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Interview mit Central Park (03.05.2008)
Wenn im CENTRAL PARK „unexpected“ musikalische Knospen sprießen!
Die Geschichte der deutschen Prog-Rocker von CENTRAL PARK ist nicht gerade eine Erfolgsgeschichte, wenn man bedenkt, wie sie 1983 begann. Fast 25 Jahre später wiederholt sich diese Geschichte, doch plötzlich scheint sie, trotzdem man sich musikalisch treu blieb, ein neues, erfolgreicheres Kapitel zu schreiben. Wie ist das nur möglich? Vielleicht finden wir am Ende dieses Interviews eine Antwort darauf.
So gesehen haben wir es also mit einer Zwei-Generationen-Geschichte zu tun: die der frühen, von jugendlicher Spielleidenschaft erfassten Musiker, die erfolglos das Handtuch werfen mussten, weil sie mit ihrer musikalischen Ausrichtung, dem progressiven Rock im Stile der 70er Jahre, 1983 zu spät kamen und sich dieser verdammten Neuen Deutschen Welle verweigerten ... und dann die der reifen, unabhängigen Musiker, die nach einem Konzertbesuch von YES den deutschen CENTRAL PARK wiederbelebten, deutlich mehr Erfolg hatten, auch mit FISH tourten und sogar vom Oberbürgermeister ihrer „winzigen“ Stadt, Christian Ude, Zuspruch erhielten.
Bei so vielen Seltsamkeiten kann man wirklich nicht so einfach ein stinknormales Interview führen, sondern es muss schon was Besonderes sein. Also auch ein Zwei-Generationen-Interview – und darum bat der alte Interviewer, Thoralf Koß, einen jungen Interviewer, Stephan Rauch, ihm zu helfen. Während der Eine 1983 (Gründung von CENTRAL PARK) studierte, absolvierte der Andere während der Wiedergeburt von CENTRAL PARK (2006) gerade sein Abitur – und beide verbindet miteinander, dass der Eine der Deutschlehrer des Anderen war und sich deshalb generationsübergreifend konträr mit CENTRAL PARKs Musik auseinandersetzten. Und da man der Jugend bekanntlich den Vortritt lassen soll, kommt natürlich der Jüngere als Erster zu Wort. Beantwortet hat die Fragen Artur Silber, Drummer und „Sprachrohr“ der Band.
Stephan: „Herzlichen Glückwunsch, nicht unbedingt zu eurer Musik, sondern dazu, dass ein bekennender sozialdemokratischer ‚Fan’ von euch gerade im tiefschwarzen Bayern zum Oberbürgermeister gewählt wurde. Habt ihr vielleicht mit progressiver Rockmusik den Wahlkampf eures Münchner Regenten unterstützt – oder habt ihr’s euch doch besser verkniffen, um ihm nicht zu schaden? Aber vielleicht agiert ihr ja sogar zukünftig als Udes Hofband ;-)!!!“
Artur: Si tacuisses philosophus mansisses (habe auch mal Latein gelernt) :-)
Thoralf: „Ja, ja – die Politik und die Musik stehen sich heutzutage doch verdammt nahe. Zumindest wenn man als Musiker nicht nur seine Musik, sondern auch seine Texte für sich sprechen lassen will. Wie wichtig sind für euch eigentlich die textlichen Inhalte in eurer Musik? Und habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, vielleicht auch mit deutschen Texten zu arbeiten?“
Artur: Wir erzählen Geschichten in Tönen und Worten. Daher haben die Texte eine besondere Gewichtung. In den Geschichten geht es um das Leben. Das Leben ist eine globale Sache und Englisch ist eine globale Sprache. Dass unsere Entscheidung für die englische Sprache richtig war, belegen die zahlreichen Reaktionen auf unser Album aus allen möglichen Ländern: Italien, USA, Frankreich, Holland, Belgien etc.. Sogar aus Brasilien gab es tolles Feedback. Außerdem haben wir das Glück, in Heiko einen Sänger zu haben, der als Deutscher in englisch nicht peinlich klingt. Prog in deutsch? Nix für uns.
