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Interview mit Neun Welten (17.12.2009)

Neun Welten

NEUN WELTEN gehören zu den unauffälligen, äußerst qualitätsvollen Vertretern der Folk-Szene. Auf ihrem zweiten Studioalbum „Destrunken“ zeigt sie die Band ein wenig sperriger als auf ihrem Debüt, doch nach kurzer Eingewöhnungszeit entführt auch das neue Album klischeefrei in waldige Welten. Aline Deinert (Violine, Piano) beantwortet unsere Fragen.

Ihr klingt nicht wie diese typischen folkbeeinflussten Bands, die in der Rock- und Metal-Szene momentan Erfolg haben. Wo liegen eure Wurzeln?

Tatsächlich liegen unsere eigentlichen Wurzeln im Black-Metal-Bereich und David, Marten und Meinolf spielten selbst, bevor Neun Welten gegründet wurde, auch in einer Black-Metal-Band. Dazu kamen die verschiedenen musikalischen Wurzeln von Anja und Aline, die sowohl im Mittelalterbereich liegen als auch in der klassischen Musik. Möglicherweise macht es genau diese Mischung aus :-).

Neun Welten - DestrunkenWoraus bezieht ihr eure Inspirationen? Sind das - ganz abgedroschen - Spaziergänge in der Natur? Oder eher Reflexionen des täglichen Lebens? Bücher? Filme?

Unsere Lieder sind natürlich von vielen Naturimpressionen inspiriert, die wir auf Touren sammeln konnten. Aber natürlich spielen auch die inneren Auseinandersetzungen, zu denen es im Alltag kommt, eine große Rolle. Häufig verbinden sich diese Elemente, sowie Jahreszeiten bspw. das Gemüt auf bestimmte Art und Weise beeinflussen.

Während viele Bands im Folk-Bereich sehr, sehr ähnlich klingen, hört man bei euch einen eigenen Stil heraus. Woran liegt das? Was macht ihr anders?

Das ist schwierig zu beantworten. Wir haben da kein "Rezept", wie wir uns von anderen Bands unterscheiden können. Wir machen die Musik so, wie sie uns am besten gefällt... möglicherweise kann man als eine Ursache aber auch hier wieder auf die unterschiedlichen musikalischen Wurzeln verweisen.

Gib uns bitte eine Anleitung zur Umgehung von Klischees.

Eine solche Anleitung können wir nicht geben, denn dann würden wir behaupten, wir wären frei von Klischees. Das kann aber sicher niemand von sich behaupten, denn selbst die Definition dessen, was Klischee ist und was nicht, variiert häufig. Problematisch wird es meist dann, wenn es dadurch zur Erhärtung von Vorurteilen kommt und man die eigenen Handlungen daraufhin nicht mehr hinterfragt und reflektiert.

Auf "Destrunken" gibt es deutlich mehr Gesang. Woher kommt dieser Sinneswandel?

Auch dem lag keine bewusste Entscheidung zugrunde, sondern wir versuchten durch weitere klangliche Facetten in unseren Liedern, wie der Einbindung von etwas mehr Gesang, von Klavier und auch Percussion die Stimmungen der Lieder noch besser hervorheben und präzisieren zu können, um unseren eigenen Vorstellungen damit noch näher zu kommen. Die Auswahl für Gesangsstellen erfolgte demnach vielmehr spontan im Schreibprozess der einzelnen Lieder.

Erzähl doch mal was zum Albumtitel.

"Destrunken" als Wort existiert weder in der deutschen noch einer anderes Sprache. Es ist also ein Phantasiewort. Wir haben dieses Wort als Albumtitel gewählt, da es frei für Assoziationen ist und das Konzept nicht sogleich in eine bestimmte Richtung drängt. Für uns vermittelt das Wort vielmehr lediglich eine Stimmung, verschiedene Bilder oder bspw. auch Farbnuancen. In jedem Fall ist es etwas dunkles, geheimnisvolles, aber auch Intimes und Persönliches. Zusätzlich steht der Titel in Bezug zum "Destrunken-Zyklus" auf dem Album, dessen beide Lieder zuerst entstanden sind und damit Wegbereiter für die Stimmungen und das Konzept des Albums waren.

