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Interview mit Mourning Beloveth (11.03.2013)

Mourning Beloveth

Ganze fünf Jahre haben sich die irischen Death Doomer MOURNING BELOVETH für ihr fünftes Album Zeit gelassen. Viel Zeit und Spielraum für Veränderung, die man dem Album auch anhört. Bassist Brendan Roache hat sich die Zeit genommen, ein paar Fragen zum Werdegang und auch ganz konkret zum neuen Album zu beantworten...

Eine lange Zeit ist seit der Veröffentlichung von „A Disease For The Ages“ vergangen – was hat Euch so lange davon abgehalten neue Songs aufzunehmen?

Ja, es ist gute 5 Jahre her, dass wir „ADFTA“ veröffentlicht haben. Es scheint fast ein Leben vergangen zu sein und es hat sich sehr viel verändert. Die Welt ist eine gänzlich andere als damals – 2007, als wir „ADFTA“ aufgenommen haben. MOURNING BELOVETH sind keine anderen – wir betrachten die Alben als eine Art Momentaufnahme unserer persönlichen und gemeinsamen Leben zu einem bestimmten Zeitpunkt. Ich schätze, der größte Unterschied zwischen „ADFTA“ und „Formless“ ist der Zuwachs unsres Gitarristen Pauric. Am Ende der Tour-Phase für das letzte Album entschied Brian, unser damaliger Gitarrist, dass er nicht länger in der Band spielen wollte. Eine ganz natürliche Entscheidung, er verließ die Band nach unserer Show mit Opeth 2009.

Brian war in vielerlei Hinsicht ein fundamentaler Bestandteil des MOURNING BELOVETH-Sounds und es war ein echter Aufruhr in der Band und keiner wusste, ob MB ohne ihn weiterzumachen könnten. Nach einigen Wochen kollektiver Lethargie entschied der Rest von uns, dass es noch einiges gab, das MB noch vor sich hatten, aber wir brauchten jetzt offensichtlich einen neuen Gitarristen. Hier kommt Pauric ins Spiel – ein Kerl, der aus dem gleichen Holz geschnitzt ist wie wir. Wir entscheiden dann, statt uns direkt ins Songwriting des fünften Albums zu stürzen, Pauric, der erst so kurz in der Band war, die Zeit zu geben, in die Band hineinzuwachsen. Es sollte ein natürlicher Prozess sein, statt einer erzwungenen Entwicklung. Letztendlich sind wir mit Pauric 2010 auf die Bühnen gegangen, um ihm den Geschmack zu vermitteln, welcher Wahnsinn ihn mit MB erwartet. Er sollte dann entscheiden, ob er ein Teil des Ganzen sein möchte oder nicht. Wir haben unter anderem auf dem Doom Shall Rise gespielt, dem Hell`s Pleasure, den Dublin Doom Days, den Dutch Doom Days und dem Madrid Is The Dark. Es war die richtige Entscheidung, diese Zeit zu investieren. Es gab uns anderen die Möglichkeit, uns auf den neuen Mann und seinen Stil einzustellen und Pauric hatte die Zeit, in MB hineinzuwachsen. „Formless“ ist das Resultat.

Nun wird „Formless“ endlich veröffentlicht – wie steht Ihr zu diesem Album? Seid Ihr zufrieden?