Stephan: „Mit ‚Sleep On Mr. President’ habt ihr ja schon Anfang der 80-er Jahre ziemlich auf Amerika rumgehackt. Wie steht ihr aus heutiger Sicht zu diesem Text – und habt ihr nicht den Eindruck, dass man einen ganz ähnlichen Text heutzutage auch zu den politischen Verhältnissen in Deutschland schreiben könnte (Man denke nur an Hessen, Frau Ypsilanti und den Herren, der besser KOCHen, aber sich nicht in Integrationspolitik einmischen sollte!)?“
Artur: Punkt 1 Amerika: Der Bogen von Bush sen. auf Bush jun. klappt (leider) einwandfrei. Eigentlich spaßig nach zwei Dekaden, eher natürlich bedenklich und bedauerlich. Punkt 2 Deutschland: Politik? Welche Politik?!
Stephan: „Wenn wir gerade bei Texten sind, dann sollte man wohl unbedingt auch auf euer symphonisches Kunstwerk mit klassischem Thema eingehen: Don’t Look Back. Was hat euch an der Vertonung der Orpheus-Tragödie gereizt – und warum bleibt ihr textlich so nah am Original-Text, statt eine ‚eigene Lösung’ für diese Problematik zu finden?“
Artur: Zunächst einmal zum Motiv: In der Welt-Literatur gibt es wenig Vergleichbares, das Freud und Leid so gefühlsecht verkörpert wie diese Tragödie, die für den Mythos der Unsterblichkeit der Seele steht. Orpheus wird die Erfindung der Musik und des Tanzes nachgesagt. Und der Sage nach hat er mit dem Spiel seiner Lyra und seinem Gesang die Götter verzaubert und es beinahe geschafft, seine Liebste der Unterwelt zu entreißen. Mit etwa 10 Jahren habe ich den Filmklassiker Orfeu Negro im TV gesehen. Ich muss gestehen, dass dies ein tiefes Erlebnis war, was ich allerdings erst viele Jahre später realisierte, als ich den Film erneut sah. Anfang der Achtziger dann, also in der Gründungszeit von Central Park, wuchs der Drang, dieses Thema musikalisch umzusetzen. Eine Herausforderung, der man sich als Musiker erst einmal stellen muss. Besonders, wenn einem daran gelegen ist, mit seiner Musik etwas Bleibendes, etwas Gehaltvolles zu erschaffen. Offenbar ist es uns gelungen, die thematische Spannung mit den passenden Klängen und Rhythmen zu versehen, da unser Werk gerne und oft als „Opus Magnum“ bezeichnet wird. Wir haben bewusst auf die Text-Nähe gesetzt um die Plakativität des Themas zu erhalten. Und wir haben mit dieser Entscheidung recht behalten, wie uns die Reaktionen des Publikums auf der Tour mit Fish täglich bewiesen. Der Titel beinhaltet einfach alles, womit sich Sänger und Musiker auszeichnen möchten: Emotion, Virtuosität, Dynamik und – vor Allem Kreativität.
Thoralf: „Waren nicht aus heutiger Sicht gerade diese komplizierten Texte und die noch progressiveren Klangstrukturen fast ein Garant dafür, dass eure Musik im Zeitalter der Neuen Deutschen Welle und billigster Pop-Mucke a’la Modern Talking in Deutschland scheitern musste?“
Artur: Sieht ganz danach aus. Dumm gelaufen!
Thoralf: „Ihr druckt im Booklet zu eurer CD „Unexpected“ fünf Schreiben von Plattenfirmen (Atco Records, Virgin, PolyGram Records, WEA International, Hit&RunMusic) ab, die euch freundlich, aber entschieden mitteilen, dass sie euch nicht bei eurem Album unterstützen können. Wie war die Stimmung in der Band nach diesen Ablehnungen und war dies zugleich der Auslöser dafür, dass ihr musikalisch aufgabt?“
Artur: Diese Schreiben sind ja nur die halbe Wahrheit. Die zweite Hälfte wäre der Deal mit Chrysalis gewesen. Leider hat uns Heiko kurz vor Vertragsunterzeichnung verlassen, sonst hätte es möglicherweise eine völlig andere Entwicklung gegeben. Als Bayer ist man ja eh aus „härterem Holz“ geschnitzt und so haben wir uns nach all den Ablehnungen, besonders aus USA, wieder national orientiert und eben in Chrysalis, das seinerzeit sein Büro in München hatte, einen absoluten Traum-Partner gefunden. Hat aber nicht sollen sein... Schnee von gestern!
