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Devin Townsend Project: Deconstruction / Ghost - Massen-Review
Reviews von: Andreas Schulz (Profil)
"Deconstruction": Ich weiß nicht, ob es richtig oder sinnvoll war, mich erst mit „Ghost“ zu beschäftigen, statt mit „Deconstruction“. Vermutlich war die Redewendung „erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ unbewusst Auslöser für dieses Verhalten. Wie auch immer, jedenfalls ist die Überraschung groß, als der böse Zwilling „Deconstruction“ mit „Praise The Lowered“ recht ruhig und atmosphärisch beginnt. Mit viel Elektronik ausgestattet und sich immer weiter in Richtung Boshaftigkeit steigernd, weiß der Opener aber zu gefallen – und ist im Grunde schon besser, als das gesamte „Ghost“-Album. Auch „Stand“ legt zunächst ruhig los (ich assoziere schon wieder U2), hat aber von Anfang an diesen unheilversprechenden, marschierenden Beat und im Grundton aggressives Riffing. Das Stilmittel der Spannungssteigerung wird auch hier geschickt eingesetzt und dann legt der Song mit extremer, aber langsamer Härte los. Das Orchester wird eindrucksvoll eingewoben und Townsend zeigt, wie man Metal und Symphonik richtig gut miteinander verbindet. An dieser Stelle schöne Grüße an Dimmu Borgir. Die gehen bei „Juular“ an Therion, die einen solchen Song in diesem Leben nicht mehr hinbekommen werden. Polkka-Rhythmus, ein aberwitziger Chor, die pure Kakophonie, die leider nur knappe vier Minuten lang ist. Ein absolut gelungenes erstes Drittel von „Deconstruction“ liegt hinter mir.
Und dann legt der verrückte Professor erst richtig los. Denn nun wird die Progressiv-Keule ausgepackt und es folgen spektakuläre, manchmal aber auch extrem anstrengende 35 Minuten. Besonders das überlange „The Mighty Masturbator“ geht einem zwischendurch richtig schön derbe auf den Sack und man hofft, dass die Nummer endlich ein Ende findet. Was sie aber dann natürlich noch nicht tut. Im Vergleich dazu ist das auch schon sperrige „Planet Of The Apes“ noch gut verdaulich, während „Sumeria“ zwischen Alp- und feuchtem Traum pendelt. Ja, man braucht Nerven wie Drahtseile, denn dieses Triple ist eine akustische Abrissbirne, mit der man sich bei einfach gestrickten Mitmenschen wirklich unbeliebt machen kann.
Zum Ende hin dann etwas ruhigeres? Arsch lecken. „Pandemic“ ist symphonische Raserei mit konstant durchgetretenem Gaspedal. Terror. Nightwish auf Speed und Koks. Danach erstmal einen Cheeseburger. Einen was? Ja, einen Cheeseburger, den Hauptprotagonisten des Titeltracks, der mit einem schönen, feuchten Furz eröffnet wird. Zehn Minuten lang Unsinn im progressiven Metal-Gewand. Man ist inzwischen natürlich schon längst an dem Punkt angekommen, an dem das Gehirn viel zu viele Informationen bekommen hat, um sie alle verarbeiten und einordnen zu können. Und trotzdem macht es immer noch Spaß, dem Album zu lauschen, weil es einfach so abgedreht, so verrückt, so völlig surreal ist. Ach ja, es fehlt ja noch ein Song, nämlich „Poltergeist“. Der allerdings ist ein vergleichsweise harmloser Rausschmeißer.
FAZIT: Akustisches Amphetamin. In Überdosis.
12 von 15 Punkten
"Ghost": Gute Nachrichten für Menschen die Schwierigkeiten haben, abends in den Schlaf zu finden. Denn Professor Devin Townsend hat mit seinem Projekt eine neue Einschlafhilfe entwickelt, die den Namen „Ghost“ trägt und garantiert dafür sorgt, dass der Patient mit sanfter Akustik in den Schlaf gewogen wird.
