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Interview mit BELTEZ (07.11.2020)
Passend zum langsam aber sicher mit nebelklammer Kühle gräulich Einzug haltenden Herbst erscheint dieser Tage mit "A Grey Chill And A Whisper" das vierte Album von BELTEZ - bzw. das zweite Album nach der "Neugründung" der Band. Die Rheinländer liefern damit nicht nur einen 65-minütigen Black-Metal-Koloss ab, sondern legen auch noch ein stimmungsvolles Hörbuch dazu, welches die dem Album zugrunde liegende Geschichte "Black Banners" von Ulrike Serowy enthält, vorgelesen von Dan Capp (Wolcensmen). Dieses facettenreiche wie herausfordernde Konzeptwerk überrascht und begeistert Hörer und Presse im internationalen Underground und erfährt aktuell viel Lob und Anerkennung. Die beiden Gitarristen Dominic und Jens reflektieren im - Corona sei Dank! - letztlich per Email geführten Interview den alles andere als einfachen Weg, den sie für dieses monumentale Werk zurückgelegt haben.
Hallo und herzlichen Glückwunsch zu einer gelungenen Album-Präsentation auf dem wohl Reichweite-stärksten YouTube-Kanal für Black Metal und zu stattlichen positiven Reaktionen seitens der Presse und auch der Hörer! Macht sich da erstmal Erleichterung breit?
Jens: Auf jeden Fall. Natürlich dachten wir, dass wir ein gutes Album vorlegen werden, aber das denkt jeder Musiker. Neben einer "objektiven" Qualität, mit der ich mich bei Musik schwer tue, ist ja auch immer die Frage, wie gut man den Zeitgeist trifft. Bislang sind die Reaktionen ja durch die Bank gut bis sehr gut.
Dominic: Vielen Dank Thor! Bisher steigern sich die Views des vollen Albums täglich um 1000 neue, das ist natürlich schon fantastisch zu sehen. Die vielen sehr positiven Reaktionen erleichtern dazu natürlich enorm. Es lastet ja immer auch eine gewisse Schwere vor einem Release auf einem.
In meiner Rezension erwähnte ich, wie Mat McNerney nach einem Hexvessel-Konzert im Gebäude 9 vor rund sieben Jahren im Gespräch mit Ulrike Serowy sinngemäß erklärte, dass er es sich spannend vorstellen könnte, wenn Konzertabende häufiger von Literatur und Kunst begleitet würden und es mehr als nur Krach auf die Ohren gäbe. Nun haut Ihr mit "A Grey Chill And A Whisper" nicht nur ein 65-minütiges Album raus, sondern legt die zugrunde legende Geschichte auch noch als Audiobook bei, und zusammen mit dem superben Artwork macht das alles einen ebenso runden wie einladenden Eindruck. Ich weiß nur zu gut, dass einem solch ein ungewöhnliches Projekt schnell auch über den Kopf wachsen kann, doch Euer Album klingt extrem fokussiert. Wie viel Zeit, Arbeit und Nerven hat die Realisierung gekostet?
Jens: Also, ich bin in dem Prozess sicherlich um zehn Jahre gealtert! Man darf ja nicht vergessen, dass wir das alles nur mit der Band durchgezogen haben. Also klar, weder haben wir die Geschichte geschrieben, noch sie eingelesen oder das Artwork erstellt, aber das Ganze zu koordinieren und in eine gemeinsame Form zu bringen, war teilweise echt anstrengend. Es ist echt eine Menge Zeit und Nerven drauf gegangen, aber es hat sich gelohnt.
Dominic: Jens hat da Recht, aber kurz und knackig kann man sagen: Zwei Jahre Arbeit und viele viele Nerven. Ich habe ja langsam angefangen, auch die anderen mehr in das Songwriting zu integrieren, das bedeutet für mich eine gehörige Portition Loslassen-Können, was dementsprechend auch für hitzige Diskussionen sorgte. Da wir aber alle älter als drei Mal sieben sind, findet man trotz aller Hitze des Gefechts am Ende des Tages doch zusammen und kommt auf einen gemeinsamen Nenner. In Zukunft wird sich das Songwriting also noch einmal ganz anders darstellen, als es vor allem auf "Exiled, Punished…Rejected" und nun auch auf "A Grey Chill And A Whisper" der Fall war. Das gesamte Audiobook wäre z. B. ohne die vollständige Umsetzung und Koordination durch Jens so nicht möglich gewesen. Jens, wir müssen das zukünftig anders machen, wenn du zehn Jahre alterst. Ein paar Alben wollen wir ja noch veröffentlichen können!