Stephan: „Wart ihr nicht irgendwie selber Schuld an eurem musikalischen Misserfolg (zumindest aus Sicht der Plattenfirmen)? Ihr wolltet in den modernen 80-ern die altmodischen 70-er-Jahre heraufbeschwören. Statt euch dem Massengeschmack anzupassen, habt ihr der Vergangenheit gehuldigt. Hättet ihr nicht vielleicht versuchen sollen, eine Art ‚moderneren Prog’ zu spielen, so wie man heute auch auf der Bühne Stücke von beispielsweise Schiller in die Gegenwart holt und seine ‚Räuber’ auch mal als Motorrad-Gang auftreten lässt. Was haltet ihr von solchen musikalischen wie bühnendramatischen ‚Modernisierungen’?“
Artur: Wir unterlagen niemals kommerziellen Zwängen. Das hat sich bis heute nicht geändert. Und wie sagte John Lennon so treffend: „Leben ist das, was passiert, während man gerade ganz andere Pläne macht!“
Thoralf: „Da ihr wohl anscheinend doch am stärksten der Vergangenheit huldigt, kommt hier die wohl typische Frage, nicht etwa nach Vorbildern, sondern nennen wir es mal nach eurer musikalischen Sozialisation. Es gibt immer einen Schlüsselmoment, in dem man sich entscheidet, sich ganz der Musik hinzugeben. Das ist meistens eine ganz spezielle LP oder ein ganz besonderer Titel. Könnt ihr euren jeweiligen Favoriten benennen und mit ein oder zwei Sätzen begründen, warum es gerade dieser Song/diese LP ist?“
Artur: Erst das Erlebnis (mein persönliches): Gymnasium, 5. Klasse, 2. oder 3. Unterrichtsstunde in Musik: O-Ton Musiklehrer (so oder so ähnlich): „Ich leg’ Euch jetzt mal ne’ Platte auf, damit Ihr hört, wie klassische Musik heute klingen kann.“ Also hören wir „Bilder Einer Ausstellung“ von Mussorgsky von einer gewissen Band namens Emerson, Lake & Palmer... Starker Tobak für einen 12jährigen, der gerade angefangen hat, zuhause mit Kochlöffeln auf dem Fensterbrett rhythmisches Klopfen zu versuchen. Hätten wir Freddy Quinn oder Peter Alexander gehört, wer weiß... Nun zum 2. Teil Deiner Frage: Das klären wir nach dem nächsten Album auf, ich erreiche gerade niemanden von der Band...
Stephan: „Wenn wir schon in der Vergangenheit kramen müssen, dann hätte ich noch eine Frage zu eurem Band-Namen. Ich habe gelesen, dass euch Jürgen Marcus bei der Auswahl unterstützt hat. Würdet ihr euch aus heutiger Sicht vielleicht anders nennen, oder ist es gerade der Reiz, zwischen einem (entschuldigt bitte) oberflächlichen Bandnamen, den, ohne es böse zu meinen, auch jede neumodische Popgruppe tragen könnte, und tiefgründiger intelligenter Musik, der dies ausmacht? Wenn man den Namen auf dem Album liest und es sich dann anhört, dann ist es schon so, wie es der Albumtitel ausdrückt ... Unexpected!“
Artur: Namen sind Schall und Rauch. Wir fanden nichts Passendes, Jürgen war gerade dabei und sagte spontan: „Benennt Euch doch nach etwas Großem und Internationalem. Zum Beispiel ‚Central Park’.“ That’s it.
