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Interview mit CANIS DIRUS (21.07.2019)
Das Duo CANIS DIRUS dürfte in Europa bislang nur wenigen bekannt sein. 2009 erschien das Debüt "A Somber Wind From A Distant Shore", 2012 folgte "Anden Om Norr"; zwei Alben mit atmosphärisch dichtem Hinterwäldler-Black-Metal aus Minnesota, die hierzulande wenig Beachtung fanden. Nach einer siebenjährigen Pause erschien unlängst unter dem Titel "Das Leben ist für die Lebenden, der Tod ist für alle" ein - Vorsicht, der wird flach! - Lebenszeichen von Todd Paulson und Rob Hames, wobei es sich offenkundig um alte Aufnahmen handelt. Diese bilden quasi eine Brücke in die Gegenwart, in der es einige Neuigkeiten zu vermelden gibt, wie Todd im ersten Teil des folgenden Interviews bestätigt.
Hallo Todd, schön dass Du Dir Zeit nimmst! In dem endlosen Strom neuer Musik, der sich jeden Tag im Wyrd Wide Web ergießt, bin ich kürzlich auf die "neue" EP von - Eurer Band oder Eurem Projekt? - CANIS DIRUS aufmerksam geworden, die, soweit ich weiß, zwei "alte" Songs enthält, die bereits vor einigen Jahren aufgenommen wurden. Warum habt Ihr sie erst jetzt veröffentlicht, warum habt Ihr Euch für einen deutschen Titel entschieden, und dient diese EP als Bindeglied zwischen der Vergangenheit und der Zukunft von CANIS DIRUS?
Todd: Hallo Thor, schön, mit dir zu reden. Nun, obwohl nur Rob Hames und ich die Band bilden, erachten wir CANIS DIRUS zweifelsohne als eine Band. Ehrlich gesagt, wir entschieden uns, diese beiden Songs zu veröffentlichen, um wieder im Musik-Underground vorstellig zu werden. Aus verschiedenen persönlichen Gründen mussten wir eine Pause von sieben Jahren einlegen, nachdem wir "Anden Om Norr" veröffentlicht hatten. Als wir vor kurzem beschlossen, neues Material für ein weiteres Langspielalbum zu schreiben, entdeckte ich diese beiden Songs auf einer alten Festplatte, von der ich dachte, dass sie aufgrund von Flutschäden in meinem alten Haus für immer verloren wäre. Wir finden, dass die Songs, obwohl sie vor zehn Jahre entstanden, auf einem Niveau sind, das eine Veröffentlichung als (vorerst) digitale EP auf unserer Bandcamp-Seite rechtfertigt. Also habe ich sie remixt und gemastert. Als wir damals den Titelsong aufnahmen, gab ich ihm diesen Namen: "Das Leben ist für die Lebenden, der Tod ist für alle". Aus welchem Grund auch immer haben Rob und ich beschlossen, dass die deutsche Übersetzung einfach besser klingt als z.B. die englische Version.
Im zweiten Song "Garden Of Death" erzählt Ihr die tragische Geschichte eines Naturliebhabers, der das zerstörte, was er am Meisten liebte und sich am Ende das Leben nahm. Ich schätze, dass diese Geschichte nicht nur für Anhänger von Natur-inspiriertem Black Metal einen ultimativen Albtraum darstellt, mehr noch eine Warnung, wie leicht wir im Leben scheitern können, selbst wenn wir für recht bescheidene und lebensbejahende Ansichten eintreten. Wie seid Ihr auf diese Geschichte aufmerksam geworden und inwiefern hat Euch dieses Gefühl des Grauens befallen und inspiriert? Angesichts der realen Zerstörung ist der Klang der züngelnden Flammen am Ende des Songs wirklich furchteinflößend...