Ich denke noch immer, dass wir, vier Monate nachdem wir die Aufnahmen für „Formless“ beendet haben, noch immer ungemein zufrieden damit sind. Wir haben 10 Tage mit Christ Foelding im Foel Studio in Wales gearbeitet. Es war eine harte Schinderei, 82 Minuten von Null an in dieser kurzen Zeit einzuspielen, aber dank der Herkules-Anstrengungen von Chris haben wir es irgendwie geschafft. Die Summe aller individuellen Anstrengungen auf diesem Album können nur im Vordergrund betrachtet werden. Wir alle haben hart gearbeitet, mehr Kraft und Zeit investiert, um das bestmögliche aus uns herauszuholen. Keiner wollte der Schwachpunkt sein. Ich denke, man hört dem Album das Blut und den Schweiß an, die in ihm stecken. Die warme, bodenständige Produktion tut ihr Nötiges, um das Ergebnis abzurunden. Es klingt menschlich, zerbrechlich zugleich hat es aber auch Puls, Energie, Dramatik und seine Höhen und Tiefen. Es ist eine epische Reise – egal ob mit Riffs, Gesang oder die melodischen Passagen erzählt wird. MOURNING BELOVETH sind 2013 ein kollektiver Kopf und noch wichtiger: ein kollektives Herz.

Formless Cover

Habt Ihr neue Elemente in den Songs verarbeitet?

Nicht wirklich, um ehrlich zu sein. Ich sehe es als das neue MOURNING BELOVETH-Album genau wie die davor. Natürlich unterscheidet es sich etwas von den Vorgängern, aber das war mit jeder Veröffentlichung so. Es ist eine natürliche Entwicklung, denn die daran beteiligten Individuen sind in fünf Jahren auch älter geworden. Fünf Jahre sind eine lange Zeit, da entwickeln sich Dinge, wachsen, ändern sich. Ich spreche in erster Linie für mich selbst und ich denke, jeder andere hätte auch eine andere Antwort parat. Ich sehe es als das Resultat eines neuen Einflusses, namentlich unseren neuen Gitarristen. Die meisten unserer Songs haben wir gemeinsam im Proberaum geschrieben. Alle fünf Mitglieder jeder den anderen anstarrend, den anderen anfütternd – spielend und schreibend. Pauric's Einfluss integrierte sich in diesen Prozess und letzten Endes ist etwas anderes dabei herausgekommen als je zuvor. Wir haben dann recht früh entschieden, an unserem Akustikstück 'Transmissions' zu arbeiten, was eine sehr bewusste Entscheidung war, genauso wie der saubere Einschnitt auf 'Ethics...'
Um es noch mal auf den Punkt zu bringen: wir schreiben nach wie vor das, was wir hören wollen, nur eben mit einem neuen vitalen Einfluss – unserem neuen Gitarristen.

Die Songs an sich sind anfangs sehr schwer als ganzes greifbar und brauchen ihre Zeit – war das Absicht?

Nein, wir schreiben keine Songs, die schwer zugänglich sind. Das ist nicht unsere Absicht. Wir schreiben Songs, die aufrichtig gegenüber uns selbst sind und die die Vision von MOURNING BELOVETH widerspiegeln. Wir schreiben Songs so, als ob man sich auf eine Reise begibt – eine Fahrt, bei der man irgendwo ganz anders endet als man begann. Wir setzen uns nicht zusammen und beschließen, einen 17-Minuten-Song zu schreiben, um damit jedem vor den Kopf zu stoßen. So etwas passiert ganz natürlich. Wenn du dir die Geschichte der Rockmusik ansiehst, wirst du schnell merken, dass die besten immer versucht haben, Musik aus der Banalität herauszuheben. Wir versuchen auch etwas in dieser Art, schätze ich. Wie erfolgreich wir dabei sind, kann ich nicht abschätzen. Es ist dasselbe bei anderen Medien – Geschichten, Filme oder Poesie – Drehungen und Wendungen, die man zur langen Reise hinzufügt, halten die langen Passagen am Leben. Es ist eine sehr lebendige Reise und wir versuchen, uns dabei selbst zu fordern – wir erzählen eine Art musikalische Geschichte, aber am Ende des Tages geht es nur um den Song, den wir geschrieben haben. Jedes Element, jede Bewegung muss im Kontext funktionieren. Einfach irgend etwas des Songs zuliebe zusammenzuwürfeln, würde nicht funktionieren.

Das Death/Doom Genre ist eine wachsende, sich verändernde Bewegung – seht Ihr da für MOURNING BELOVETH irgendwelche Grenzen?