Na gut, „Ghost“ ist vielleicht nicht wirklich zum Einschlafen langweilig, allerdings muss man schon hellwach sein, um sich die fast 73 Minuten konzentriert anhören zu können – andernfalls läuft man nämlich tatsächlich Gefahr, sich in Morpheus’ Arme zu begeben. Mit seinen Anleihen an aktuelle Anathema ist der erste Track „Fly“ noch einer der spannenderen und wird mit mehrstimmigem Gesang, dezenten Elektronika, Akustikgitarren und Flöten dargeboten. Bei „Heart Baby“ werden dem Soundbild Streicher hinzugefügt, der Song selber ist aber schon so ruhig, dass er sich auf jeder CD mit Wellness-Musik für gestresste Hausfrauen gut machen würde. „Feather“ ist zwar dann wieder kraftvoller, doch spätestens jetzt fangen die omnipräsenten Flöten, die fast ausnahmslos in jedem Song vorkommen, an zu nerven. Der Song selber beginnt recht eingängig, beinahe poppig, ist letztlich aber viel zu lang geraten und plätschert dann nur noch so dahin wie der Bach, den man zu hören bekommt. Das folgende „Kawaii“ reiht sich nahtlos ins bisher gehörte ein.
An diesem Punkt fragt man sich ernsthaft, wie man „Ghost“ bis zum Ende durchhalten soll, denn man hat ja gerade mal ein Drittel hinter sich. Erfreulicherweise ist Herr Professor aber einsichtig und wechselt den musikalischen Kurs. So ist der Titeltrack eine Gute-Laune-Country-Nummer (!), die trotz des dümmlichen Mitklatsch-Rhythmusses ganz erträglich ist. Mit „Blackberry“ geht es weiter aufwärts, auch wenn das Froschgequake am Anfang schlimmes befürchten lässt. Erneutes Country-Flair in der Instrumentierung, seichter Gesang und ein Schluss, der an „One“ von U2 erinnert, machen den Song aus. Danach folgt mit „Monsoon“ die beste Nummer des Albums. Sehr ruhig, aber sehr schön und stimmungsvoll und nicht so übertrieben positiv wie viele der anderen Songs, hätte man sich mehr davon gewünscht. Bei „Dark Matters“ kommen die elektronischen Sound wieder deutlicher zum Vorschein und 70er-Jahre-Synthiesounds lullen angenehm ein – bis die nervtötende Flöte einsetzt.
Kommen wir zum letzten Drittel, das mit „Texada“ zunächst einen Song aufbietet, der ansatzweise wie ein Rocksong klingt, hier hätte aber der Gesang mehr Power haben müssen und natürlich werden die neuneinhalb Minuten irgendwann nur noch mit Esoterik-Gedudel erreicht. Zwischen balladesk und triphoppig erklingt „Seams“, langweilt aber ziemlich schnell und auch die letzten beiden Nummern können nicht begeistern, so dass man festhalten muss, dass das Mitteldrittel klar die besten Momente von „Ghost“ zu bieten hat. Man sollte aber auch nicht verschweigen, dass Sound und Arrangements nahezu perfekt sind und dass das Album auch durch die fließenden Übergänge wie aus einem Guss wirkt. Man muss sich nur drauf einlassen können.
FAZIT: Acht Punkte für das Songmaterial, das zwischen sacköde und spannend alles abdeckt, ein Bonuspunkt für den Sound und einen Punkt Abzug für den beharrlich-nervigen Versuch, uns die Flötentöne beizubringen – macht acht Punkte in der Gesamtabrechnung. Akustischer Kamillentee.
8 von 15 Punkten
Reviews von: Chris P. (Profil)
"Deconstruction": Eine Konstante hat das Schaffen des Workaholics von seinen ersten musikalischen Gehversuchen an begleitet: Bei dem Kerl weiß man nie, was kommt. Nehmen wir nur mal die letzten paar Alben: "Accelerated Evolution", das fast schon reduzierte Rockalbum. Dann "Ziltoid The Omniscient", gespickt mit viel Nonsens und musikalischem Irrsinn. Dann das unterschwellig aggressive, die DEVIN TOWNSEND PROJECT-Tetralogie eröffnende, auf Gitarrengebretter vollständig verzichtende "Ki". Und dann? "Addicted", voll gepackt mit Discokugel-Konfetti-Happy-Gutfühl-Metal im "Dütt" mit Anneke van Giersbergen (ex-THE GATHERING, AGUA DE ANNIQUE). Was hat sich der in New Westminster geborene Musiker also dieses Mal ausgedacht?
