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Interview mit CURSE OF LONO (11.09.2018)

CURSE OF LONO

MUSIK WIE DER SOUNDTRACK ZU EINER GEHEIMNISVOLLEN NACHT (MIT DER EIGENEN FRAU)!

CURSE OF LONO haben mit ihren beiden Alben „Severed“ (2017) und „As I Fell“ (2018) größtenteils die dunkle Seite des musikalischen wie textlichen Daseins im Sinn. So schaffen sie ihren ganz eigenen musikalischen Stil, den sie als „Cinematic Southern Gothic Alt Rock“ bezeichnen. Wir nennen ihn in unserer Review zu „Severed“ den „idealen Soundtrack für eine Reise in die tiefen Abgründe unserer Seelen“. In diesem Sinne gehen auf beiden CURSE OF LONO-Alben die Begriffe „schwer beeindruckend“ und „schwer bedrückend“ Hand in Hand. Das macht mehr als neugierig auf die Musik von CURSE OF LONO und ganz besonders auf den kreativen Kopf dahinter, sodass wir in unserem Interview mit dem Bandleader FELIX BECHTOLSHEIMER versuchen, endlich Licht in das Dunkel hinter der Musik und den Texten von CURSE OF LONO zu bringen.

 

Grüß dich, Felix!

Muss man um einen Musiker, der seine Band nach einem Buch von Hunter S. Thompson benennt, in dem es um den Irrsinn des Marathons und jede Menge Drogen geht und der selber auf seinen beiden Alben von CURSE OF LONO (Fluch des Lono) wiederholt seine Drogen-Sucht aufgreift, eigentlich Angst haben, dass er darüber nachdenkt, eines Tages den gleichen endgültigen Schritt zu gehen wie Hunter S. Thompson (Thompson schoss sich an seinem Schreibtisch in den Kopf)?

 Hi Thoralf. Danke der Nachfrage, aber ich versichere Dir, dass man sich um mich keine Sorgen machen muss. Obwohl sich unsere Musik oftmals mit den dunkleren Seiten des Lebens beschäftigt, sind wir tatsächlich eine Band, die aus sehr fröhlichen Menschen besteht. Es ist 18 Jahre her, dass ich Heroin und Methadon genommen habe, und abgesehen davon, dass ich immer noch gerne mit meinen Freunden was trinken gehe, ist mein Leben heute sehr viel ruhiger geworden. Ich bin ein glücklich verheirateter Mann mit zwei kleinen Kindern, daher gehe ich nirgendwo hin, das kann ich Dir versprechen.

 

 Das Mojo-Magazin nannte euch „ein neues Leuchtfeuer der Dunkelheit“ und spielen damit nicht nur auf die finster anmutende Grundstimmung eurer Musik an, sondern sicher auch die mitunter sehr bedrückend wirkenden Texte, die aus lyrischer Sicht kleine Meisterwerke sind und eine Atmosphäre zwischen Kafka und Jim Morrison verbreiten. In welchen Situationen und Stimmungen entstehen deine Texte – oder schreibst du sie einfach, weil gerade mal wieder ein Album erscheinen muss, auf das eben auch die Texte gehören?

 Es freut mich wirklich, dass sich die Leute die Zeit nehmen, um tatsächlich auf die Texte zu hören. Ich tendiere dazu, das Schreiben der Musik und der Texte aufzuteilen. Oftmals schreibe ich die Musik für das komplette Album, bevor ich die Texte für die einzelnen Songs fertigstelle. Dabei habe ich meistens schon von Anfang an einige Zeilen oder eine grundlegende Idee für die Texte, gehe dann aber erst mal zum nächsten Song über, bevor ich den vorigen beendet habe. Wenn es dann an der Zeit ist, ins Studio zu gehen, schnappe ich mir zwei Akustik-Gitarren (eine normale und eine Bariton-Gitarre), schalte das Telefon und meine Emails aus und schließe mich ein paar Wochen lang ein, um in den „Poeten-Modus“ zu gelangen. 

Das ist der Teil, wenn man die Welt wirklich aussperren und mit den Worten kämpfen muss. Einige Songs, wie z.B. „Valentine“, den ich nach einem Albtraum darüber, dass meine Frau eine Affäre hätte, geschrieben habe, waren innerhalb einer halben Stunde fertig. 