Mir gefällt sehr, wie stark es Euch derweil gelingt, mit wenigen Akkorden eine Atmosphäre aufzubauen, die einen Song quasi von Anfang an trägt, auch wenn sie im weiteren Verlauf variiert bzw. vertieft wird. Vor einem Vierteljahrhundert habe ich keine Band mehr für diese Fähigkeit bewundert als Tiamat, nun bewegt Ihr Euch zwar in einem anderen Stil, doch würde mich jemand nötigen, nur einen einzigen Grund zu nennen, warum BELTEZ Gehör finden sollten, dann würde ich auf die stets dichte Atmosphäre verweisen. Ist das auch ein Ergebnis einer strengen Selektion von Songs im Proberaum?
Jens: Das ist erstmal Dominics Talent als Songwriter und meinem Talent, ihm deutlich zu sagen, wenn ein Part nichts taugt, geschuldet. Spaß beiseite, wir achten sehr auf eine dichte Atmosphäre. Dafür geht im Proberaum auch eine Menge Zeit drauf. In der Regel ist es so, dass Dominic - und seltener auch ich - Ideen im Vorfeld verschicken. Die werden dann diskutiert und im Proberaum sehr ausführlich arrangiert. In der Regel arbeiten wir auch immer nur an einem Song zur gleichen Zeit. Das sowie der Umstand, dass wir nicht allzu oft proben, dürfte auch dazu beitragen, dass wir immer so lange brauchen. Atmosphäre steht aber seit der "Neugründung" der Band deutlich in unserem Fokus. Gerade auch die brutalen Passagen sollen trotzdem atmosphärisch rüberkommen, und sei es eben, dass sie eine finstere Atmosphäre vermitteln. Eine kleine Anekdote dazu am Rande: Corinne Henderson, welche die "Frauenpassagen" auf dem Audiobuch übernommen hat, hat ihre Parts bei mir im Homestudio aufgenommen. Sie hat mit Metal noch nie echte Berührungspunkte gehabt. Ich habe ihr dann erst mal den Anfang von "Unwedded Widow" gezeigt und sie meinte, das sei etwas ganz anderes, als was sie erwarte hätte. Dann habe ich ihr "A Taste..." vorgespielt und ihre spontane Reaktion war "scary". Da dachte ich: "Passt."
Dominic: Ich mag ja den Tiamat-Vergleich sehr gerne! Jens, Du hast das schon passend genannt. Nur in wenigen Fällen wurde etwas weggeschmissen, was in den Proberaum mitgebracht wurde. Meist hat sich im Vorfeld schon herauskristallisiert, was wir nehmen würden. Die Details wurden dann, wie schon gesagt, im Proberaum vertieft, neu arrangiert, insgesamt also passender gemacht. Der Anfang von "Unwedded Widow" ist dabei tatsächlich einer der seltenen Jam Sessions - in diesem Fall von Jens und Sebastian - geschuldet, die ich dann etwas ausgearbeitet hatte.
Je älter ich werde, umso mehr erlaube ich mir, über manches im Black Metal zu schmunzeln oder auch einfach gelangweilt zu sein, weil sich die eine oder andere Effekthascherei oft als leere Geste entpuppt. Eurem Sänger Marc "glaube" ich allerdings, wenn ich ihm zuhöre, denn da kommt nie das Gefühl bei mir auf, dass er halbherzig oder prätentiös bei der Sache ist. Wie geht er bei den Aufnahmen vor, um das so intensiv rüberzubringen?
Jens: Marc ist ein Phänomen. Der kommt ins Studio, macht ein Bier auf, dampft sich einen und schreit dann mal eben die Platte ein. Dann kommt er in den Kontrollraum, fragt "War das okay?" und guckt in der Regel in diverse ungläubige Augenpaare. Was ich damit sagen will: An Marc ist nichts "fake", der muss sich nicht "in Stimmung bringen". Wahrscheinlich kommt er deshalb so authentisch rüber, weil er es einfach ist. Das gleiche gilt für live. Es ist halt nicht sein Wesen, da affektiert über die Bühne zu springen, aber seine Präsenz, obwohl er sich quasi null bewegt, ist trotzdem wirkmächtig.
