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Interview mit Nailed To Obscurity (19.02.2017)
"This record is awesome!!
I didn't expect it to be this kind of music for some reason...but it's really like a "Best of" the bits I love about early OPETH and KATATONIA.
There's also some Finnish darkness in there too. Really good stuff. The production is cool too, really earthy and real sounding."
Derart lobende Worte für das neue Album „King Delusion“ der ostfriesischen Melodic-Doom-Death-Formation NAILED TO OBSCURITY findet der umtriebige, multiinstrumentale Großmeister des skandinavischen Progressive-, Death-, Black-, Doom- usw.-Metal, DAN SWANÖ. Und recht hat er.
Im Interview sprechen Ole (Gitarre) und Raimund (Gesang) u.a. über die Arbeit an „King Delusion“, die bevorstehende Tour mit DARK TRANQUILITY und Rassismus in der Musik.
NAILED TO OBSCURITY gibt es seit 2005, seither hat BUCKETHEAD vermutlich eine Albenanzahl im vierstelligen Bereich generiert. Ihr habt Euch auf – seit dem dritten Februar – drei (hochkarätige) Platten beschränkt. Brauchen gute Ideen bei Euch einfach so lang, um zu reifen, oder musstet Ihr erst Eure Inspiration (wieder-) finden?
Ole: Grundsätzlich ist es schon so, dass wir uns so viel Zeit nehmen, wie wir eben brauchen, um am Ende vollkommen zufrieden mit den Songs zu sein. Wir wollen nichts herausbringen, hinter dem wir nicht zu 100 Prozent stehen können. Der Weg dahin ist meist recht lang, erschwert wird das Songwriting auch ganz stark dadurch, dass wir ziemlich weit voneinander entfernt wohnen. Wir können uns nur am Wochenende treffen und da wir ab einem gewissen Punkt alle in den Songwritingprozess involviert sind, verlieren wir deshalb häufig viel Zeit. An Inspiration mangelt es dagegen eigentlich nicht.
In so ziemlich jeder Kritik zu Eurem Schaffen werden Namen wie OPETH, KATATONIA, PARADISE LOST usw. aus der Referenzkiste gekramt. Wer oder was beeinflusst bzw. inspiriert Euch denn sonst noch, auch außerhalb von Musik?
Ole: Ich bin ehrlich gesagt ganz froh, dass es genau diese Bands sind, mit denen häufig Parallelen gezogen werden. Das sind einige unserer ganz großen Vorbilder und definitiv große Einflüsse. Andererseits ist es aber durchaus so, dass ganz andere Dinge uns viel stärker beeinflussen. Das sind häufig Dinge aus unseren persönlichen Leben, unserem Umfeld, etc. oder einfach Dinge, die einen so beschäftigen, Stoffe aus Filmen und Büchern. Also irgendwie alles.
Raimund: Wir sind alle Menschen, die mit offenen Augen durch das Leben gehen und alleine das ist inspirierend. Manchmal ist es nur ein Wort oder eine kleine Phrase, die man irgendwo aufgeschnappt hat oder die einem plötzlich in den Sinn kommt, welche dann zur Basis für einen einzelnen Song werden kann. Wie Ole schon gesagt hat, ist es dann weniger die musikalische Ausrichtung an einem Vorbild, die man im Hinterkopf hat, sondern vielmehr die eine (eigene) Idee, die man unbedingt umsetzen möchte.
Wenn man OPETH sagt muss man natürlich auch die unvermeidliche OPETH-Frage stellen: Was haltet Ihr von Captain Åkerfeldts neuem Kurs und könntet Ihr Euch vorstellen, Euch auch mal so weit von Eurem jetzigen Stil zu entfernen?
