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Interview mit Pain Of Salvation (09.05.2010)
PAIN OF SALVATION veröffentlichen im Mai ihr siebtes Studioalbum „Road Salt One“, das einmal mehr keine Erwartungshaltungen erfüllt und wieder einmal ganz eigene Wege geht. Bandkopf Daniel Gildenlöw nimmt sich vor dem TRANSATLANTIC-Gig in der Hamburger Markthalle etwas Zeit, um sich mit Musikreviews.de über Metaphern, verkopfte Musik und den „Eurovision Song Contest“ zu unterhalten.
Daniel, du scheinst eine Art Vorliebe zu haben für Straßen und Wege als Metpahern. „Remedy Lane“ und „Road Salt One” legen das beide nahe.
Bei „Remedy Lane“ war das eher eine Art von Wortspiel. Die übliche Redewendung ist „walking down memory lane“ (zu Deutsch „Reise in die Vergangenheit“ - Anm. d. Verf.) Es handelte sich dabei also weniger um eine Parabel, sondern eher um ein Wortspiel.
Wofür steht für dich das Salz auf der Straße, das „Road Salt“?
Wir benutzen die Straße als Metapher, als Leitmotiv für das ganze Konzept von „Road Salt One“. Der Albumtitel kam letztlich von dem Song „Road Salt“. Salz ist ein recht vielschichtiges Wort. Salz steht für das gewisse Etwas im Leben, das Salz in der Suppe also. Auf der anderen Seite kann Salz etwas Bedrohliches sein. Es ist scharf und ätzend, es brennt in den Augen. Salz findet sich im Schweiß der Anstrengung und in den Tränen, die man vergießt. Und natürlich steht „road salt“ einfach für das Salz, das die Straßen säubert, sie von Schnee befreit, die Hindernisse entfernt. Die Straße selbst ist natürlich auch eine Metapher. Sie steht für deine Reise durchs Leben. Es gibt eine Abfolge von Entscheidungen, die man trifft, wie Abzweigungen, die wieder auf andere Straßen führen. Die Songs stellen parallele Handlungsstränge dar, die zu gleichen Teilen fiktional und autobiographisch sind. Jeder Song ist ein bestimmtes Schlüsselerlebnis, dem man auf seinem Weg begegnet. Es gibt große Kreuzungen, an denen man wichtige persönliche Entscheidungen trifft und es gibt genauso Umwege, die zu neuen Perspektiven und Sichten auf das Altbekannte führen. In jedem Song geht es um den Preis, den man für etwas bezahlen muss, wenn man eine Entscheidung trifft – und darum, ob man bereit ist, den Preis zu zahlen.
„Sisters“ klingt für mich wie ein sehr persönlicher Song von dir. Die Art, wie du das Stück singst, mit all den feinen Nuancen, legt für mich nahe, dass dich der Song emotional besonders gepackt hat.
Bei diesem Song lag es mir sehr am Herzen, dass er so direkt und persönlich wie möglich klingt. Es hat lange gedauert, bis ich den richtigen Zugang, den richtigen Ausdruck gefunden habe.
Rausgekommen ist dabei ein recht einzigartiger Sound.
Ja, das Stück gehört mittlerweile zu meinen absoluten Lieblingssongs. Normalerweise trenne ich strikt zwischen autobiographischen und rein fiktionalen Themen. Bei „Road Salt One“ habe ich mich gegen eine strikte Trennung entschieden. Letztlich macht diese Trennung auch keinen Sinn. Selbst, wenn ein Text autobiographische Züge aufweist, wird er in dem Moment zu einem Stück Fiktion, in dem wir ein Stückchen der Realität für den Song herausschneiden und ihn so in einen eigenen Kontext setzen. In dem Moment wird aus der Realität Fiktion. Wenn man es genau anders herum betrachtet, könnte man auch sagen, dass es keine reine Fiktion gibt. Wenn wir etwas erfinden, lassen wir immer etwas von uns selbst einfließen und auch von dem, was uns umgibt.
„Remedy Lane“ weist nach deinen eigenen Aussagen stark autobiographische Züge auf. Dadurch, dass du dort sehr viel von dir preisgibst, gewährst du Fremden letztlich einen tiefen Einblick in dein Innenleben. Kommt es vor, dass du peinlich berührt bist, wenn dich z.B. ein Fan auf einige sehr intime, private Passagen in deinen Songs anspricht?
Erst einmal ist es ein großer Unterschied, ob man den Song aufnimmt oder später mit jemanden über seinen Inhalt spricht. Ich habe speziell bei den Proben gemerkt, dass ich Probleme habe, gewisse Songs zu singen. Man fühlt sich irgendwie nackt, wenn man in einem engen Proberaum mit ein paar Leuten eingesperrt ist und über sehr persönliche Erfahrungen singt.
Ein bisschen so wie in einem Käfig, der in einem Zoo steht?
Ja, genau so. Es ist übrigens viel einfacher, die Songs auf einer Bühne vor einem großen Publikum zu singen. Das ist viel anonymer, weil man den Einzelnen in einer Menschenmenge nicht so wahrnimmt. Aber ja, du hast recht. Manchmal ist es problematisch für mich, über sehr persönliche Erfahrungen zu singen.
Glaubst du, dass deine Herangehensweise an die Musik zu verkopft ist? Dass du zu viel nachdenkst?
(Wie aus der Pistole geschossen) Nein! (Er grinst breit)
Es gibt aber einige, die so denken.