Dominic: Dass wir für Marc das Interview beantworten ist noch einmal ein Zeichen seiner Authentizität. Marc macht schon seit gefühlt 30 Jahren vor allem Black Metal (siehe Alchera) und bewegt sich da auch selten aus seinen Hörgewohnheiten heraus. In Kombination mit der meiner Meinung nach sehr eigenständigen und kraftvollen Stimme ist das schon fantastisch, wie er das immer alles auf den Punkt einsingt. Im Studio ist er quasi der One-Take-Mensch.
Hat "Black Banners" für Euch etwas mit aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen zu tun, bzw. hat sich vielleicht sogar in diesem Jahr Eure Wahrnehmung der Geschichte angesichts aktueller Entwicklungen und sozialer Phänomene zwischen Denunziation und Solidarität verändert?
Jens: Obwohl ich derjenige in der Band bin, der sich am ehesten und am deutlichsten zu sozialen und politischen Themen äußert, sehe ich das nicht so. Für mich ist die Geschichte eine sehr, sehr gute Horrorgeschichte mit viel Potential für Interpretationen. Ich habe sicherlich meine eigene, aber mir ist es immer wichtig, dass Menschen selbst über Dinge nachdenken und man Ihnen maximal Denkanstöße gibt. Zudem habe ich die Geschichte nicht geschrieben und ich werde einen Teufel tun, so zu tun, als würde ich Ulrikes Intention kennen und verstehen. Das darf jeder brav für sich machen.
Dominic: Ich halte das so wie bei unseren Cover-Grafiken. Die Interpretation liegt beim Betrachter, beziehungsweise bei der Geschichte eben beim Leser selbst. Kunst sollte immer für sich sprechen könne und sollte ruhig selbst interpretiert werden. Eventuell ziehst Du zur Beantwortung noch einmal Ulrike dazu? Was hältst du davon, Thor?
Vielleicht beherzige ich den Vorschlag für die gedruckte Version dieses Interviews in Mørkeskye #17. In Köln war ein kleiner Leseabend mit musikalischer Begleitung in Rahmen des Literaturfestivals geplant, der wie so viele Veranstaltungen abgesagt wurde. Welche Ideen schweben Euch für die Präsentation des jüngsten Albums vor, wenn Konzerte u.ä. wieder erlaubt und realisierbar sind?
Jens: Ich würde gerne das Bühnenbild minimal anders gestalten, will dazu aber noch nichts verraten. Konzerte mit Lesungen zu verbinden, fände ich spannend. Wir müssen dann nur gucken, wie wir das koordiniert bekommen. Fände ich aber super!
Dominic: Genau was Jens sagt. Wir hatten für die Releaseparty genau diese Kombination Lesung/Konzert geplant, was jetzt aber wegfällt. Ob wir dann, so es denn wieder möglich ist, auf einer zukünftigen Tour das so umsetzen können, bleibt abzuwarten. Da müsste ja auch unsere Bookingagentur mit in die Planung einbezogen werden.
Nach Eurem abartig hypnotischen Gig auf dem Rhein in Blood habe ich nicht damit gerechnet, dass Ihr Eure Wucht von der Bühne in einer Studioaufnahme einfangen könnt, doch inbesondere "I May Be Damned But At Least I’ve Found You" kommt der Live-Präsenz bedrohlich nahe. Wie ist Euch das gelungen - wart Ihr bei den Aufnahmen zusammen im Studio?
Jens: Leider nein. Wir haben dieses Mal viel in Heimarbeit erledigt. Ich habe als einziger meine Gitarren im Studio aufgenommen. Alles andere bis auf den Gesang und die akustischen Gitarren wurde zuhause aufgenommen. Ich muss aber sagen, dass ich das beim nächsten Mal gerne wieder "traditioneller" machen würde, da meiner Meinung nach die "Heimarbeit" nicht immer optimal geklappt hat.