Thoralf: „Ähnlich ‚Unexpected’ ist wohl auch, dass ihr im vergangenen Jahr auf großer Tour mit FISH wart. Wie kam es eigentlich zu dem Kontakt? Wie lief die Tour so?“
Artur: Ich mache seit Jahren die Pressearbeit für Fish in Deutschland. Als er mich fragte, ob ich sein neues (und aktuelles) Album „13th Star“ promoten möchte, erwähnte ich in einem Nebensatz meiner Antwortmail, dass ich nach 17 Jahren Break meine alte Band wieder am Start habe und ob er Lust hätte, uns bei irgendeinem Gig als Support zu nehmen. Ich hätte nie geglaubt, dass er das macht. Als dann die Anfrage kam, die komplette Deutschland-Tour mitzumachen, war ich echt sprachlos. Und das passiert mir nicht oft... Auf der Tour hat mich besonders gefreut, dass wir das Fish-Publikum, das bekanntermaßen sehr kritisch ist und sehr auf Fish fixiert ist, schnell „hatten“. Heißt, es dauerte nur wenige Minuten, bis wir deren Aufmerksamkeit hatten und besonders mit „Don’t Look Back“ überzeugen konnten. So wurde im Laufe der Woche aus Teilen der Fish Fanbase auch eine Central Park Fanbase. Viele neue Freundschaften und sicher viele Gesichter, die wir bei den nächsten Gigs wieder sehen. Das Verhältnis zur Fish-Crew war prima, wir sind „family“ geworden. Alle freuen sich auf das Wiedersehen am 19.7. auf der Loreley.
Thoralf: „Wie sieht eigentlich aus heutiger Sicht eure musikalische Zukunft aus? Gibt es spezielle Vorhaben oder neue Ideen?“
Artur: Wir basteln am nächsten Album. Das wird aber dann schon nach 2008 klingen. Mehr wird hierzu (noch) nicht verraten. Ansonsten freuen wir uns natürlich auf die nächsten Konzerte: am 19. Juli auf der Loreley (3. Night of the Prog Festival), am 20. Juli Burg Herzberg und am 15. Oktober gibt es in München voraussichtlich ein Doppelkonzert mit unserem (altersmäßigen) Pendant aus England, nämlich Pendragon. Die feiern dann ihr 30jähriges, wir unser 25jähriges. Das wird sicher eine gelungene „Rentnerveranstaltung“ ?. Gruß an Stephan: Besser zuhause bleiben! ...
Thoralf: „Stephan, der mich bei diesem Interview unterstützte und die jüngere Generation verkörpert, schrieb mir als kurze Kritik zu eurer, aus meiner Sicht, absolut faszinierenden DVD „Live – The Unexpected Concert“ folgendes: ‚Ich muss wirklich sagen, dass mich das Album beeindruckt hat. Auch wenn dieser Musikstil nicht zu meinen favorisierten gehört, hat mich vor allem die Spielfreude, die man sehen, hören und beinahe fühlen konnte, begeistert. Da wurde dem Titel ‚Love Energy’ alle Ehre gemacht. Auch der Wechsel zwischen den Stilrichtungen ist spannend. Allerdings muss ich auch sagen, dass ich mir diese Platte sicher kein 4. und 5. Mal anhören werde. Zum einen handelt es sich, wie gesagt, nicht um meine favorisierte Musik. Zum andern musste ich manchmal an Nick Hornby in „About a Boy“ denken, der über ein Led Zeppelin Konzert, das er besuchte, schrieb, dass er nach einer halben Stunde in einen Pub zum Billardspielen ging und als er nach 2 Stunden wiederkam, spielte die Band immer noch Solos. Diese exzessive Art machte es mir manchmal schwer, den häufig sehr intelligenten und ambitionierten Gedanken zu folgen. Aber dies gehört wohl zu dieser Musik und viele, die dieses Interview lesen, werden denken: ‚Da soll der blöde Typ doch einfachere Musik hören. Uns sind das immer noch viel zu wenig Soli!’ wie auch immer....’’
Welche letzte Botschaft könntet ihr Stephan auf seinen zukünftigen musikalischen Weg mitgeben – und worin besteht die eigentliche Faszination unserer (diesmal beziehe ich mich mit ein) Musik?“
Artur: Lieber Stephan, Musik ist die seelischste aller Künste. Also höre Musik, die Deine Seele berührt. Sollte unsere eines Tages dazu gehören, würde mich das freuen. Und wenn nicht, auch ok! Es gibt Wichtigeres... Dennoch: Musik ist Begegnung und Bewegung. Schön, dass wir uns durch unsere Musik begegnet sind!
Ein besseres Schlusswort kann es nicht geben – das ist schon die pure (Musik-)Philosophie! Vielen Dank Artur!
Alle Reviews dieser Band:
- Central Park - Unexpected (2006)
- Central Park - Live! - The Unexpected Concert (2008)
- Central Park - Reflected (2011)