Nun, zunächst einmal danke für diese Wahrnehmung, denn genau das war mein Ziel: Der Klang der Flammen am Ende sollte die Hörer beunruhigen. Diese Geschichte ereignete sich gar nicht so weit entfernt von dem Ort, an dem ich lebe, im Norden unseres Bundesstaats. Zwar sind es bis dorthin immerhin rund viereinhalb Stunden Fahrt mit dem Auto, doch ich konnte den Rauch von meinem Haus aus sehen. Die Lokalnachrichten waren voll davon und ich verfolgte die Ereignisse bis zu dem Punkt, an dem sich Herr Posniak das Leben nahm. Das Ganze ist einfach sehr tragisch und ich möchte klarstellen, dass mich sein Suizid in keiner Weise inspiriert hat. Vielmehr dachte ich immer nur darüber nach, wie schrecklich es für ihn gewesen sein musste, zu erkennen, dass ein kleiner Fehler, nämlich sein Lagerfeuer nicht vollständig zu löschen, unter dürreähnliche Bedingungen dazu führte, dass mehrere Tausend Morgen Wald den Flammen zum Opfer fielen. Just jener Wald, den er so sehr liebte. Letztendlich führte das dazu, dass er wohl fühlte, keine andere Wahl zu haben (aus welchen Gründen auch immer), als sein eigenes Leben zu beenden. Für eine Band wie uns, die Gefühle von Verlust oder Trauer in ihrer Musik transportiert, war es wohl naheliegend, diese Episode aufzugreifen und sich so damit zu beschäftigen.
Eure ersten beiden Alben wurden von Moribund Records veröffentlicht, und ich muss zugeben, dass ich diesen Namen gefühlt seit einer Ewigkeit nicht mehr gehört habe. Wie auch immer, Rob und Du, Ihr wart beide Label-Inhaber - was hat Euch damals trotzdem dazu bewogen, mit Moribund zusammenzuarbeiten? Bestand die Hoffnung, via Moribund mehr Menschen auf CANIS DIRUS aufmerksam zu machen als via Ars Magna oder God is Myth Records (übrigens ein großartiger Name für ein Label)?
Hahaha! Ich muss zugeben, dass der Name "God is Myth Records" jener Impuls von mir in der Musikbranche ist, mit dem ich heute noch am Meisten zufrieden bin. Und was Moribund betrifft, hast du den Nagel auf den Kopf getroffen: Wir haben zu der Zeit einfach entschieden, dass Moribund das beste Label für uns ist, da seine Veröffentlichungen weltweit vertrieben werden. Also haben wir einen Vertrag über zwei Alben für zehn Jahre mit ihnen unterschrieben, der im August diesen Jahres ausläuft.
Während der musikalische Einfluss von Burzum mehr als offensichtlich ist, was für Tausende von Bands auf der ganzen Welt gilt, verwirklicht CANIS DIRUS diese Art von meditativem natur-inspirierten Black Metal mit bemerkenswerter Freiheit, und Eure Kompositionen überraschen mit Passagen, die über herkömmliche Burzum-Interpretationen hinausweisen, sich jedoch sehr gut einfügen und auf natürliche, ungezwungene Weise zur Atmosphäre und Spannung beitragen. Würdest Du zustimmen, dass dies ein wichtiger Ansatz ist, um nicht nur eine weitere Band unter unzähligen anderen zu sein?
Wir sind von Anfang an als "Suicidal Black Metal“ und als "Burzum-ähnlich" eingestuft worden, und um ehrlich zu sein, nervt es mich ein bisschen. Verstehe mich nicht falsch, ich schätze den Burzum-Vergleich auf jeden Fall, weil ich diese Musik immer gemocht habe. Aber meiner Meinung nach ist unsere Musik eben mehr als nur das. Und ich würde hinzufügen, dass du als einer von wenigen tatsächlich auf diese Spannung zu sprechen kommst, die wir zu erzeugen versuchen, und darauf, dass wir mit Details aufwarten, die nicht unbedingt zur engstirnigen Interpretation von "echtem" Black Metal passen. In diese Richtung sind wir mit unserem neuen Material drei, vier Schritte weitergegangen.
Ihr spielt keine außergewöhnliche, jedoch zweifelsohne persönliche Musik an, die mich trotz einiger kleiner Mängel und der Verwendung eines Drum-Computers (für mich normalerweise ein No-Go) mehr fasziniert als die meisten Aufnahmen in diesem Genre. Und offensichtlich beschränkt Ihr Euch nicht auf einen bestimmten Stil, denn der Song "Paralyzed We Stand..." hätte auch von einer melodisch-melancholischen Metal-Band aus den Neunzigern als atmosphärisches Interludium geschrieben worden sein können. Daher nehme ich an, dass Ihr viel verschiedene Musik hört?
Oh, absolut! Sowohl Rob als auch ich sind mit dem Metal der 80er / 90er Jahre aufgewachsen, also ziehen wir als Black-Metal-Band Einflüsse aus vielen verschiedenen Arten von Rock und Metal heran. Es mag in unseren Kompositionen nicht immer offensichtlich durchscheinen, aber diese Einflüsse sind auf jeden Fall vorhanden und lauern unter der Oberfläche.