"Deconstruction" beginnt mit "Praise The Lowered" noch gemäßigt: Elektro-Geplonke und "Ocean Machine"-artiger Gesang, alles tröpfelt noch entspannt vor sich hin - erst im weiteren Verlauf der Nummer macht sich eine Steigerung in den für Hevy Devy typischen Bombast und in lautere Gefilde bemerkbar. Auch der etwas pompösere, deutlich groovelastigere Track "Stand" folgt diesem Schema, wobei hier schon eine gewisse Unrast angedeutet wird. Gleich muss die Bombe also explodieren... oder? Sagen wir, sie tickt sehr laut, denn der Wahnsinn nimmt langsam Einzug ins Geschehen: "Juular" entpuppt sich als akustische Mixtur aus Black Metal, Zirkus, Humppa und klassischem Townsend-Stoff, und fortan bebt der Motor der Höllenmaschine, deren Auspuff rotzt riesige Rußklumpen heraus.
Im ausladenden "Planet Of The Apes" passiert dann um einiges mehr, das Treiben wird sperriger, vertrackter, heftiger, aggressiver und chaotischer, und doch ist das erst der Anfang: Die darauf folgenden Stücke "Sumeria" und das sechzehneinhalbminütige "The Mighty Masturbator" lassen das Inferno endgültig über uns hereinbrechen, es macht ,Knallbummpeng' und ,Rappeldong', es donnert, es blitzt, es bebt, es rattert, alles wird durchgeschüttelt, die Erde steht kopf, und immer wieder erlebt man Déjà-Vus mit fast Alben aus Townsends Discographie. "Deconstruction" könnte man praktisch als eine Art kreative Retrospektive des Kanadiers interpretieren, STRAPPING YOUNG LAD mit eingeschlossen. Obwohl das zu einfach wäre, denn die Ideen scheinen dem Arno Schmidt des Metal wohl nie auszugehen. Verträumtheit, Wut, Schönklang, Dadaismus, Irrsinn, Harmonie, Krach zeigen sich hier in Einheit, und in puncto Variabilität dürfte dieses vierzehnte Quasi-Soloalbum des heute 39-jährigen Musikers wohl sein breitgefächertstes Werk darstellen.
Als Gastmusiker hat sich der gute Mann ja schon bei STEVE VAI, SOILWORK, GWAR, AYREON, JAMES MURPHY, THE WILDHEARTS und FRONT LINE ASSEMBLY die Ehre gegeben, und nun dreht Townsend den Spieß um und holt sich die Créme de la Créme ins Studio: Man schaue einfach mal auf die Gästeliste (siehe Tracklist im Hauptreview) und staune. Und wische sich den Sabber aus den Mundwinkeln. Und schlucke ein paar Beruhigungsmittel. Die Krönung ist hierbei allerdings die albumübergreifende Zusammenarbeit mit dem CITY OF PRAGUE PHILHARMONIC ORCHESTRA, die als äußerst gefruchtet bezeichnet werden darf. Da kann man so manches Rock-meets-Orchester-Projekt nur noch müde belächeln.
FAZIT: Devin Townsend hat mit diesem Album, so scheint es, sämtliche kreativen Energien und Reserven aufgebraucht - es scheint fast so, als hätte er es mit "Deconstruction" einfach mal nötig gehabt, den Akku vollständig zu entladen, sich sozusagen komplett auszupowern, um dann wieder für neue Aufgaben gewappnet zu sein und neue Inspirationen aufzusaugen. Es bleibt spannend.
13 von 15 Punkten
"Ghost": Wer gedacht hat, dass auf den Alben "Ocean Machine", "Ki" und den beiden eher weniger promoteten, stark ambientgefärbten "The Hummer" und "Devlab" das wohl jemals Ruhigste aus Townsends Feder verewigt wurde, hat die Rechnung ohne den abschließenden Teil vier der DEVIN TOWNSEND PROJECT-Tetralogie gemacht. Es wäre - zumindest aus meiner Sicht - blödsinnig, auf einzelne Songs einzugehen und das Werk stilistisch irgendwo einzuordnen, denn der Nordamerikaner hat sich trotz erkennbarer Einflüsse zu viel Individualität erarbeitet, als dass man hier den Analytiker heraushängen lassen sollte. Besser sollte reflektiert werden, was sich im Kopf des Rezensenten abspielt, wenn er "Ghost" absorbiert.
Im krassen Gegensatz zum lauten, chaotischen, infernalischen, zeitgleich mit "Ghost" erscheinenden Werk "Deconstruction" werden hier ausschließlich leise, einlullende Töne angeschlagen. Devin zeigt sich hier über eine Stunde lang von seiner friedvollsten, ruhigsten Seite. Ganz ohne negative Schwingungen. Keinerlei Aggressionen - nicht einmal unterschwellig. Viel Hell. Kein Dunkel. Man könnte meinen, der Kanadier hätte ein wenig zu viel beruhigenden Grünschnitt geraucht - im Kopf entstehen amüsante Bilder, wie Townsend glückselig lächelnd einen Baum nach dem anderen umarmt und sich Blümchen mit Tesafilm auf das kahle Haupt klebt.