Andere Songs, wie „Tell Me About Your Love” waren illusorischer und es hat viele Stunden gekostet, bis ich verstanden hatte, in welche Richtung der Song hinwollte. 

 

 Das Thema Drogen spielt auf beiden Alben eine Rolle, mit der du sehr kritisch umgehst. Welche Rolle spielen bzw. spielten die Drogen in deinem Leben? Und wie hast du dieses Problem in den Griff bekommen?

 Auf diesem Album habe ich versucht, von den Drogen-Themen wegzukommen, aber irgendwo tauchen sie doch immer wieder auf. Ich war fünfeinhalb Jahre lang heroinabhängig und habe viele Freunde wegen diesem Zeug verloren, daher ist es schwierig, das Thema außer acht zu lassen. Im Jahr 2000 bin ich schließlich nach Florida gezogen, um von meinem Leben in London wegzukommen, und seither habe ich kein Heroin mehr angefasst. Als ich in Florida ankam, war ich in einem wirklich schlechten Zustand, sowohl körperlich als auch emotional. Ich habe mich zunächst in einer kleinen Entzugsklinik eingecheckt und bin dann in eine betreute Wohngemeinschaft gezogen, in der ich mir ein Zimmer mit einigen anderen Abhängigen geteilt habe. Dort bin ich dann der raueren Seite der Country Music verfallen, wie John Prine, Guy Clark und Kris Kristofferson, und ich habe wie ein Besessener angefangen zu schreiben. In dem Jahr, in dem ich dort war, habe ich bestimmt über 100 Songs geschrieben. Das war ein wichtiger Bestandteil meiner Therapie. 

 

 Ihr habt selber einen eigenen Begriff für eure Musik geschaffen, zu der ja neben den Texten oftmals auch Videos, die man von ihrer Handlung her zu einem abendfüllenden Film verarbeiten könnte, gehören: „Cinematic Southern Gothic Alt Rock“. Wie kamt ihr auf diesen komplexen Begriff und welche Erwartungen erhofft ihr euch bei euren Hörern, wenn sie diese neue Musik-Kategorie zu verstehen versuchen?

 Wir versuchen sehr, die Aufnahmen zu jedem Song so anzugehen, wie man einen Kurzfilm angehen würde. Man muß die Szene vorbereiten, sie aufbauen und im richtigen Moment beenden. Die Texte wurden schon von mehreren Journalisten mit William Faulkner verglichen und von dort kommt das Southern Gothic Element. Jetzt musst du noch etwas Alternative Rock zu unseren Americana Grundlagen hinzufügen und fertig ist der CURSE OF LONO Song. Für Diejenigen, die unsere Musik nicht kennen: Stellt euch eine Filmszene vor, in der ein eifersüchtiger Liebhaber durch die Wüste fährt, mit Ry Cooper auf dem Rücksitz und aus dem Radio dröhnt der Wilco-Song „Kicking Television“. 

 

 Wie kamt ihr auf die Idee mit der vierteiligen Videozusammenstellung, die wie ein Fortsetzungsfilm auf eure Musik geschrieben ist? Vielleicht kannst du ja auch kurz die Handlung und die Absicht hinter den vier Videos, die ein absolutes Highlight in der Musik-Video-Kultur geworden sind, zusammenfassen.





 Saturday Night” ist ein Kurzfilm, der aus vier miteinander verwobenen Musikvideos besteht. Der Film zeigt, wie sich die chaotischen Leben eines untreuen Ehepaars und zwei Schlägertypen während zwölf mörderischen Stunden in London überschneiden. Tatsächlich hatte ich ein Drehbuch für einen Film geschrieben, der eigentlich das ganze erste Album hätte abdecken sollen, aber dafür hat leider unser Budget nicht gereicht. Mein guter Freund, der Regisseur Alex Walker, fand die Idee toll und bot an, einen Kurzfilm zu den ersten vier Songs unserer Debüt-EP zu drehen. Ich hatte schon viele der ursprünglichen Ideen für die Story, dann kam Alex dazu und hat noch weitere sehr coole Ideen hinzugefügt. Das Endergebnis kommt komplett von Alex und der Rest lag bei den Schauspielern und der Crew. Ich möchte eigentlich immer von Anfang an dabei sein, aber wenn es dann um die Filmaufnahmen geht, schaue ich mir das Ganze lieber aus der Distanz an. Alex und ich waren überwältigt von den Reaktionen auf die Videos, besonders von den Auszeichnungen als „Best Music Video“ beim Independent Film Festival in L.A. und bei den London Independent Film Awards. 