Hin und wieder beschreibe ich meine Wahrnehmung einer bestimmten Art von Black Metal als eine Form fast meditativen Schauens von Naturlandschaften, quasi einer ungezwungenen Form von Gottesdiensten mit dem Wald oder anderen nahe natürlichen Umgebungen anstelle von Kirchen. Aus der Perspektive eines damit nicht vertrauten Betrachters könnte man Eure drei sehr ähnlichen Album-Cover als langweilig betrachten („immer das gleiche, keine neuen Ideen“). Doch während scheinbar eintöniger Black Metal von vielen „cleveren“ Leuten längst als tot erklärt wurde, ist er im Metal-Underground zu einer eigenen Tradition geworden, und Menschen auf der ganzen Welt spielen diese Musikform mit großer Leidenschaft und ernsten Ideen dahinter. Kannst du Eure Motivation beschreiben und erklären, warum die Faszination immer noch so groß ist?
Ich kann nur für Rob und mich selbst sprechen, und sagen, dass das Feuer in uns immer noch sehr stark brennt. Tatsächlich waren diese Flammen in mir fast erloschen, weil ich kurz nach der Veröffentlichung von "Anden Om Norr" eine Menge heftiger persönlicher Probleme hatte. Aber mit der Zeit wurde aus der Glut glücklicherweise wieder ein tobendes Inferno. Was das Gefühl oder die Atmosphäre der Album-Cover anbelangt, so ist unsere Musik auf den ersten beiden Scheiben ebenso wie auf der jüngst veröffentlichten EP, die sozusagen kein "neues" Material enthält, stark von der Natur inspiriert. Und ehrlich gesagt, haben wir nie einen Gedanken darüber verschwendet, dass sie alle sehr ähnlich aussehen. Wir haben einfach das Artwork / Layout gewählt, von dem wir dachten, dass es die Musik zu dieser Zeit repräsentiert. Da wir einerseits als Menschen gewachsen sind, und ich andererseits ja bereits einige bedrückende Erfahrungen der letzten Jahre angedeutet habe, wird sich dies in der neuen Musik, den Texten und der damit verbundenen Kunst definitiv widerspiegeln. Doch alles, was wir machen, wird immer unsere Verehrung der Natur beinhalten.
Inwieweit spiegelt Eure Musik die Sehnsucht nach vergangenen Zeiten und einstigen Natur-Szenarien, und inwiefern wurzelt sie in den Landschaften vor Eurer Haustür, die Ihr heute aufsucht und die Euch inspirieren und Erholung verschaffen?
Unsere Musik ist von vielen Dingen beeinflusst, doch zunächst war sie fast ausschließlich in der wunderschönen Landschaft unserer Heimat verwurzelt, genauer gesagt am Nordufer des Lake Superior im Norden von Minnesota. Ich lebe in einer kleinen Bauernstadt namens Hanover, in der nur etwa 2900 Menschen leben. Es gibt viele schöne Seen und Wälder in meiner Nähe, die sehr leicht zugänglich sind. Tatsächlich habe ich die Texte zu einem unserer neuen Songs geschrieben, während ich auf einem ziemlich großen Hügel saß, von dem aus sich eine weite Fläche von Birken, Eschen und Kiefern überblicken lässt. Es war eine unglaubliche Erfahrung, einfach dort zu sitzen, und die Eindrücke so auf mich wirken zu lassen, dass dieser Text einfach so entstand.
Du hast kürzlich zwei kleine Teaser von Songs veröffentlicht, die auf Eurem kommenden Album zu hören sein werden. Während mich „Father“ an die frühen (und besseren) Tage von OTWATM erinnert, scheint "The Child And The Serpent" eine Weiterentwicklung Eures Black Metals zu sein. Welche Informationen über Euren dritten Streich kannst Du uns zum jetzigen Zeitpunkt verraten?