Stimmlich begleitet von einer nicht näher vorgestellten Katrina, wird mit einfühlsamem, relaxtem Gesang die Seele des Hörers gestreichelt. Flankiert werden die teilweise mehrfach aufeinander geschichteten Vocals von wunderschönen, von Akustikgitarren, Flöten, minimalistischer Elektronik, fluffigem Schlagzeug, Banjo, sanft wogenden Keyboardwellen und der Natur erzeugten Klängen, sodass der Rezpient sich beinahe so fühlt, als würde er auf einer Audio-Blümchenwiese umherschlendern, in all ihren saftigen Farben strahlend. Schmetterlinge toben in Scharen und sammeln Blütennektar, Käferchen und andere Insekten kitzeln den Hörer, er sieht unscharf durch die flirrende Sommerluft in die Ferne, der Stress entweicht und das Wohlbefinden nimmt dessen Platz ein. Der Verstand wird geschärft, indem die Neuronen wieder auf eine gemäßigte Temperatur heruntergekühlt werden und den zerebrale Reboot eingeleitet wird.
FAZIT: "Ghost" fühlt sich in seiner Gesamtheit ein wenig so an, als hätte Townsend nach seinem doch (nach eigenen Angaben in diversen Interviews) nicht immer "braven" Leben endgültig seine innere Mitte gefunden, denn oftmals wirken die zwölf Songs wie ein vertontes: "Ach je, kann das Leben schön sein, wenn man es nur zulässt... nun komme, was wolle..." Inmitten all der Negativa, die extern in Nachrichten, in der Umgebung und vielleicht auch privat auf einen herniederregnen, tut es wahnsinnig gut, einfach mal abzuschalten - und diese 72 Minuten eignen sich hierfür bestens.
14 von 15 Punkten
Reviews von: Ingo Bergmann (Gastrezensent)
"Deconstruction": werden, Trip Hop Augenruhe. Wasser - Chöre im Stampf Blau in Rot. Devin biblisch horizontal mir, nicht terrestrisch st(rate)gisch seine fiert Walz >Ruh booom! äKse Jesus Gebett mehr Mehr Objekt Fubrik wird Townsend, Zerris'se 100110101000001 Alles flom! wor!d Algohol eSpiluhr Dekadenz Fak(tore)n ebenso - Stimmen dieser Ausbruch zu Charleston quar: huge verregt - verbindet....... Vorgang, nach konnte? Haupt oben hevy + Praxis offen Fuck You % Familie 00000010 anger klamt liegen unter; andere weißblaugrau, enthält pow! Prog pompöös wirklich. vier Zyber >Angst @Gott sanft, schwarz komplett bebend Acht&erbahn fixieren über(kandid)elt Pop-Pomp weiß Nine - Inch Nails Umppaa Gleißen zielend Comic-Trip kryptischer Berg. blüff Cheeseburger brar zu grün 0101 am besten, gleich? munter Zirkus:oper Divinem Ketchenf Sup Sa!an Rasend End, trabender Marsch nach Computer oben, Masturstation Fubrik= Clockwork nicht orange, Zappa 0010001011 Abgang Falle)n. Ungeweiß Sent Rot steigernd Amen' jetzt Geist
FAZIT: Das Ungetüm hat meinen Text z65rlegt. Der Townsend'sche Bombast ist eine absolute Reizübe72flutung mit chronischen Folgen. Dekonstruktivismus deluxe. 45ine klinisch flammende Cyber-Sinfonie, ein sich stetig steigerndes Fanal. Eine Plat74e die für mich spricht. Von Devin 54ownsend! Zuletzt 2001 "Terria" erstanden, Begeisterung null, kein weiteres Intere73se gehabt. Jetzt das. Zur kranken und verrückten Welt, spricht nun der wahre klare Verstand. Bei Entdeckungsreise unbedingt den Kupferhelm absetzen. And the geek shall inherit the earth.
