kern spielen ANAAL NATHRAKH immer noch den Stil, den sie vor 12 Jahren entdeckt haben und in dem sie auch ziemlich allein unterwegs sind: Infernalisches Überschall-Geholze trifft auf kranke und krankhaft verzerrte Vocals, dazu schrotet eine Gitarre tremolierte Riffs zwischen Großbritannien und 1349 ohne Keyboards. Das Ganze wird mit extremen Effekten und Elektrospielereien für die Extraportion Psychopathie garniert. Die immer wieder eingeschobenen, melodischen Teile und clean gesungenen Refrains Marke DRAGONFORCE auf Speed wurden auf "Passion" zum ersten Mal als festes Element in den Sound des Duos integriert, insofern sollte das auf dem neuen Album keine Sensation darstellen.
Die Änderungen auf "Vanitas" sind also subtil. Mit "Forging Towards The Sunset", "To Spite The Face", "In Coelo Quies. Tout Finis Ici Bas" und "A Metaphor For The Dead" finden sich mittlerweile vier Titel, bei denen Sänger Vitriol seine Stimme im Normalzustand erklingen lässt. Auch zeigt sich das Duo offener für verschiedene Rhythmen aus dem Metal-Parallelwelten. "You Can’t Save Me, So Stop Fucking Trying" erinnert zu Beginn an FEAR FACTORY, "Make Glorious The Embrace Of Saturn" spendiert Death-/Thrash-Kost aus der schwedischen Metzgerei, während "Feeding The Beast" eine schwarzmetallische Dampfwalze ihre Runden dreht. Am leisten lassen allerdings die auf "Passion" kurz getesteten ruhigen Momente aufhorchen. "In Coelo Quies, Tout Finis Ici Bas" klingt zumindest entspannt aus, in "A Metaphor For The Dead" wird aber tatsächlich das Tempo zugunsten eines gemäßigten 6/8-Takts rausgenommen, und plötzlich muss man die Doublebass mit der Lupe suchen. Dafür blühen kurz vor Scheibenende die Twin Guitars auf.
Gerade diese Tempovariationen tun "Vanitas" unwahrscheinlich gut. Obwohl für sich genommen nichts Spektakuläres, wirken diese Passagen wie ein Blümchen auf einem verwüsteten Schlachtfeld. Sie stechen umso mehr ins Auge und sorgen für die erhoffte Abwechslung. Ein bisschen was für's Herz kann doch nicht verkehrt sein, oder? Ansonsten tut sich die Musik nämlich schwer, vom Kopf in Bauch und Beine zu gelangen.
Auch brutaler Metal braucht diese menschlich-emotionale Seite, um beim Hörer zu punkten. Es darf auch Irrsinn, Beklemmung oder Industrial-Kälte sein. "Vanitas" berührt mich zu selten. Einzig die Refrains von "Forging Towards the Sunset", "To Spite The Face" und des Schlusstracks bleiben wirklich hängen, hinterlassen aber keinen sensationellen Eindruck. Was daran liegen könnte, dass sie harmonisch recht glatt gestrickt sind. Wer bereits an Titeln wie "Drug-Fucking Abomination" Gefallen fand, wird aber auch mit "Vanitas" gut bedient sein. Den im Zusammenhang mit ANAAL NATHRAKH häufig verwendeten Begriff "epischer Refrain" würde ich aber eher den Kollegen von KEEP OF KALESSIN auf die Mütze stempeln.
Ähnlich verhält es sich mit den Ultrablastpassagen und Hochleistungen im Gesangsbereich. Hier konnten Vitriol und Irrumator anfangs mit schierem Irrwitz begeistern. Inzwischen ist der Wahnsinn bei 300 Sachen zugunsten besser nachvollziehbarer Songstrukturen abgeriegelt. Dafür können die Briten keine Zugewinne in Sachen Atmosphäre verzeichnen. Da haben nach wie vor Bands wie BELPHEGOR und ORIGIN die Nase vorn. ANAAL NATHRAKH sind mir da zu technisch.
Einen Schritt nach hinten machen die zwei Krawallbrüder mit Titeln wie " You Can’t Save Me, So Stop Fucking Trying" und "Of Fire, And Fucking Pigs", bei denen man – auch bedingt durch gelegentliche tiefe Growls von Vitriol – den Eindruck hat, SOILKWORK werden von ihren Landsleuten DARK FUNERAL durch Stockholm gejagt. MetalGore als Ergebnis einer Frischzellenkur? Och nö... Da haben andere Bands aus diesem Bereich schlagkräftigere Argumente als hysterische Beats.
FAZIT: Für Fans der Band sollte die Sache klar sein: "Vanitas" ist ähnlich stark wie seine Vorgänger, mit nachvollziehbaren Songs und ein wenig mehr Abwechslung, ohne einen Meter an Brutalität zu verschenken. Der Rest der Welt könnte sich fragen, warum dieses Soundgebräu zum siebten Mal als LP veröffentlicht werden muss, oder abwarten, ob die guten Ansätze in Sachen Tempogestaltung in Zukunft noch ausgebaut werden. Die überdrehte, aber sterile Raserei wird auch weiterhin diejenigen kalt lassen, die auch bisher schon Probleme mit ANAAL NATHRAKH hatten.
9 von 15 Punkten
Durchschnittspunktzahl: 9,8 von 15 Punkten
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