Dominic: Das sehe ich genauso. Auch wenn die Wucht von einem Live-Konzert optimal auf Platte transportiert wurde - Mario vom Liquid Aether Audio Studio hat da einen ganz fantastischen Job gemacht - würde ich beim nächsten Mal auch eher vor Ort aufnehmen. Auch wenn das Reamping sehr gut geklappt hat, gehen doch beim Aufnehmen zuhause durch jeden einzelnen, bestimmte Sachen unter. Und das Gefühl, etwas gemeinsam zu erarbeiten, fehlt dadurch enorm.
Bereits im Gespräch mit Christian vom The Nocturnal Silence Blog habt Ihr die feucht-fröhlichen ersten Schritte unter dem Namen BELTEZ reflektiert, und die Höflichkeit verbietet mir, hier mehr über Euer Debüt "Beltane" zum Besten zu geben, außer dass ein befreundeter Dilldappe, dem ich kürzlich Eure Ode ans "Siegerland" vorspielte, das "r" vor lauter Schreck nicht mehr rrrrrollen konnte. Diplomatisch formuliert: Die musikalische Entwicklung zumindest in Folge Eures zweiten Albums ist ziemlich grandios. Wie kam es dazu?
Jens: Erst mal vielen Dank für die Blumen. Ich denke, man muss echt von mindestens zwei Bands unter gleichem Namen sprechen, daher auch meine Anspielung mit der "Neugründung" in Folge von "Der Tod, Part 1". Die Idee damals war es, einfach ein paar Konzerte zu spielen. Das war ja ein oder zwei Jahre, nachdem das Album erschienen war. Die Konzerte liefen sehr gut und wir haben auch weiter Angebote für Konzerte bekommen. Irgendwann fängst du halt im Proberaum an, neue Songs zu schreiben. Die Frage war dann: Wie wollen wir weitermachen? Es stand z.B. durchaus auch eine Umbenennung im Raum, also ein totaler Neuanfang. Denn es war von Anfang an klar, dass die Songs sehr anders werden würden. Die Musik von "Der Tod, Part 1" war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung größtenteils schon mehrere Jahre alt. Dominic hatte sich weiterentwickelt und zum ersten Mal in der Geschichte von Beltez hatten andere Personen Einfluss auf Struktur und Arrangements. Das wirkt sich natürlich aus, vor allem wenn man sich einen Dickkopf wie mich in die Band holt.
Dominic: Und glaub mir, Jens ist ein Dickkopf! Natürlich ist die Entwicklung einer ganz neuen Band geschuldet. Vorher war ja ausschließlich alles von mir geschrieben worden. Auch die Ernsthaftigkeit war eine ganz andere. Zudem habe ich mich tatsächlich beim Songwriting einfach weiterentwickelt, was ja auch nach x Jahren noch möglich sein soll.
Als mich unlängst ein Freund fragte, was "BELTEZ" heißt oder wofür das steht, konnte ich ihm das zu meiner peinlichen Berührung nicht sagen. Habe ich es vergessen oder vergessen, Euch zu fragen...?
Dominic: Jetzt müssen wir doch noch einmal auf unsere Geschichte zurückkommen. BELTEZ war ursprünglich ein Geburtstagsprojekt für einen Kumpel, quasi spaßiges Darkthrone / Burzum Worshipping (musikalisch) ohne Anspruch. Es gab mal eine Band, die ich jetzt nicht näher nennen möchte, mit einem gewissen Zwerg als Bandkopf. Da war eben schnell ein Buchstabe ausgetauscht und zack - war der Name da. Der Name ist also immer noch dem eigentlichen Hintergrund der Band geschuldet, aber prägnant genug, um sich nicht davon zu trennen.
Einem Sprichwort zufolge soll man ja abtreten, wenn es am Schönsten ist. Können wir überhaupt noch mit einer weiteren Aufnahme von BELTEZ rechnen?
Jens: Ja, wir arbeiten bereits getrennt voneinander an neuem Material. Proben ist ja im Moment nicht drin, was natürlich übelst nervt. Immerhin nutzen wir die Zeit, neue Musik zu schreiben. Bis zum nächsten Album dauert es daher hoffentlich nicht wieder drei Jahre.
Dominic: Definitiv. Zum Aufhören wäre genau jetzt der falsche Zeitpunkt, da wir musikalisch noch genug zu sagen haben!
Danke für Eure Zeit, ich freue mich auf den nächsten Gig und einen Umtrunk - bleibt tapfer!
Dominic & Jens: Vielen Dank für das coole Interview. Wir freuen uns auch!