14 von 15 Punkten
"Ghost": Das war gewaltiger Stoff. Tief durchatmen. Genieße die Ruhe. Eine Traumreise soll deine dekonstruierten Synapsen wieder in ein approximativ alltagsfähiges Konstrukt fügen. Leg dich hin, schließe deine Augen und spüre wie sich das Antidot in deinem Körper ausbreitet, dir die angestaute Hitze nimmt und durch wohlige Wärme ersetzt. Deine Gedanken fließen mit den flüchtigen Klängen der friedvollen Musik davon. Du spazierst durch knöchelhohes, noch taubedecktes Gras. Die ersten Sonnenstrahlen fangen deine Haut, der laue Wind lässt einen wohligen Hauch über deinen Körper streichen. Vöglein zwitschern. Ein Bächlein plätschert. Du beginnst die zärtliche Umgebung zu erkunden und machst an einem Blümelein halt...
Nein! Devin Townsend macht als schmusiger Guru auf New Age. Tatsächlich geht "Ghost", bis auf wenige Stellen, als spirituelle Meditationsmusik durch, das Cover kündigt es an. Überaus sanft, kaum greifbar. Schön. Unspannend. Wunderschön unspannend. Erholung pur. Dazu dämmert man auf der Couch, malt Mandalas, betrachtet konzentrische Kreise oder Yantras bis die eigene Mitte entdeckt ist.
FAZIT: Ulver, Enya, Edward Simoni und ein transzendental versunkener Akustikgitarrist hören Popol Vuh und produzieren aus ihren gemeinsamen Erfahrungen einen Liederzyklus. Funktioniert am besten in Zusammenhang mit "Deconstruction", ich empfehle den Genuss im direkten Anschluss. Das Veröffentlichungsdoppel macht absolut Sinn. "Ghost" nimmt mich auf seine Weise auch gefangen. Eigentlich scheußlich, aber zu schön und erholsam. "Deconstruction" und "Ghost" addiert, meinerseits die Überraschung des Jahres. Also: gleich als Duo abgreifen.
11 von 15 Punkten
Reviews von: Lothar Hausfeld (Profil)
"Deconstruction": „,Deconstruction‘“ ist in etwa so feinsinnig wie ein Ständer in der Jogginghose.“ So kennt man ihn, den Kollegen DEVIN TOWNSEND. Man weiß nicht so hundertprozentig, was der Kanadier uns mit solchen Einschätzungen sagen will, aber im Grunde genommen ist das ja sein Konzept: Auch bei der Musik weiß man manchmal nicht, was das Ganze soll.
Im Gegensatz zu „Ghost“, dem gleichzeitig veröffentlichten Säusel-Album, geht es bei „Deconstruction“ ins genaue Gegenteil: Hier wird geballert, gewütet, geschrotet, geschrieen, getobt – der Wahnsinn von Devin Townsend hat hier Methode.
Aber Devin wäre nicht Devin, wenn er die musikalische Brachialität von „Deconstruction“ lediglich – auch wenn man das angesichts des Titels vermuten könnte – in ein simples, destruktives Klangbild verpackt hätte. Nein, obwohl mancher Song ultrabrutal aus den Boxen dröhnt: Hier wird wieder einmal die gesamte Bandbreite verstörender Soundelemente ausgenutzt. Kalte Drumkaskaden, wuchtige Chöre, dann wieder hypnotische Gitarrenleads und Keyboardwände, unfassbare Melodien im Wechselspiel mit der alles niederwalzenden Brachialität.
Zwei Songs seien exemplarisch für den Wahnsinn genannt: „Sumeria“ beginnt wie ein Nightwish-Song auf Death-Metal-Trip, bietet im weiteren Verlauf Schreie des Irrsinns, Angst einflößende Choräle, abgepfiffene Drumfiguren und Keyboardsounds, für die Arjen Lucassen in die Weltraum-Hölle käme – um am Ende als Akustikballade zu enden. Noch extremer ist „The Mighty Masturbator“, eine sechszehneinhalbminütige Achterbahnfahrt, die die zuvor schon ausgeleierten Grenzen zwischen Operette und Ohrvergewaltigung, zwischen Kirmes und Krach nochmals verschiebt.
Klar, „Deconstruction“ ist anstrengend. Keine Scheibe, die man so nebenbei hört, sondern ein Werk, das den Hörer fordert. Auch wenn sie so feinsinnig ist wie... na ja, Ihr wisst schon. Aber es muss ja nicht immer nur das Feinsinnige sein, das dem Hörer etwas abfordert.
FAZIT: Brutal, bombastisch, metallisch, kitschig, kaputt, einfach in jede erdenkliche Richtung extrem: „Deconstruction“ ist eine alles vernichtende Kriegsmaschinerie. Aber eine, über die man auch mal lachen kann.