Ole: Da sind wir uns nicht so ganz einig, glaube ich. Ich denke wir alle würden uns freuen, wenn OPETH zum Stil von „Still Life“, „Blackwater Park“, „Damnation“ und „Deliverance“ zurückkehren würden. Was die neueren und besonders die drei letzten Alben angeht, ist es jedoch so, dass einige von uns der Musik mehr abgewinnen können und die anderen etwas weniger. Für mich persönlich ist es so, dass ich auch die neueren Sachen musikalisch interessant finde, jedoch kann ich mir nicht abgewöhnen daran zu denken, dass die Band mal ganz anders klang und die Tatsache stört mich dann so sehr, dass ich mich gar nicht so recht auf die Musik einlassen kann. Mir fehlen 90 Prozent der Eigenschaften, die OPETH für mich so faszinierend gemacht haben und deshalb wünsche ich mir oftmals doch die alten OPETH zurück. Andererseits vertrete ich aber auch die Meinung, dass eine stetige Weiterentwicklung wichtig und interessant ist und dass man Musik aus dem Bauch heraus machen sollte. Offenbar ist ihm einfach danach, eben genau diesen Stil zu verfolgen und das ist ja auch sein gutes Recht. Tatsächlich finde ich das besser, als wenn er sich dazu zwingen würde, ein zweites „Blackwater Park“ zu schreiben, nur weil es viele Fans von ihm verlangen. Das kann nur nach hinten losgehen. So macht er weiterhin gute, ehrliche Musik, die viele Fans auch weiterhin begeistern kann. Mich holt es zwar leider nicht so sehr ab, aber die alten Alben sind ja nicht weg und laufen trotzdem regelmäßig. So oder so ist und bleibt Mikael Åkerfeldt ein großes Vorbild für mich.
Wie läuft das Songwriting bei Euch ab?
Ole: Bei uns ist es immer so, dass Volker (Gitarre- Anm.) und ich uns zusammensetzen und wir Grundgerüste für die Songs schreiben. Sobald die grob stehen, arbeitet die ganze Band zusammen daran weiter, bis sich alle einig sind und alle von der Qualität des Songs überzeugt sind. Dieses Mal haben wir tatsächlich alle Songs parallel geschrieben. Wenn wir an einer Stelle nicht vorangekommen sind, haben wir uns eben einen anderen vorgenommen, bei dem uns in dem Moment mehr einfiel. Vieles passiert einfach intuitiv und wir hören da einfach auf unser Bauchgefühl.
Könnt Ihr die Idee hinter dem „King Delusion“ etwas genauer erklären? Ist er es, den das (wirklich gelungene) Cover zeigt?
Raimund: „King Delusion” ist kein geschlossenes Konzeptalbum, aber dennoch stehen die Songtexte in einer Art thematischem Kontext zueinander. Es geht darum, wie man mit seelischen Belastungen umgeht, wie man sie verarbeitet oder wie sie einem Probleme im Alltag bereiten können. Dabei bezieht sich der titelgebende Song „King Delusion” darauf, wie man auf sein eigenes Verhalten in einem Zustand der Überforderung, der Ohnmacht oder übermäßigen Stresses zurückblickt. Manchmal hat man dann nämlich das Gefühl, dass Gesagtes oder Getanes einem selbst so fern liegt, als wäre es von einer anderen Person gemacht worden oder als hätte man unter dem Einfluss von jemandem gestanden, dem man sich ohne zu zögern hingibt. Wie bei einem König aus längst vergangenen Tagen, dem man, ohne Dinge zu hinterfragen, folgt. Hierfür steht „King Delusion” synonym.
Gerade im Metal muss man immer wieder einen Hang zur politischen Rechten hin bemerken. Von den gefeierten MGLA, die sich zwar als unpolitisch bezeichnen, sich aber inhaltlich nicht von ihrem bräunlichen Labelpartner Northern Heritage distanzieren können, über TOM ARAYA, der einem Schweizer Publikum erzählt, wie beschissen sie doch ohne das Recht, Schusswaffen zu tragen, dran wären, bis hin zu VARG VIKERNES höchstselbst, der sein White-genocide-Evangelium einer Zehntausendschaft von YouTube-Abonnenten verkündet: Wie nehmt Ihr dieses Thema wahr? Kann man als Musiker, also als Person des öffentlichen Lebens, unpolitisch sein? Kann man die Musik auch von der politischen Gesinnung ihrer Urheber getrennt bewerten?