Es hängt vielleicht auch etwas davon ab, welches Album und welchen Song man betrachtet. Mein erstes Anliegen ist immer die emotionale Ausdruckskraft. Wenn man nichts zum Ausdrücken hat, sollte man es mit dem Musikmachen lieber ganz lassen. Aber nein, ich denke nicht, dass ich zu verkopft an meine Songs herangehe. An erster Stelle stehen stets die Emotionen, die ich vermitteln möchte.
Wie bewertest du eure Teilnahme am schwedischen „Melodifestivalen“, der ja der nationale Vorentscheid zum „Eurovision Song Contest“ ist?
Das war wirklich eine großartige Sache. Es riesigen Spaß gemacht. Es war auch nett, einmal aus der „Schwarze-T-Shirt-Szene“ herauszukommen. Die Progressive-Metal- und Progressive-Rock-Szene ist ja auch irgendwie eine Art von elitärem Territorium, wenn du verstehst, was ich meine. Viele gucken dort von oben herab auf den sogenannten Mainstream und glauben, sie wären unvoreingenommener und offener für Neues. Letztlich geht es dort auch um Uniformierung, vor allem, wenn es darum geht, wie man sich kleidet und welchen Haarschnitt man trägt. Das ist auf eine bestimmte Art auch wieder spießig. Es war also eine interessante Erfahrung, sich im Mainstream zu bewegen und viele der Musiker dort waren sehr offen für jede Art von Musik.
Glaubst du nicht, dass ein Song wie „Road Salt“ viel zu ruhig und introvertiert ist für so eine Veranstaltung? Ich glaube, dass die meisten eher Party-Songs erwarten.
Ja, das sehe ich auch so. Ich war auch sehr überrascht, dass unser Song ausgewählt wurde und an dem Wettbewerb teilnehmen durfte. Und dass wir es dann sogar in die nächste Runde geschafft haben, das war noch unglaublicher – davon, dass der Song in Schweden dann auch noch in den Charts gelandet ist, ganz zu schweigen. Ich hatte aber auch tiefstes Vertrauen in den Song, dass er Menschen erreichen und starke Emotionen auslösen kann. „Road Salt“ ist aber auch ein Song, der Aufmerksamkeit verlangt, wofür heute ja nicht mehr allzu viel Zeit übrig ist. Umso erstaunlicher war es für mich zu sehen, wie viele Menschen den Song schließlich mochten. Stell dir vor, es ist Samstagabend, alle sind zuhause mit ihrer Familie, sitzen vor dem Fernseher, reißen eine Tüte Chips auf und dann kommt da jemand mit so einem Song, der quasi nur aus Gesang besteht und nie einen echten Höhepunkt ansteuert.
Du hast recht, man erwartet jede Sekunde einen Ausbruch, der aber niemals kommt.
Ja, genau. Wir wollten auch sonst alles sehr „old school“ haben. Wenig Licht und statische Kameras. Wie gesagt, ich habe eigentlich keine Chance für unseren Song gesehen. Aber am Ende war es auch sehr tröstlich zu sehen, dass es doch viele Menschen gibt, die so einen Song in ihr Herz lassen.
Glaubst du, dass PAIN OF SALVATION Kunst produzieren?
Ja, schon.
Wo ist also der Unterschied zwischen Kunst und Unterhaltung?
(Zögert) Es geht darum, was du in etwas investierst aus deiner ganz persönlichen Sicht heraus. Du musst wirklich wollen, etwas ganz Bestimmtes auszudrücken und dabei muss man sich um jedes noch so kleine Detail kümmern. Das ist für mich, was Kunst ausmacht. Ich sehe aber auch keinen Wettbewerb zwischen Kunst und Unterhaltung. Aus Kunst wird irgendwann Unterhaltung, wenn sie mit Freude von jemandem wahrgenommen wird. Wenn du dich mehr um den Rezipienten kümmerst, wenn du dich mehr um den Effekt auf andere kümmerst als um das, was du selbst ausdrücken möchtest, dann entfernst du dich von der Kunst.
Letzteres klingt für mich nach einem wichtigen Kriterium, denn Details alleine können noch keine Kunst ausmachen, oder? In irgendwelchen Hollywood-Blockbustern steckt auch viel Liebe zum Detail, vor allem, was die Special-Effects angeht, aber Kunst ist das sicher nicht.
Ja, genauso kann sehr viel Detail darin stecken, wie man seinen Gitarrensound entwickelt. Aber das alleine ist auch keine Kunst, sondern nur ein Mittel zum Zweck. Das sind sehr unterschiedliche Dinge. Es geht also um die Ausdruckskraft, um das, was du opferst und investierst von dir selbst, um ein Ziel zu erreichen.
Okay, nun was Einfacheres. Das Cover von „Road Salt One“ sieht aus wie die PAIN OF SALVATION-Version vom Mount Rushmore in den USA, in den die Köpfe der Präsidenten eingemeißelt sind …
(Lacht) An Mount Rushmore habe ich dabei noch gar nicht gedacht. Das ganze Album versprüht einen sehr altmodischen Charme und ich wollte einfach die ganze Band vorn auf dem Cover haben, genauso wie es die Bands in den Siebzigern gern hatten.
Sag mal, am Anfang von „Linoleum“ schreit doch irgendein Irrer „ein, zwei, drei“ auf Deutsch. Was hat es damit auf sich?
Das bin ich! (lacht laut) Wir machen halt gern so einen Quatsch. Ursprünglich hatten wir das auf Schwedisch irgendwo in der Mitte des Songs, aber das haben wir wieder rausgeschnitten. Wir nehmen sehr viel von solchem Blödsinn auf und schneiden es am Ende dann doch wieder raus. In diesem Fall haben wir es halt drin gelassen.
Danke für das Gespräch. Bis gleich auf der Bühne!
Viel Spaß beim Konzert!
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