Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Interview mit Undertow (07.01.2014)

Undertow

In gewohnter musikalischer, aber gewachsener Personalstärke melden sich die süddeutschen Kick-Ass-Core'ler UNDERTOW mit ihrem siebten Album "In Deepest Silence" zurück. Alles andere als still ist Bassmann Tom Jentsch im Interview, das ursprünglich fürs Legacy geführt wurde. Weil der Gute aber mehr zu sagen hat, als auf einer Heftseite unterzubringen war, gibt es hier nun das Interview in voller Länge.

Hallo Tom, ich hoffe, es geht dir gut. Ihr seid derzeit (das Interview wurde im November letzten Jahres geführt - d. Verf.) mit END OF GREEN auf Tour – wie läuft’s? In welchen Städten seid ihr am besten angekommen?

Es hätte alles kaum besser laufen können. Das Ganze ist ja so ne Art Timewarp-Aktion, weil wir ja vor zehn Jahren schon mal gemeinsam ausgiebig in 'nem Nightliner auf Tour waren. Menschlich gab's also sowas von keine Probleme. Bei der ersten Show in Aschaffenburg war das Publikum etwas reserviert, aber bei allen anderen Shows wurden wir super aufgenommen. Je länger wir gespielt haben, umso mehr Applaus und Publikumsreaktionen kamen zurück und am Merchstand hat sich das auch immer niedergeschlagen. Es fällt schwer, da eine Stadt besonders herauszuheben, aber ganz subjektiv würde ich Hamburg nennen, einfach weil da viele Leute bei der Show waren, die ich sonst viel zu selten sehe.

Ich fand es etwas überraschend, dass ihr einen Monat vor dem Release des neuen Albums auf Tour seid. Wie kam es dazu?

Naja, ich hatte ja eben schon den Jubiläums-Charakter der Aktion erwähnt. Außerdem war bei der Geburt der Idee der Veröffentlichungstermin auch etwas früher geplant, so dass es perfekt gepasst hätte. Aber auch so ist es doch auch sinnig; wir haben eine Zeit lang recht wenig von uns hören lassen, erst recht in Mittel- und Norddeutschland, und durch die Dates mit END OF GREEN sind wir wieder im Gespräch bis in ein paar Tagen dann das Album in den Läden steht.

Ich gehe schwer davon aus, dass ihr auch schon den einen oder anderen Song vom neuen Album live vorgestellt habt. Welche/n? Und wie waren die Resonanzen?

In Aschaffenburg haben wir neben dem Intro "Barefaced“ und "These Boots Are Made For Stalking“ auch noch den Titeltrack des neuen Albums gespielt. Bei allen anderen Shows gab's dann "Barefaced", "These Boots Are Made For Stalking“ und “BoxShapedHeart". Letzteres kam richtig gut an, ich glaube da hatten viele vorher schon das Lyric Video bei YouTube gesehen. "These Boots Are Made For Stalking“ ist auch immer ne sichere Bank, weil es sehr mitreißend ist und auch nen Refrain mitbringt, den man nach dem ersten Hören ganz gut im Ohr hat.

Die nächste Tour steht auch schon an, im Frühjahr 2014 geht es mit THE VERY END auf die Straße. Ist die jetzige Tour also eher als Aufwärmübung zu sehen, während die nächste Tour dann verstärkt zur Promotion von "In Deepest Silence“ dienen soll?

Die Tour mit THE VERY END wird gerade zusammengezimmert und wir freuen uns schon wie die kleinen Kinder drauf. Das ist wie bei END OF GREEN auch so, dass wir uns schon recht lange kennen und musikalisch nicht Eins-zu-eins die gleiche Schiene fahren, aber eben doch ein cooles Package abgeben. Zur Promotion sollten beide Touren ganz gut taugen…

END OF GREEN sind ja eher eine Gothic Rock/Metal-Band, während THE VERY END melodisch-modernen Thrash knüppeln. Welche der beiden Bands passt aus Deiner Sicht besser zu UNDERTOW und warum?

Das hieße jetzt ja Äpfel mit Birnen vergleichen und ich hatte ja grade schon gesagt, dass beide Kombinationen ihren Reiz haben. Ich persönlich fände ja, dass für UNDERTOW eine gemeinsame Package-Tour mit NINE INCH NAILS, FIELDS OF THE NEPHILIM und MACHINE HEAD am besten passen würde, harharhar.

Ich habe manchmal ein bisschen das Gefühl, dass süddeutsche Bands wie ihr oder auch END OF GREEN in Süddeutschland ein stärkeres Following haben, als in anderen Teilen der Nation. Kannst du das bestätigen?

Das würde ich nur bedingt so unterschreiben. Klar, wenn END OF GREEN ein Heimspiel im Stuttgarter LKA spielen, dann kommen da um die 1000 Leute, die kommen woanders nicht so ohne weiteres. Aber in Köln warens auch fast 500 Leute, ähnlich wie in München – so ganz geht die Nord-Süd-Theorie von dir also nicht auf.

UndertowKommen wir zunächst zur Band. Ihr seid vom Trio zum Quartett angewachsen. Warum?