 

 Der Musik von CURSE OF LONO wohnt viel Melancholie, aber auch sehr druckvolle Momente inne, so als käme man in eine unangenehme Situation, die hoffnungslos erscheint, aber man mit eigener Kraft dann doch einen Ausweg findet. Mitunter kommt einem bei eurer Musik und den Texten „Berlin“ von Lou Reed in den Sinn. Magst du das Album?

 Ich denke, das die Musik definitiv eine gewisse Melancholie und viele düstere Situationen enthält. Die Texte von „Berlin“ sind großartig. Ich bin ein großer Lou Reed – Fan, aber ich mag die Musik auf „Transformer“ und seine Arbeit mit The Velvet Underground lieber. 

 

 Wie stark sind die textlichen Parallelen zu deiner persönlichen Entwicklung, die du mithilfe deiner Musik in gewisser Weise reflektierst? Da kommt einem doch tatsächlich der bereits erwähnte Kafka in den Sinn!

 Da ich ein Riesen-Fan von Kafka bin, ist diese Referenz ein großes Kompliment für mich. Die Texte sind definitiv Reflexionen davon, wo in meinem Leben ich mich befinde. Als ich clean wurde, dachte ich, dass es mein einziger Lebenszweck sei, meine Erfahrungen in Songs zu dokumentieren. Mittlerweile handhabe ich das weniger verzweifelt. Mein Songwriting hat immer noch einen dunklen Einschlag, aber die zentralen Themen sind weniger brutal. Auf dem neuen Album habe ich versucht, herauszuarbeiten, wie man damit umgeht, dass man es schafft, genügend erwachsen zu werden, um ein Ehemann und Vater zu sein. Ich hasse den Gedanken, eine Midlife Crisis zu haben, aber vielleicht kann man es eine Midlife Neubeurteilung nennen.

Was bedeutet es, deinen Träumen nachzujagen, wenn du keine Siebzehn mehr bist? Machen wir wirklich, was wir wollen mit unserem Leben oder sind wir auf Autopilot und gleiten sanft in die mittleren Jahre? Und, können wir noch vom fahrenden Zug abspringen, wenn wir nicht in die Richtung gehen, in die wir eigentlich gehen wollen, aber Verantwortung haben und Rechnungen bezahlen müssen?

Das sind die Fragen, mit denen sich im Moment viele meiner Freunde herumschlagen. Ich denke, dass jeder dunkle Momente hat. Ich benutze gerne meine Musik dazu, diese Dinge zu verarbeiten, so dass es mich weniger belastet, wenn ich mit meiner Familie und meinen Freunden zusammen bin. 

 

 Beide Alben „Severed“ und „As I Fell“ hast du mit eindeutigen Widmungen versehen. Das erste für deine im Jahr 2010 verstorbene Großmutter, das zweite für eine Amélie. Welche unmittelbare Verbindung gibt es zwischen der Widmung und der Musik bzw. den Texten? Verrätst du, wer Amélie ist? 

 Haha. Abgesehen von meiner Frau, ist Amélie das schönste Mädchen auf diesem Planeten. Aber ich glaube, ich bin voreingenommen, denn sie ist meine zweieinhalb Jahre alte Tochter. Ich habe bisher jedes Album, das ich veröffentlicht habe (inklusive der vier Alben mit meiner vorherigen Band HEY NEGRITA) einer wichtigen Person aus meinem Leben gewidmet, die nicht mehr am Leben ist. Dieses Mal wollte ich meiner Tochter etwas geben, das Bestand hat. Da meine Frau vor fünf Monaten einen wunderschönen kleinen Jungen auf die Welt gebracht hat, bin ich schon mächtig unter Druck, das nächste Album zu schreiben. 

 

 Warum erfährt man trotz all der persönlichen Bezüge innerhalb der Musik von CURSE OF LONO eigentlich so wenig zu deiner Person im Netz?

