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Interview mit TEMPLE OF DREAD (19.08.2023)

TEMPLE OF DREAD

"Beyond Acheron" heißt das vierte Album des norddeutschen Death-Metal-Trios TEMPLE OF DREAD, heimst auf Musikreviews.de traditionell Lob ein (Punkteschnitt nach vier Alben: 12.75/15) und wartet mit einem Cover Artwork auf, das dem untoten Musikstil passgenau auf den verrottenden Wamst geschneidert ist. Markus Bünnemeyer (Gitarre, Bass) erklärt im Gespräch, warum es sich bei Musik wie Death Metal um die derzeit einzige nennenswerte Zeitmaschine handelt.

Hallo in den Norden und Hut ab zum vierten und zweifelsohne starken Album innert fünf Jahren – es scheint so, als hätten TEMPLE OF DREAD in dieser kreativen Hinsicht so ziemlich das Beste aus der Corona-Zeit mit all ihren Einschränkungen gemacht?!

Vielen Dank für Deine Einschätzung! So sehr mich die ganzen Corona-Beschränkungen auch belastet haben - als Mensch und Musiker bin ich daran gewachsen. Ich konzentriere mich in beruflichen, privaten und musikalischen Fragen nur noch auf das, was ich wirklich für wichtig und sinnvoll halte. In kreativer Hinsicht wusste ich noch nie so genau, was ich will und wohin die Reise führen soll.

"Beyond Acheron" ist ein eingängiges Album, das zweifelsohne mit der großen Kelle aus der Death-Metal-Ursuppe schöpft, allerdings auch andere Einflüsse souverän verwertet. Wie wichtig ist es für TEMPLE OF DREAD, sich nicht zu weit vom "Reinheitsgebot" des Death Metal zu entfernen, oder geht Ihr da ganz pragmatisch ran, frei nach dem Motto: "Klingt geil, so machen wir das!" – unabhängig vom Stil?

Die Death-Metal-Szene ist eine super-sympathische, allerdings auch ultra-konservative Gruppierung von Fanatikern, haha! Man unterliegt da durchaus Beschränkungen und es gibt jede Menge "No-Gos". Das ist aber auch gut so, denn was gut ist, muss nicht zwangsläufig verändert, sprich "verschlimmbessert" werden. Wir bei TEMPLE OF DREAD haben aber durchaus den Vorteil, dass wir a) nicht von der Musik leben müssen und b) nicht über so viele Fans verfügen, die uns jede Veränderung krumm nehmen würden. Wir sind schon frei in unseren Entscheidungen und testen die Grenzen auch punktuell aus.

"Damnation" erweist sich als unwiderstehlich eingängiger Midtempo-Kracher, in dem u.a. Slayer ("Seasons…") und frühe Amorphis anklingen, und der somit nicht nur bei mir wie eine Verjüngungskur wirkt. Ist Death Metal in dieser Hinsicht ein widersinniger Versuch, die eigene Jugend zu bewahren, ergo den Tod auf Abstand zu halten?

Das ist eine wirklich interessante und tiefsinnige Frage. Ich glaube, dass viele Menschen in den Siebzigern, Achtzigern und Neunzigern unfassbar von Musik berührt wurden. Auch wenn heute genauso viel – oder gar mehr – Musik konsumiert wird, glaube ich nicht, dass junge Menschen gegenwärtig noch eine derartige Beziehung zu ihren Idolen aufbauen. Somit stellt sich mir oft die Frage, ob nicht Bands wie die Rolling Stones – aber auch Dismember oder die Pet Shop Boys - heute nicht in erster Linie ein Lebensgefühl verkaufen, das alle Fans für die Dauer eines Konzertes wieder unbeschwerte Teenager sein lässt. Somit hast du vielleicht Recht: Musik ist die einzige aktuell funktionierende Zeitmaschine!

Ihr spielt Musik, wie sie seit rund drei Jahrzehnten von tausenden Bands ähnlich gespielt wird. Trotzdem gelingt es Euch, mich mit einem Song wie "All-Consuming Fire" mehr zu begeistern als Necrophobic mit dem Allermeisten, was sie nach "The Nocturnal Silence" veröffentlicht haben. Wie würdest Du dieses gewisse Etwas beschreiben, das einen Song Deiner Wahrnehmung nach aus der Masse heraushebt und ihm den Wert verleiht, von Euch aufgenommen zu werden?

Vielen Dank, das freut mich wirklich sehr. Als ich nach unserem Debut mit dem Schreiben von "World Sacrifice" begann, hatte ich plötzlich eine Panikattacke und dachte mir, dass ich die Erwartungen nicht erfüllen kann. Meine Frau sagte daraufhin zu mir folgendes: "Schreibe einfach Musik, die dir selbst gefällt. Du musst niemandem etwas beweisen!" Mit dieser Einstellung gehe ich nun an jeden neuen Song ran – und es klappt vorzüglich! Ich versuche dabei stets, alles an unnötigem Ballast und eventuell egoistischen Selbstdarstellungen zu vermeiden. Jeder unserer Songs ist somit die Quintessenz der anfänglichen Song-Idee, reduziert um das, was niemand braucht.