Raimund: Das ist eine wirklich gute Frage und gerade in der aktuellen Situation, in der man vermehrt mit Populismus zu tun hat, der fast wie eine salonfähige Version des rechten Flügels verkauft wird, ist es nicht einfach, ruhig zu bleiben. Wenn es um NAILED TO OBSCURITY geht, so würde ich sagen, dass wir musikalisch eine unpolitische Band sind. Das bedeutet nicht, dass wir keine Einstellung zu Politik haben, aber Entsprechendes gehört nicht so sehr in den textlichen oder musikalischen “Kosmos” der Band. Ich denke, dass es gerade als Fan, der sich ja häufig im Detail für seine Lieblingsband interessiert, sehr schwer ist, die Musik von der Person, die sie geschrieben hat, zu trennen. So trifft es einen als Hörer häufig doch recht hart, wenn man bemerkt, dass man nicht unbedingt hinter dem Urheber der Musik bzw. dessen Einstellung stehen kann. Schlussendlich würde ich aber dennoch sagen, dass es jeder für sich entscheiden muss, ob er den Urheber und seine Musik getrennt betrachten kann. Das ist sicher auch mit der Person verbunden, die die Musik hört. Wer weiß, wo er selbst steht, kann sich auch Musik von “schrägen Vögeln” anhören und diese getrennt von der Person betrachten. Dennoch gilt für mich, dass Ausgrenzung und Rassismus keinen Support verdient.
Ole: Mir und auch den anderen in der Band geht es da genauso. Wir sind alle auf der gleichen Wellenlänge, was unsere politische Gesinnung angeht, wobei wir aber bewusst nichts Politisches in unsere Musik einfließen lassen. Wir alle haben ein Problem mit gewissen politischen Strömungen und wollen diese dann auch nicht durch das Hören der Musik unterstützen. Andererseits finde ich es auch nicht in Ordnung, wenn man zu voreilig urteilt. Oftmals weiß man ja gar nicht so genau, woran man ist, wie z.B. bei den besagten MGLA, bei denen es zwar einen Widerspruch gibt, sie sich ja aber dennoch von dieser Einstellung distanzieren. Da finde ich es dann auch schwierig, wenn man voreilige Schlüsse zieht und eine Band verteufelt, ohne zu wissen, ob das jetzt überhaupt angemessen ist. Das Thema ist sehr schwierig, zumal man ja häufig die Musik wirklich mag und man dann gewissermaßen dazu gezwungen wird, diese nicht mehr zu hören. Sobald es eindeutig rechte Tendenzen bei einer Band gibt, ist für mich aber klar, dass ich damit nichts zu tun haben möchte.
Um zu einem weniger schwierigen Thema zu kommen: Ich sehe für dieses Jahr nur fünf Konzerte gelistet. (Zu dem Zeitpunkt war der Support für DARK TRANQUILITY noch nicht bekannt gegeben worden – Anm.) Kommen da noch mehr?
Raimund: Da müsstest du unsere Seite ein wenig im Auge behalten... Wir haben soeben bekannt geben dürfen, dass wir der Toursupport für DARK TRANQUILLITY auf ihrer kommenden Europa Tour sein werden. Darüber hinaus haben wir aber auch noch weitere Dates, mit denen wir jeweils dann rausgehen werden, wenn alles Formelle geklärt ist. Unser Plan ist definitiv, so viele Konzerte wie nur möglich mit “King Delusion” im Gepäck spielen zu können.
Ole: Genau, das ist noch einiges in Planung. Mal sehen, was dann am Ende tatsächlich alles klappt.
Um beim Thema Tour zu bleiben: Ihr wart ja bereits u.a. mit ARCH ENEMY und PARADISE LOST unterwegs. Gibt es jemanden, mit dem Ihr unbedingt mal auf Tour wollen würdet?
Ole: Die Konzerte mit ARCH ENEMY und PARADISE LOST waren immer nur Einzelshows. So richtig “unterwegs” waren wir mit den Bands also nicht, weshalb ich beide direkt wieder mit in die Liste der Wunschtouren mit aufnehmen würde. Mit der Tour mit DARK TRANQUILLITY hat sich jetzt ein solcher Wunsch erfüllt, worüber wir überglücklich sind. Es gibt da aber noch unzählige andere Bands, die sehr gut passen würden und mit denen wir gerne mal spielen würden. Die Liste würde ich wohl den Rahmen sprengen.
Vor ein paar Tagen habt Ihr Euer zweites Musikvideo aus „King Delusion“, „Protean“, veröffentlicht. Darin zu sehen: Eine Frau, die in einem winterlichen Wald herumirrt… Könnt Ihr die Idee dahinter genauer erklären?