Ich freue mich, hiermit mitteilen zu können, dass wir kürzlich einen neuen Vertrag mit Bindrune Recordings aus Traverse City, Michigan, unterzeichnet haben. Wie Du wahrscheinlich weißt, arbeiten sie mit dem angesehenen schwedischen Label Nordvis im Hinblick auf Europa zusammen. Wir sind sehr froh, dieses neue Kapitel schreiben zu können, allerdings gilt es noch einige Arbeiten zu erledigen. Wir werden den Albumtitel und das Cover-Artwork in den kommenden Tagen oder Wochen enthüllen, doch ansonsten kann ich an dieser Stelle noch nicht wirklich viel verraten. Sowohl als Menschen als auch als Musiker haben wir uns verändert und sind gewachsen. Und diesmal haben wir uns sehr bewusst darum bemüht, einige neue Farben und Einflüsse in unseren Sound einzubauen. Das neue Material klingt weiter nach CANIS DIRUS, doch wir haben unsere Kompositionen insofern variiert, als dass Doom-Metal- und Post-Rock-Einflüsse zu Tage treten. Und wie du bereits erkannt hast, haben wir uns entschlossen, einige Neofolk-Songs im Stil von OTWATM und Death In June zu schreiben. Mir war es wichtig, dieses Mal ein abwechslungsreiches Album aufzunehmen, und ich schätze, die meisten Hörer dürften mir zustimmen, dass uns das auch gelungen ist.
Todd, Du hast kürzlich ein T-Shirt-Design entworfen, sogar den keltischen Rahmen für den Rückendruck selbst gezeichnet. Du betreibst also viel mehr Aufwand, als sich wahrscheinlich in Geld oder Anerkennung durch viele Leute auszahlen wird. Was treibt Dich an, buchstäblich Dein Herzblut in diese Arbeit fließen zu lassen, und wer inspiriert Dich mit ähnlich starken DIY-Ansätzen?
Ja, ich war schon immer künstlerisch veranlagt. Ich liebe es, zu skizzieren und zu zeichnen, probiere mich in digitaler Bearbeitung aus, und habe kürzlich begonnen, Aquarelltechniken zu erlernen. Ähnlich wie das Schreiben von Musik, wirkt Kunst für mich sehr kathartisch. Und was CANIS DIRUS angeht, ist es ein zweischneidiges Schwert: Erstens habe ich ja vielleicht bereits erwähnt, dass es für mich sehr schwer ist, die Kontrolle abzugeben, deshalb bevorzuge ich es, das Album-Artwork mitsamt Layouts sowie die T-Shirt-Designs selbst zu gestalten. Und zweitens spielen wirtschaftliche Aspekte eine Rolle: Wir haben einfach kein Budget, das es uns ermöglicht, mal eben 1000 Dollar mehr für Artwork auf den Tisch zu legen. So etwas hatten wir bereits... Es gibt tatsächlich viele Leute, die mich mit einer ähnlichen DIY-Herangehensweise inspirieren, und mir kommen sofort Austin Lunn von Panopticon und Chet Scott von Blood of the Black Owl in den Sinn.
Die werten Kollegen von Heathen Harvest haben Eure Musik als "Environmental Black Metal" bezeichnet. Ich bin mir nicht sicher, inwiefern die jüngsten politischen Entwicklungen in Eurem Land mit denen in Europa verglichen werden können (oder ob sie noch fragwürdiger sind), aber hier herrscht derweil eine ziemliche Hysterie in Bezug auf Umweltfragen, und zahlreiche Menschen sind viel zu aufgebracht, um zu differenzieren und überhaupt noch ihrem Gegenüber zuzuhören. Selbst der Respekt gegenüber Kindern geht den Bach runter (wobei Greta Thunberg besonders von den Rechten hasserfüllt ins Visier genommen wird), und vernünftige Ideen und Visionen sind selten. Inwieweit könnte "Environmental Black Metal" in dieser Zeit von Nutzen sein - und sei es "nur", um über uns Menschen hinausweisende Zusammenhänge in den Blick zu nehmen und der eigenen Seele etwas Ruhe zu verschaffen?
Das ist eine schwierige Frage, mein Freund. Ich denke, der Grund, warum Sage (Weatherford, Redakteur bei Heathen Harvest) uns als "Öko-Black-Metal" bezeichnet hat, liegt darin begründet, dass viele unserer Songs und Bilder von der Natur sowie der Dichotomie der schönen / gewalttätigen Natur und des hiesigen Wetters inspiriert sind. Lass mich jedoch ganz klar sagen, dass CANIS DIRUS niemals eine politische Band war und wird. Wir als Individuen haben sehr starke politische Überzeugungen und lassen manchmal einen Teil davon in einen oder zwei Texte einfließen, aber wir sind nicht hier, um irgendeine politische Erklärung abzugeben. Das werden wir anderen überlassen.
Todd, danke für deine Zeit, ich hoffe, wir haben erstmal nichts Wichtiges vergessen?! Ich bin gespannt, wie es mit CANIS DIRUS weitergehen wird - viel Glück!
Auch im Namen von Rob danke ich dir von Herzen für dein Interesse und deine Unterstützung von CANIS DIRUS!
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