Ich denke, wir fühlen uns alle diesem Death/Doom Genre zugehörig, aber MOURNING BELOVETH gibt es inzwischen fast drei Dekaden und wir versuchen, nicht pompös und beschissen zu klingen. Wir glauben an uns selbst und unsere Instinkte. Wenn etwas gut klingt und sich gut anfühlt, dann machen wir es so. Wir bewegen uns ausschließlich in den Parametern von MOURNING BELOVETH und es sind fünf Individuen, die entscheiden, was in diese Parameter fällt. Ich denke, diese verändern sich genauso wie wir uns als Menschen verändern. Diese Grenzen sind also Grenzen, die sich Künstler selbst auferlegen.

Was für Musik hört Ihr denn selbst und welchen Einfluss hat das auf Euer eigenes Schaffen?

Wir alle kommen aus der Metal-Ecke, so dass es den Großteil unserer Hörgewohnheiten abdeckt. Angefangen bei 70er Rock/Prog über NWBHM, frühem Death Metal, traditionellem und Death Doom. Heutzutage kannst Du noch Künstler wie Nick Cave, Johnny Cash, Tom Petty oder Tom Waits erwähnen. Eigentlich alles, was in dieses Spektrum von Bands und Künstlern fällt und irgendwie genauso wirkt wie MOURNING BELOVETH. Es sind eher die, die ihrem Bauchgefühl folgen, statt Trends und Stereotypen. Schafe sind zum Essen da – nicht um ihnen zu hinterherzulaufen.

Mourning Beloveth Logo

Gibt es Deiner Meinung nach echte Unterschiede zum letzten Album? Ist „Formless“ eher eine Veränderung oder natürliche Weiterentwicklung in der Bandgeschichte?

Ich sehe zwischen beiden Alben sehr viele Unterschiede, aber ich höre generell Unterschiede zwischen allen Platten. Der größte Unterschied ist mit Sicherheit der Einfluss unseres neuen Gitarristen, über den wir bereits gesprochen haben. Wenn ich „A Disease For The Ages“ höre, bin ich noch immer überrascht, wie wütend diese Scheibe ist. Es ist das intensivste Vakuum, ein schwarzes Loch, in das man gezogen wird und jede andere Emotion bis auf Wut ausgeblendet wird. Rückblickend klingt es, als ob man ein Universum auf deinen Schultern ablegt. Es klingt bedrohlich, klaustrophobisch, aber ich denke noch immer, dass es hörenswert ist. Auf „Formless“ haben wir den Raum weiter erforscht – es gibt viel mehr Spielraum für Gitarren und Bass. Es ist weniger direkt, aber genau deshalb nicht weniger bedrohlich. Dieses Mal ist es kein Schnellschuss, sondern es dauert eine gewisse Zeit, bis sich das Gift in dein Unterbewusstsein frisst. Es dauert, aber es wird dich nicht mehr loslassen. Als ein Beispiel dafür vergleiche doch nur die beiden Cover von „Formless“ und „A Disease For The Ages“: beide Motive passen perfekt zum Inhalt, aber beide sind komplett unterschiedlich, genauso wie die Musik, die auf beiden enthalten ist.

Der Klargesang auf dieser Platte scheint noch deutlich ausgereifter und gewachsener zu sein als je zuvor?

Ich finde, dass beide Gesangsdarbietungen, sowohl von Frank als auch von Darren, die absoluten Highlights des Albums sind. Jedes mal, wenn Frank auf einer neuen Platte singt, klingt es anders als auf der letzten – genauso wie die Musik selbst. Wie genau er jedes Mal an den Gesang herangeht, kann er nur selbst beantworten. Seine Stimme und sein Gitarrenspiel sind genau das, was wir in dieser Musik brauchen und was der Musik diesen besonderen Klang beschert. Hier passt einfach alles zusammen: seine Stimme, mein Bass, Darrens Texte oder auch Tims Schlagzeugspiel …

Worum geht es auf den Texten dieses Albums? Gibt es eine Art Konzept oder so etwas?