 Ich spreche immer gerne über meine Erfahrungen und Vorgeschichte, solange sie mit der Musik zu tun haben, aber ansonsten bin ich ein sehr zurückgezogener Mensch. Ich bin keiner von diesen Selfie-Typen. Auf einer Party hier in London habe ich mal Herbert Grönemeyer getroffen. Wir waren beide auf der Suche nach Zigaretten. Es war super, sich mit ihm zu unterhalten, denn er ist ein total normaler Kerl und hier in London, wo er lebt, kennt ihn kein Schwein. Ich kann mich noch erinnern, dass ich dachte, dass es ziemlich clever von ihm ist, sich aus der Öffentlichkeit herauszuhalten, wenn er nicht auf Tournee ist. 

 

 Wenn du eine Band, ein Album, ein Buch, einen Film und deinen wichtigsten Charakterzug hervorheben solltest, welche dich und dein Leben in besonderer Weise beeinflusst oder vielleicht sogar in eine andere Richtung gelenkt haben haben. Welche wären das?

 Als Band sind das die Rolling Stones. Ich bin besessen von ihnen, seit ich ein Teenager war. 

Das Album ist auf jeden Fall „Exile On Main Street“, das mich vom Seattle Grunge der 1990er (wie Alice In Chains und Mother Lovebone) weggebracht hat und mich offener gemacht hat für eine lässigere, dekadentere Auffassung von Musik. Von den Stones kann ich nie genug kriegen. Sie verkörpern alles, was mich überhaupt erst zur Musik gebracht hat. 

Das Buch wäre „The Post Office“ von Charles Bukowski. Ich liebe die brutale Ehrlichkeit von Bukowskis Schreibe. Durch ihn habe ich gelernt, dass die einfachsten Lebensgeschichten oft die interessantesten sind und dass jeder seinen eigenen Film fährt.

Der Film wäre ‘The Shawshank Redemption.’ (Die Verurteilten). Er hat mir das Gefühl gegeben, alles tun zu können. 

 

 Im Märchen tauchen immer wieder Feen oder sogar Fische auf, die einem drei Wünsche erfüllen. Welche wären das für dich aus a) persönlicher, b) musikalischer und c) politischer Sicht?

 In persönlicher Hinsicht würde ich mir wünschen, dass alle aus meiner Familie ein langes, glückliches und gesundes Leben haben. 

Musikalisch würde ich gerne Musik schreiben, die die Leute auch nach meinem Ableben noch lange bewegt. 

Und was die Politik betrifft, würde ich mir den sukzessiven Abbau der Parteienpolitik wünschen, damit die Leute besser informiert sind. 

 

 Gibt es Fragen für dich, die du nicht ausstehen kannst – und welche, weswegen du enttäuscht darüber bist, dass man sie dir nie gestellt hat?

 Ich bin ziemlich offen für alle erdenklichen Fragen, nur habe ich es nicht so mit politischen Fragen. Letzte Woche habe ich einem amerikanischen Magazin ein Interview gegeben und die hörten nicht auf, mich nach meiner Meinung über die momentane politische Situation zu fragen.

Die Irrenanstalt wird von den Irren geleitet, das wissen wir doch alle. Ich mag es nicht, in langwierige Debatten hineingezogen zu werden, was denn getan werden müsste, um die Dinge gerade zu rücken. 

Es fällt mir nicht wirklich etwas ein, was ich gerne gefragt werden würde.

Vielleicht: „Wenn Du mit irgendjemandem auf der Welt ohne Konsequenzen schlafen könntest, wer wäre das?“

 

 Die zweite Kategorie darfst du hier gerne beantworten, weil ich alter Kritiker-Nasenbär sie dir nicht selber gestellt habe.

 Hahaha. Netter Versuch. Das wäre dann immer noch meine Frau J

 

 Dann danke ich dir für das Interview, Felix!

Aber eine Bitte habe ich noch. 

Kannst du mir einen ganz speziellen Musik-Tipp geben, was für Musik ich hören sollte, während ich daran arbeite, dieses Interview mit dir zu CURSE OF LONO unter unserer Seite zu veröffentlichen!

 Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für das Interview genommen hast. Check mal Kevin Morby, Mazzy Star, Lord Huron, Cordovas und Houndmouth an. 

 

 Hab‘ ich gemacht … und ich muss sagen … ach, ich hatte hier doch gar nichts zu sagen … außer … ein herzliches Dankeschön an Felix! 

… und noch ein kleines PS: Mein Lieblingsalbum der Stones ist ihr psychedelischstes: „Their Satanic Majesties Request“.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info)
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