Welche "Beyond…"-Anekdote ist es wert, geteilt zu werden?

Den Song "Asebeia" habe ich in weniger als 15 Minuten geschrieben! Beim Jammen lief zufällig mein Recorder mit und ohne mir Gedanken zu machen, floss ein Riff nach dem anderen aus mir heraus. Das Endergebnis waren zwei Minuten Krach in Reinform, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass diesem Song irgendetwas fehlt. Zack – fertig!

Glücklich mag sich schätzen, wer einen so fähigen Produzenten wie Jörg Uken als Trommler an Bord hat, so dass dieser praktischerweise die Aufnahmen und deren Nachbearbeitung übernehmen kann. Seine Keyboard-Einsprengsel zwischen Kniefall vor King-Diamond-Spuk und megalomanischem Soundtrack verleihen Euren wuchtigen Nummern noch etwas Eigenes, Sublimes… Gilt also für TEMPLE OF DREAD "never change a winning team"?

Jörgs Einfluss auf unseren Sound und unsere Songs ist ein absolut wesentliches Merkmal von TEMPLE OF DREAD. Er kommt immer wieder mit guten Ideen um die Ecke und seine symphonischen Arrangements auf "Beyond Acheron" finde ich absolut phänomenal. Ich hoffe sehr, dass sich an dieser Konstellation nichts ändern wird.

Wie in meiner Rezension erwähnt, erweist sich das Cover-Kunstwerk von Paolo Girardi als absoluter Hingucker, der eine Auflage als Poster verdient hat. Wie oft bzw. lange hast Du Dich in der Betrachtung dieses Meisterwerks bereits verloren, und was bedeutet es Euch, mit einem solchen Blickfang aufwarten zu dürfen?

Ich habe mich in den vergangenen Jahren sehr gut mit Paolo angefreundet. Er schätzt unsere Musik und versteht meine Visionen perfekt. Aber als er mir das Fährmann-Artwork präsentierte, traute ich meinen Augen nicht: Aus meiner Sicht das beste Death Metal Artwork seit ewigen Zeiten! Ich liebe es und verliere mich tatsächlich immer noch regelmäßig in der Betrachtung der vielen Details. Und ja – wir haben mittlerweile Poster davon fertigen lassen!

Für "Beyond Acheron" erhaltet Ihr von der Presse viel – zum Teil überschwängliches – Lob, doch bislang spiegelt sich das nicht in vergleichsweise niedrigen Zugriffen bei YouTube. Ein Album, das sowohl im Metal Hammer wie auch im Deaf Forever so gefeiert wird, sollte von mehr Hörern entdeckt werden als bislang geschehen, oder?

Das sehe ich auch so. Aber ich verstehe die moderne, digitale Welt eh nicht: Wenn ich sehe, wie viele Streams teilweise völlig unbekannte und – sorry – belanglose Bands mit Spotify erzielen, frage ich mich, warum wir da nicht mal ansatzweise mithalten können. Allerdings verkaufen wir durchaus zufriedenstellend physische Tonträger – und das ist mir tausendmal lieber!

Mancherorts war zu lesen, dass für die Songtexte einmal mehr ein Freund von Euch mit psychologischem Know-How verantwortlich zeichnet. Ein Spezialagent hat mir zudem unlängst geflüstert, dass die Zeilen "raw tongue, fevers, burning head, rotting stomach empties green and black" im Song "The Plague" auf übermäßigen Alkoholkonsums und dessen unappetitliche Folgen hindeuten könnten. Ein klarer Fall von okkultem Hangover?

Unser Texter Frank ist einer meiner langjährigsten und besten Freunde. Seine Text-Ideen finde ich immer großartig. Ob du es glaubst oder nicht – als ich den Text zu "The Plague" erstmalig gelesen hatte, hatte ich Frank die gleiche Unterstellung gemacht: Da war doch Alkohol im Spiel! Aber der Ausdruck "okkulter Hangover" ist grandios, haha!

"Beyond Acheron" erscheint pünktlich zum Party.San und Du hast bereits erklärt, dass, wenn es mal für TEMPLE OF DREAD auf die Bühne ginge, Ihr gerne auf diesem Festival spielen würdet. Angenommen, Du könntest eine Listening Session zum neuen Album an einem Ort Deiner Wahl veranstalten, um der Atmosphäre des Albums einen würdigen Rahmen zu geben – wo würde sie stattfinden? Und was würdest Du an Speis und Trank dazu reichen?

Ein Auftritt auf dem Party.San wäre mein persönlicher Traum – ich hoffe, dass er sich irgendwann erfüllt! Aber für eine Listening Session fallen mir auch ein paar nette Locations ein, zum Beispiel die Krypta im Kölner Dom. Anschließend geht`s dann natürlich ins griechische Restaurant "Tartarus"!

Danke, Markus, für Deine Zeit und für ein so starkes Album, und alles Gute beim Bolzen-Werfen am Rande der Vernunft!

Vielen Dank! Cheers!

Thor Joakimsson (Info)
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