Darren schreibt alle Texte für MOURNING BELOVETH, hat er immer, wird er immer tun. Er hat die Fähigkeit, mit seinen Worten umzugehen, wie der Rest von uns mit den Instrumenten. Sie passen zu unserer Musik wie keine anderen. Es ist kein gewöhnliches Geschwätz eines Whiskey-Bar-Philosophen. Er sammelt Worte und Phrasen über Jahre hinweg, um sie dir dann später vor die Füße zu spucken. Auf „Formless“ ist er etwas von seinem Konzept abgewichen. Die Texte sind von seinen persönlichen zur übergreifenden Perspektive gewechselt, in der es um die Welt, um uns geht. Eine Welt, in der wir jeden Tag Gift, Albträume und einer immer größer werdende Kommerzialisierung antreffen. Dort, wo jedes einzelne menschliche Wesen ausgelöscht wird, um für die Masse Platz zu machen. Es geht hier nur noch um die tägliche Kommerzialisierung, die wir erleben. Eine Welt, in der keiner mehr zuhört, in der es nur noch mundgerechte, leicht verdauliche, gebilligte Lügen gibt. Die Wahrheit wird mit Verachtung und Argwohn betrachtet – so soll die Geschichte enden. Die Texte sind eine Reise von der Mitte des Schädels zu den Abgründen einer düsteren Welt. Aber es wird nur noch schlimmer …

Wollt Ihr das neue Album mit einer Tour oder ein paar Auftritten promoten? Ist für Deutschland vielleicht etwas geplant?

Wir planen für „Formless“ eine Menge Shows zu spielen. Live zu spielen, ist ein sehr wichtiger Bestandteil der Band. Wir sind nicht der Typ Band, die fast reglos ihre Stiefel auf der Bühne anstarrt. Wir lassen uns durch die Musik treiben, als ob es ein Voodoo-Tanz wäre. Wir haben derzeit ein paar bestätigte Gigs. So sind wir für das Roadburn Festival gebucht und den Rest findet man auf unseren Internetseiten. In Deutschland werden wir auf dem Hell Inside und dem Skullcrusher Fest im Oktober spielen, aber ich denke, dass in der nächsten Zeit noch mehr Daten bekanntgegeben werden.

„Formless“ ist Euer drittes Album bei Grau Records. Seid Ihr zufrieden mit der Labelarbeit?

Wir arbeiten seit „A Murderous Circus“ mit Grau zusammen – das ist seit 2005 und wir sind, was die meisten Sachen anbelangt, sehr zufrieden. Es ist ein kleines Label mit begrenzten Möglichkeiten und so gibt es natürlich Probleme und Grenzen. Aber wir sind realistische Menschen und wir können ganz gut mit den Gegebenheiten umgehen. Tom war immer bestrebt, das bestmögliche für uns zu tun und hat mit uns Möglichkeiten zur beiderseitigen Zufriedenheit erarbeitet. Er hat niemals von uns verlangt, dass wir in ein Album zu einem bestimmten Zeitpunkt abliefern, oder versucht in unseren künstlerischen Freiraum einzugreifen, oder die künstlerischen Elemente von MOURNING BELOVETH zu beeinflussen. In der heutigen Zeit ist so ein Verhalten einer Band gegenüber goldwert.

Was birgt die Zukunft für die Band?

Wir versuchen, rauszukommen und so viele Gigs wie nur möglich zu spielen, so viel zu trinken wie wir können und so viel Scheiße wie nur möglich zu quatscehn. Alles auf einmal. Verpasst es nicht – Frank kann manchmal auch vernünftig reden. Vielleicht...

Letzte Worte?

Vielen Dank für den kontinuierlichen Support aus Deutschland, wir treffen uns sicher in einer Bar um die Ecke...

Oliver Schreyer (Info)
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