"Auf ewig Wald" - ein wunderbarer Spruch, der auf eurer Website und CD auftaucht. Betrachtet ihr euch eher als entrückte Baumknuddler oder knallharte Naturschutz-Aktivisten?

Wald bedeutet für uns Naturverbundenheit, Mystik, eine im besten Fall Jahrhunderte alte Manifestation von Natur. Der Wald überdauert uns, erlebt wandelnde Welten, ist lebende Geschichte. „Auf ewig Wald“ ist ein Motto, mit dem wir uns, als kurzlebigen aber viel verändernden Menschen dem dahingegen „ewigen Wald“ gegenüberstellen.

Eure Musik wirkt sehr visuell auf mich, wenn ihr versteht, was ich meine. Genau, wie z.B. bei Empyrium, entstehen vor meinem inneren Auge schöne und auch düstere Naturlandschaften. Was geht in euren Köpfen vor, wenn ihr eure eigene Musik hört? Könnt ihr noch abschalten und euch von der Musik davontragen lassen oder dominiert der analysierende Musiker, der jeden Ton im Nachhinein kritisch hinterfragt? 

Aline (Neun Welten)Diese entstehenden Bilder sind während der Entstehung und Weiterentwicklung unserer Lieder quasi unser Wegweiser und sehr notwendig. Natürlich braucht man hin und wieder auch Abstand von der selbst produzierten Musik, bspw. nach intensiven Tagen/ Wochen im Studio. Das sehr konzentrierte und auch detaillierte Hören der Musik während unserer Studioaufenthalte ist inzwischen jedoch nicht mehr dominierend und wir können uns nach vollendeter Produktion auch wieder von unseren Liedern tragen und mitnehmen lassen. Und das ist eigentlich ein gutes Zeichen :-).

Beschreibt doch mal, welche Rolle eure Musik im täglichen Leben spielt und bewertet diese. Geht es um reinen Eskapismus oder steckt mehr dahinter? Oder ist das Wort "Eskapismus" gar viel zu negativ behaftet und stellt das Flüchten aus der Realität sogar einen heilsamen Prozess dar? 

Wir sehen unsere Musik als eine Art Ruhepol, durch welchen man sich die Zeit und den Raum schaffen kann, eigene Erlebnisse und vielleicht auch innere Auseinandersetzungen (erneut) zu betrachten. Oftmals kann einem das die Möglichkeit geben, Dinge nochmals aus einer anderen Perspektive zu betrachten und vielleicht dadurch auch zu neuen Lösungen oder Strategien zu kommen. Natürlich kann man sich auch einfach nur fallen lassen, abschalten und genießen, was Manchen im Nachhinein vielleicht zu stärken vermag.

Was gibt uns die Natur, was die Gesellschaft nicht zu geben vermag? Was gibt uns die Gesellschaft, was die Natur uns nicht zu geben vermag?

Gesellschaft und Natur sind für uns nichts Gegensätzliches. Beides ist wichtig für uns und stellt unsere Inspirationsquelle dar... auch in der Natur finden wir Gesellschaft und umgekehrt. In unseren Liedern drücken wir einerseits Stimmungen und Bilder der Natur aus, aber eine weitere große Inspirationsquelle sind die eigenen Gefühle, Auseinandersetzungen und alltäglichen Gegebenheiten, die uns beschäftigen. Schauplatz des letztgenannten ist natürlich häufig "die Gesellschaft", aber unsere Gefühle beeinflussen wiederum auch unsere Wahrnehmung der Umgebung/ Umwelt. Für uns sind diese beiden "Räume" daher nicht zu trennen.

Vielen Dank für Deine Zeit. Bitte immer weiter so, denn eure Musik öffnet einem die Augen für das Schöne in der Welt!

Sehr gern geschehen. Vielen Dank für Deine netten Worte und Dein Interesse :-).

Nils Herzog (Info)
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