Wir haben über Monate beim Proben immer mal so'n Kratzen gehört. Als Kuddel dann mal auf Toilette gegangen ist, hat er festgestellt, dass da so ein durchtrainierter Oggenhausener um unsere Tür geschlichen ist. Der kam dann jedes Mal zu unseren Proben, und als es dann doch empfindlich kalt wurde, haben wir in halt mal reingelassen. Kaum drinnen hat er sich auch sofort 'ne Gitarre geschnappt und wie wild losgegniedelt und wir haben es dann nicht übers Herz gebracht, ihn wieder vor die Tür in die Kälte zu schicken. Nee, im Ernst: Bei unserer Gründung hatten wir tatsächlich zwei Gitarristen. Das hielt für ca. ein Jahr, dann ist der Mann aber Vater geworden und nach Augsburg zum Studieren abgezischt. Wir hatten dann kurz darauf die ersten Shows und so schlecht sind die nicht gelaufen, so dass wir aus der Not eben eine Tugend gemacht haben. Über die Jahre gabs dann immer mal wieder mehr oder weniger zärtliche Versuche von Joschi 'nen neuen Gitarristen ins Spiel zu bringen, irgendetwas passte aber immer nicht. Bis dann vor einiger Zeit die Idee mit Brandy aufkam, und da passte eben alles!

Jetzt müsst ihr ja auch alle Bandeinnahmen durch vier teilen, oder?

Viel schlimmer ist, dass wir jetzt das Bier durch vier teilen müssen!

Gibt es durch ein neues Bandmitglied nicht auch mehr Diskussionspotenzial? Vorher mussten ja nur zwei Leute von einem neuen Riff überzeugt werden, jetzt ist es einer mehr…

Theoretisch könnte es jetzt zu 'ner demokratischen Pattsituation kommen, praktisch war das aber seither noch nicht der Fall. Wir kennen alle unsere Stärken und halten uns selten mit Grabenkriegen auf.

Wie hat sich die Hinzunahme von Brandy auf die Arbeit am neuen Material ausgewirkt? Was hat er dazu beitragen können? Und war die Arbeit am Material und später im Studio anders als vorher?

Es war tatsächlich oft so, dass wir Brandy zu zweiten Gitarrenstimmen oder Solopassagen aufgefordert haben, er das dann aber frech verweigert hat, weil er meinte, dass das dann nicht mehr UNDERTOW wäre. Am eigentlichen Songwritingprozess hat sich wenig geändert. Der Impuls geht nach wie vor von Joschi aus und er bringt das Material dann zur Probe mit, wo wir gemeinsam dran rumdoktern. Im Studio haben wir ja schon immer mit mehreren Gitarrenspuren gearbeitet, das im Mix aber oft nicht arg betont, damit die Leute live dann nicht enttäuscht sind. Da konnten wir jetzt natürlich etwas offensiver arbeiten und ja, es gibt auch einen etwas erhöhten Soloanteil auf dem neuen Album.

War Brandy mit dafür verantwortlich, dass es auf "In Deepest Silence“ mitunter härter zugeht als zuvor oder wäre das auch ohne ihn "passiert“?

Nein, ich denke, das hat weniger mit Brandy zu tun, als mit unserem erneut etwas weiter gepushten Soundhorizont. Vor ein paar Tagen hat auch jemand gefragt, ob das mit den Blastbeats bei "Everember“ vielleicht etwas mit der gemeinsamen HACKNEYED-Tour zu tun hat? Mag auch sein…

Demgegenüber steht mit "Inside One“ eine weitestgehend akustische Lagerfeuerballade. Die im Hintergrund zu hörenden nächtlichen Naturgeräuschen sollen das Lagerfeuer-Feeling betonen, nehme ich an?

Ach, das war so ein Studio-Ding, unser Produzent Roger meinte, dass man das doch konsequent durchziehen könnte und zu dem Southern-Sound auch noch etwas Veranda-Atmosphäre zaubern könnte. Da waren wir erst mal etwas skeptisch, aber ich finde es passt optimal so. Joschi hatte für das Album ja auch einen Akustiktrack in der Hinterhand, als er aber Brandys "Inside One“ gehört hat, wanderte sein Song aber wieder in die Schublade.

UndertowWenn ich sage, dass sich Joschis Gesang in dem Song vor allem in der Passage mit "and all the stars in the sky they are calling your name“ ein bisschen nach BONFIREs Claus Lessmann anhört, mache ich mir Feinde, oder? ;-)

Bei einer unserer Shows mit END OF GREEN hat die Tage eine Lady nach der Show gesagt, dass sie findet, dass wir wie frühe FEAR FACTORY klingen. Ich hab das als Kompliment genommen und mich bedankt, weil sie das auch absolut aufrichtig als Lob gemeint hat. De facto finde ich, dass wir nur sehr, sehr wenig mit der FEAR FACTORY-Frühphase gemein haben. Und bis eben hätte mir der Name Claus Lessmann auch noch gar nichts gesagt – echt jetzt. BONFIRE kenn ich natürlich dem Namen nach, hab aber nix von denen hier im Regal. Ist das jetzt was Positives oder als Diss gemeint? ;-)

Es geht in den Melodien angenehm melancholisch zu, das Coverartwork ist recht düster und inhaltlich geht es oft um Schmerz und eine eher negative Gefühlslage. Ist "In Deepest Silence“ auch in deinen Augen düsterer ausgefallen, als der Vorgänger? Woran liegt das? Gab es mehrere Negativereignisse in den letzten Jahren, die inhaltlich verarbeitet werden?