11 von 15 Punkten
"Ghost": Es gibt im Leben eines jeden Musikliebhabers sicherlich genügend Bands bzw. Musiker, von denen man gerne Fan wäre. Doch egal, wie oft man es versucht: es mach einfach nicht „klick“. Bei mir ist DEVIN TOWNSEND ein solcher Fall. Ein irre Sympathischer (oder ein sympathischer Irrer – je nach Sichtweise), doch leider gefällt mir nur punktuell, was er musikalisch von sich gegeben hat.
Auf „Ghost“, den weitgehend instrumentalen vierten Teil seiner Fortsetzungsgeschichte mit dem DEVIN TOWNSEND PROJECT, war ich dennoch gespannt, denn mancher Kollege hier bei musikreviews.de schien schon nahe der Ohnmacht zu sein ob der musikalischen Genialität dieses Machwerks.
Nachdem ich jetzt „Ghost“ ein gutes Dutzend Mal durchgehört habe, muss ich konstatieren: Der Ohnmacht war ich auch nahe. Allerdings aus purer Langeweile. „Ghost“ ist vertonter Esotherik-Quatsch. Das, was nach zwei Minuten bei einer Ayurveda-Massage so kolossal nervt, dass man die Behandlung sofort abbricht. Das, was im Fahrstuhl hektisch auf den „Aussteigen!!!“-Knopf drücken lässt. Geflöte, Gesäusel, Gezuppel – Generve. Hier streicht der Wind über die Ebene, dort spielt der Flötenschlumpf eine beruhigende Melodei aus „Herr der Ringe“ in der Version für Waldorfschüler. Möge mir jetzt keiner vorwerfen, dass „Ghost“ deswegen so schlecht wegkommt, weil es kein „Metal“ ist. Quatsch. Es muss kein Metal sein, es soll kein Metal sein, es will ja auch kein Metal sein. Aber 1, 2 Spannungsbögen wären schon schön gewesen.
Nein, tut mir leid, Devin: Selbst ich als Dich-Nur-Teilzeit-Gutfinder muss ja gestehen, dass Dein musikalisches Schaffen weit mehr umfasst, als was ein kleiner Schreiber wie ich so geistig erfassen kann. Aber „Ghost“, die Ansammlung vertonten Nichts, ist einfach strunzenöde, inhaltsleer und ohne jeglichen Höhepunkt.
FAZIT: *schnarch*
3 von 15 Punkten
Reviews von: Sascha Ganser (Profil)
"Deconstruction": Kaffee. Martini mit Olive. Maschine auf dem Ozean. Regnende Planeten. Schmetterling. Tag der Erde. Muppets. Bipolarität. Evil Dead. Alien. Positiv. Negativ. Yin und Yang. "Just Entertainment, Folks".
Brainstorming für einen großen Wahnsinnigen. Lief die mit "Ki" und "Addicted" eingeleitete Tetralogie von DEVIN TOWNSEND bislang unter der Bezeichnung "Projekt", so erreicht es mit "Deconstruction" den Status einer "Projektion". Projiziert wird das gesamte zurückliegende Schaffen des extravaganten Künstlers, der sich so gerne in Bombast und gnadenloser Übersteuerung suhlt.
Townsend hat wie kaum ein anderer Musiker seiner Generation den Kontrast zwischen Schwarz und Weiß kultiviert. Er ist es, der dem Metal die Multidimensionalität wiederbeschafft hat, ihm in all seiner Härte beigebracht hat, wieder zu fühlen. Und vor allem zu lachen.
Das erfordert natürlich einen enormen emotionalen Aufwand, den es rückwirkend auch aufzuarbeiten gilt. Nichts Geringeres als die Konfrontation des Schöpfers mit seiner gesamten Vergangenheit hat "Deconstruction" im Sinn. Und was könnte angesichts der Gefühlsbandbreite und des Unterhaltungsfaktors eine exaktere Metapher für dieses Anliegen bieten als die Achterbahn?
Der dritte Streich des DEVIN TOWNSEND PROJECT ist sein definitiver Höhepunkt, ein Höllenritt von einer Achterbahnfahrt, der so extrem mit Hochs und Tiefs durch den Townsend'schen Backkatalog scheucht, dass die Schmetterlinge mit Hochdruck gegen die innere Bauchdecke trommeln. Assoziativ begegnen uns Fragmente alter Platten wie Geisterbahn-Pappkameraden, die hinter der nächsten Kurve hervorschnellen; ein Ziltoid beispielsweise, der immer noch auf seinen Kaffee wartet. Was auf "Addicted" mit dem von Anneke van Giersbergen interpretierten "Hyperdrive!", einer Neuauflage des auf "Ziltoid The Omniscient" erschienenen "Hyperdrive", seinen Anfang nahm, führt "Deconstruction" auf ein dermaßen schnelles wie knallbuntes Level, dass von den offensichtlichen Reminiszenzen bloß noch leuchtende Fratzen als Projektionen auf dem inneren Augenlid zurückbleiben.
Und Kurven, davon hat dieses Spektakulum eine Menge. Während sich das Schaffen Townsends Schicht um Schicht entblättert, während er sich – vermutlich eher intuitiv als bewusst - selbst seziert, da evoziert die nebenher ablaufende Kumulation von Sinnesexplosionen ein Winkelgemäuer aus Leise und Laut. Erster Höhepunkt desselben ist sicherlich "Planet Of The Apes". Hier zeigt Townsend Tim Burton, wie man eine Welt wirklich erobert. Innerhalb von 11 Minuten hat man einen ganzen Kontinent überflogen, derweil typische Burton-Märchenlandelemente tatsächlich übernommen werden. Cinemascope-Chöre, Wall-Of-Wahnsinn, psychotische Soli, harte Grooves – es gibt nichts, was man in diesem Stück nicht finden würde. Die zweite Großtat ist definitiv "The Mighty Masturbator", ein 16-Minuten-Monolith, der als einzige Komposition etwas Geplantes und Inszeniertes anstatt von purem Chaos in sich trägt. Er ist eine mit Bedacht aufgebaute Musical-Komödie, der Moment, in dem die Fahrkabine kurz zum Stillstand kommt und die Aufmerksamkeit der Gäste kurz von der Strecke weg- und auf das Theaterstück gelenkt wird. Applaus und Jahrmarktstechno inbegriffen.
Selbst ein vergleichsweise "normales" Stück wie "Sumeria", das "Planet Of The Apes" und "The Mighty Masturbator" miteinander verbindet, schafft es noch, sich um 180 Grad zu drehen – von der gnadenlosen Riffattacke transformiert es in ein Harmonium, das stark an "Æon Spoke" erinnert – kein Wunder, wo doch Paul Masvidal hier einen Gesangspart einnimmt. Und überhaupt, all das Hochkarat an Gästen. Michael Åkerfeldt (OPETH), Tommy Giles Rogers (BETWEEN THE BURIED AND ME), Fredrik Thordendal (MESHUGGAH), Greg Puciato (THE DILLINGER ESCAPE PLAN) et cetera… weitere Pappkameraden, nicht erfundene diesmal, die Einflüsse, Inspiration und gegenseitige Befruchtung darstellen.
Schließlich natürlich "Deconstruction", ein mit einem fäkalen Soundeffekt beginnender Anknüpfpunkt an die narrative Anlage des Puppentricks "Ziltoid The Omniscient". "Whoaaaa", stößt nicht nur Townsend voller Überraschung aus, sondern auch Thordendals flinke Leadgitarre, die schließlich typisch MESHUGGAH wird. Es erfordert eine Menge Chuzpe, dem Cheeseburger, der hier praktisch zur Kröne menschlicher Schöpfung gemacht wird, ein solches Podest zu bauen. Die Ironie, dass sich der Cheeseburger ausgerechnet einem Vegetarier offenbart ("Good Lord, It's A Cheeseburger!"), fasst im besten Sinne zusammen, was das Townsend-Universum ausmacht: Rhythmische Ergänzung einander entgegen gesetzter Bestandteile.
FAZIT: "Ki" ist mit der Zeit gewachsen, "Addicted" hat sich nach mehrmaligem Konsum ein wenig abgenutzt – beides ist eher im unauffälligen Rahmen geschehen. Mit der Halbherzigkeit ist es in diesem Juni definitiv vorbei. "Deconstruction" klingt so, wie man sich die Innenausrichtung einer Springteufelbox vorstellen würde. Es beginnt verhalten, packt dich dann aber in dem Moment, in dem du es am wenigsten erwartest und zieht dich mit Affenzahn hinunter in den Karneval der Hölle. Das Chaos, mit dem sich das facettenreiche Gesamtwerk des Devin Townsend entblättert, wird so manchen Hörer an seine Grenzen führen. Als habe jemand alle bisherigen Townsend-Alben in einen Mixer geworfen und feste auf den roten Knopf gedrückt: Am Ende steht eine schaurig-schöne, bizarre und ultraschnelle Geisterbahnfahrt, die amüsiert, schockiert und Erwartungen hintergeht. Eine der besten Veröffentlichungen des Jahres.
13 von 15 Punkten
"Ghost": Devin Townsend ist nicht mehr da. Wir auch nicht. Und dies ist ein wunderschöner Ort voller Leere.
Übrig bleibt nach der Dekonstruktion des eigenen Selbst eine Silhouette, ein schattengleicher Nachhall von etwas Vergangenem. "Ghost" bezeichnet als Abschluss des DEVIN TOWNSEND PROJECT die Abwesenheit des menschlichen Diskurses. Der Überfülltheit des Jahrmarktstrubels von "Deconstruction" folgt das Geräusch vom fallenden Baum, an einem Ort, an dem niemand ist, um das Fallen zu vernehmen.
In seinem endlos entspannenden Schönklang – dem Begriff "Easy Listening" war Townsend niemals näher als hier - bietet "Ghost" einen radikalen Kontrast zum überdrehten Vorgänger, der "Ki" und "Addicted", die ersten beiden Kapitel des Vierteilers, zumindest äußerlich um so blasser erscheinen lässt.
Es ist eine auf den ersten Blick schwer verständliche, im Nachhinein aber kluge Entscheidung gewesen, "Deconstruction" und "Ghost" zeitgleich zu veröffentlichen. Auch wenn die mehr als 140 Minuten der Gesamtspielzeit nicht einfach zu schlucken sind: "Ghost" funktioniert gerade im direkten Kontrast zum Chaos der Dekonstruktion, das man möglichst unmittelbar zuvor konsumieren sollte, damit man die Geister deutlicher erkennt, die über ein von Mensch und Gott verlassenes Panorama schweben.
Townsend greift verstärkt auf New-Age-Einflüsse zurück, um sein traumwandlerisches Konzept umzusetzen. Die Flötistin Kat Epple gibt dem Album mit ihrem Instrument vom Fleck weg eine naturalistische und spirituelle Note. "Fly" klingt der Flöte zum Dank als Auftakt geradezu indianisch; im Einklang mit Townsends Ambience-Effekten perfektioniert sich die Illusion.
Immer noch greift Townsend - überhaupt stellt sich dies als Kern seines Projektes heraus - selbstreferenziell auf Fragmente seiner alten Veröffentlichungen zurück und setzt sie in einem Akt von Patchwork-Kunst neu zusammen. Der Titeltrack beispielsweise lehnt sich dank der plötzlichen Rhythmik, die von einem Banjo getragen wird, an die Popstrukturen von "Addicted". "Texada" wiederum assimiliert viel von der positiven Energie aus "Synchestra". Man mag das in Frage stellen oder im Grenzfall als Selbstkopie auslegen, allerdings fühlt sich das DEVIN TOWNSEND PROJECT auch in seinen letzten Atemzügen alles andere als uninspiriert an.
Die Abwesenheit von Metal-Gitarren muss man dabei natürlich in Kauf nehmen können. Selbst der Suspense von "Ki", das mit dem Reiz unausgespielter Härte kokettierte, bleibt aus; "Ghost" ist in seiner Anlage durch und durch ein Album zum Relaxen, das niemals den Schein erzeugt, dass es auf einmal aus der Haut fahren könnte. Wenngleich schon "Deconstruction" konzeptionell ein perfekter Abschluss gewesen wäre, "Ghost" wird dem Bild eines Epilogs am ehesten gerecht.
FAZIT: Es lohnt nicht, Bände über den letzten Teil zu schreiben. "Ghost" ist zum Fühlen da, nicht zum Analysieren. Man soll es einatmen. Je größer dabei allerdings die Nähe zum chaotischen Bruderwerk ist, desto stärker wirkt es nach. So sind Teil 3 und 4 am besten im Doppelpack zu genießen. "Ki" ist vom Songwriting her vielleicht sogar die kryptischste und nachhaltigste aller Veröffentlichungen der Reihe geblieben; der Kontrast, den "Deconstruction" und "Ghost" bilden, hinterlässt jedoch den Eindruck, der am meisten überwältigt.
12 von 15 Punkten
Durchschnittspunktzahl "Deconstruction": 12,6 von 15 Punkten.
Durchschnittspunktzahl "Ghost": 9,6 von 15 Punkten.