Raimund: Ich freue mich gerade ehrlich über deine Frage. Es ist tatsächlich so, dass wir uns darauf geeinigt haben, dass genau dieser Song „Protean” ein Story-Video bekommen soll, wir uns aber sehr schwer damit getan haben, wie man den Text umsetzen könnte, da er bewusst sehr diffus gehalten ist, und sich vielfältig deuten lässt. So scheint das Video hier doch den Kern des Textes gut getroffen zu haben, wenn es Fragen aufwirft.
Es geht darum, wie man mit unvollendeten Dingen im Alltag umgeht. Betrachtet man diese, ist es vergleichbar mit den unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten, auf denen man im Laufe seines Lebens geht. Manchmal ist der Boden fest und man lässt sich nicht vom Weg abbringen, aber manchmal ist es auch matschig und unwirtlich und man kämpft sich geradezu vorwärts. Das Video zeigt genau diesen Gang, den man in seinem Leben geht, wenn man Unvollendetes im Hinterkopf hat. Die Protagonistin entscheidet sich, den Weg zurück zu gehen, um es zu vollenden. Der Moment, in dem sie „ankommt” lässt sich dann wieder vielfältig deuten. Dass die Band (also wir) bereits weg ist, könnte entweder bedeuten, dass sie diese eine Sache nicht mehr zu Ende bringen kann. Es könnte aber auch bedeuten, dass sich das Problem, das sie belastet hat, bereits selbst gelöst hat, auch ohne ihr Zutun. Man darf also spekulieren...
Es ist faszinierend und eine positive Überraschung, wie viel Überlegung und interpretatorisches Potential in so einem, im Vergleich mit der Flut an inhaltslosen aber mit viel Effekthascherei behängten Musikvideos, eher schlichten, auf den ersten Blick unscheinbaren Clip stecken.
Von der Kunst zum Künstler: Worauf freut Ihr Euch in diesem Jahr?
Ole: Definitiv auf die Tour mit DARK TRANQUILLITY, aber auch auf die kleineren Konzerte/Touren, die wir gerade in Angriff nehmen und auch ein paar Festivals, auf denen wir spielen werden. Im Prinzip grundsätzlich auf’s Spielen! Natürlich sind wir nach wie vor auch gespannt, wie sich das Album nun entwickeln wird, nachdem es jetzt gerade frisch veröffentlicht wurde.
Es ist noch nicht zu späääät: Was war Euer No.1-Album 2016?
Ole: Ein Album, das mich so komplett umgehauen hat, gab es 2016 für mich glaube ich gar nicht. 2015 gab es da mit TRIBULATION - „The Children Of The Night“ und SECRETS OF THE MOON - „Sun“ ganz andere Kaliber. Ich glaube sogar, dass letzteres mir das Jahr 2016 etwas versaut hat, weil es erst so spät in 2015 rauskam und irgendwie ins nächste Jahr nachgehallt hat. Solche Meilensteine gab es in 2016 für mich nicht. „Magma“ von GOJIRA hat mir sehr gut gefallen, aber wanderte dann doch wieder recht schnell aus dem Player, weil mich dann doch nicht alles überzeugt hat. Das Album, auf das ich mich wohl am meisten gefreut habe und das obendrein meine Erwartungen übertroffen hat, weil die Band wieder etwas experimentierfreudiger geworden ist und ihre eigene Entwicklung vorangetrieben hat, ist „The Fall Of Hearts“ von KATATONIA. Ich bin einfach ein riesen Fan der Band und die hat hier einfach mal wieder amtlich abgeliefert.
Raimund: Ich kann mich Ole da grundsätzlich nur anschließen. Irgendwie hat das letzte Jahr nun nicht unbedingt DAS (!) Album hervorgebracht. Es gab das eine oder andere Album, das es für einen bestimmten Zeitraum in meine Stereoanlage geschafft hat, aber nichts, was mich langfristig gepackt hat. Am ehesten im Gedächtnis geblieben ist mir auch die aktuelle KATATONIA, aber eben auch “Theories Of Flight” von FATES WARNING und “Akroasis” von OBSCURA. Aber vielleicht war es auch so, dass wir so fokussiert auf unsere eigenen neuen Songs waren, dass wir vielleicht die Musik um uns herum nicht so intensiv wahrgenommen haben. :D
Danke, dass Ihr Euch die Zeit genommen habt!
Raimund: Auch danke für deine Zeit und dein Interesse an uns und unserer Musik!
- Nailed To Obscurity - Opaque (2013)
- Nailed To Obscurity - King Delusion (2016)