Das Album führt uns in Teilen in musikalisches Neuland, textlich hat sich aber kaum was verändert. Auf den anderen Alben hatten wir teilweise Songs, die sich inhaltlich direkt auf Bücher oder Filme bezogen, die mich damals eben beeindruckt haben – so einen Song gibt es auf dem neuen Album nicht. Ansonsten sind die Inspirationsquellen nach wie vor ähnliche: das persönliche Erleben, oft im Bereich des Zwischenmenschlichen, ob nun selbst so erlebt oder im Freundeskreis. Es gab in unserem Umfeld aber glücklicherweise kein erhöhtes Tragödienaufkommen!

Auf einen genialen Songtitel wie "These Boots Are Made For Stalking“ kann man stolz sein. Wer hatte die Idee dazu? Und geht es in dem Song auch um unangenehme Zeitgenossen wie Stalker?

Die Blumen nehm ich dann dankend an. Ich hab den NANCY SINATRA-Song mit dem ganz ähnlichen Titel schon früher bei Muttern in der Küche aus dem Radio aufgesogen. Und als es in unserm Umfeld dann tatsächlich eine Art (weiblichen!) Stalker gab, bin ich bei irgendner Autofahrt dann auf den Titel gekommen. Ich hab mittlerweile immer was zum Schreiben zur Hand, wenn ich Auto fahre…

"BoxShapedHeart“ ist eine kleine Hommage an NIRVANA, oder? Worum geht es in dem Song? Ist das Thema ein ähnliches, wie in "Slatesoul“, wo Joschi sich mit dem Vorwurf auseinandersetzt, aus Stein zu sein und keine Seele zu haben?

Klar ist der Titel eine Nirvana-Referenz – du bist aber der erste, der mich drauf anspricht! Unfassbar, dass "In Utero“ auf dem sich der NIRVANA-Song "Heart-Shaped Box“ ja befindet, dieses Jahr auch schon 20 Jahre alt wird. Und ja, thematisch geht das in 'ne ganz ähnliche Richtung, nur dass der Text von "BoxShapedHeart“ eben von mir ist und "Slatesoul“ aus Joschis Feder stammt.

Worauf bezieht sich der Albumtitel? Still ist das Album ja nicht gerade ausgefallen. Ist das ein bewusst gewählter Widerspruch?

Das Album hatte monatelang einen anderen Titel. Wie wir dann mehr und mehr Material fürs neue Album zusammengetragen haben, war da plötzlich dieser Song "In Deepest Silence“ da, der uns mit jedem Mal mehr in den Bann zog und irgendwann jemand vorgeschlagen hat, dass man doch auch das als Albumtitel nehmen könnte. Bei "In Deepest Silence“ geht es um diese Momente, die Du vielleicht auch kennst. Wo für kurze Zeit irgendwie alles in extreme Zeitlupe geht und man so in sich zusammenschmurgelt und einem so ne riesige Last auf die Schultern hüppt. Verlustangst taucht in diesen Momenten auch ganz gerne auf.

Der Titeltrack scheint ein "einfaches“ Liebeslied zu sein. Das wäre aber ein bisschen zu platt für eure Verhältnisse, oder?

Klar, das wäre etwas eindimensional – man kann den Song aber durchaus auch so lesen, was wir auch bewusst so in Kauf genommen haben. Ich hab ja bei der vorherigen Frage schon etwas mehr zum Text gesagt.

Das einzige, was mir am Album nicht so gefällt, ist der Drumsound. Du wirst jetzt wohl kaum "Mir auch nicht.“ sagen, könntest aber erklären, warum ihr diesen etwas zu fetten, leicht sterilen Drumsound haben wolltet.

Pffff. Da fragst du den Falschen. Mir langt's meist schon nach ein, zwei Tagen Drumaufnahmen völlig. Wenn man stundenlang nur den Klick-und-Bumm-Zack hört ist das echt tough. Mir war eigentlich nur wichtig, dass das Schlagzeug nicht nach nem Science-Fiction-Film und Blasterkanonen, sondern nach einem Instrument aus Holz und Metall klingt, und das ist ja auch ganz gut gelungen.

Danke fürs Beantworten und viel Erfolg mit dem neuen Album. Ich denke, dass ich euch bei der Frühjahrstour mal einen Besuch abstatten werde, wenn ihr in der Nähe seid.

Ich danke dir mal wieder für die tollen und interessanten Fragen. Über ein Treffen bei den Dates mit THE VERY END würde ich mich sehr freuen! Take care!
Undertow

Andreas Schulz (Info)
Alle Reviews dieser Band: