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Interview mit Fragments Of Unbecoming (27.10.2018)

Fragments Of Unbecoming

Zu den größten Überraschungen des Jahres im finsteren Metal gehört für mich das grandiose sechste Album von FRAGMENTS OF UNBECOMING. Auf "Perdition Portal" herrscht Schädel-spaltender Melodic Death Metal, der abwechslungsreicher und intensiver kaum erklingen könnte, und der jedem Fan dieses Stils einfach gefallen muss, weil er mit so viel Hingabe, Herzblut und Finesse gespielt wird. Grund genug also, auch noch einige Monate nach Veröffentlichung dieses Hammer-Albums bei der Band anzuklopfen und sich mit einigen Fragen zu "bedanken".

Hallo! Musiker und Hörer haben ja häufig Alben ganz unterschiedlich "im Visier" bzw. im Gehör: Für die Band, welche froh ist, die lange währenden Arbeiten endlich hinter sich gelassen zu haben, handelt es sich nicht selten um etwas gefühlsmäßig Abgeschlossenes. Hörer hingegen entdecken das "neue" Album zeitlich später und haben ggf. ihre helle (oder eben dunkle) Freude daran, in die Musik einzutauchen und bei jedem Hören neue Details zu entdecken, sich von der Power der Songs anstecken und begeistern zu lassen. Diese Freude an der Musik hält bei mir nun bald ein halbes Jahr an und "Perdition Portal" dürfte eines meiner meistgehörten Alben anno 2018 werden, denn es zieht mich einfach gnadenlos in seinen Bann. Steht Ihr diesem Meisterwerk bereits wieder kritischer gegenüber und was bedeutet Euch "Perdition Portal" mit ein bisschen Abstand?

Christopher: Hallo Thor! Erstmal danke für das Interview, gerade nach einiger Zeit ist es uns eine Ehre. Wir sind tatsächlich immer noch mächtig stolz auf "Perdition Portal". Es ist, ich spreche da für die gesamte Band, ein wirklich rundum gelungenes Album geworden. Normalerweise hat man nach dem Recording erstmal die Schnauze voll von den Songs. Dieses mal jedoch hat jeder von uns das Album immer wieder aufgelegt und einfach so zum Spaß gehört. Und selbst nach einem halben Jahr zocken wir fast das komplette Album bei einer Probe noch durch. Das spricht für sich. Die Songs sind einfach allesamt stark und sehr abwechslungsreich. Für die Hörer, aber ebenso für uns als Musiker.

Mir gefällt an "Perdition Portal" im Grunde fast alles, vor allem jedoch die Konsequenz, wirklich jedes Lied von vorne bis hinten ohne halbgare Das-spielen-wir-so-weil-man-das-halt-so-macht-Passagen zu zocken, sondern wirklich jedes noch so kleine Detail macht Sinn, und dramaturgisch und dynamisch wüsste ich keine Kritik anzubringen. Ich stelle mir das anspruchsvoll vor, im Studio so fokussiert zu bleiben, um das so beeindruckend hinzubekommen. Habt Ihr Euch da gegenseitig angefeuert und zur Not mal in die Ärsche getreten?

Christopher: Die Songs stehen bei uns immer schon komplett bevor wir aufnehmen. Im Studio werden dann nur noch Feinheiten verändert, gerade wenn man sich mal die Songs in aller Ruhe anhören und bewerten kann. Hier mal eine Drum-Variation, da noch eine kleine Melodie oder Rhythmikänderung. Kohle vom Kohlekeller Studio hat mit Ingo die Drums aufgenommen und ihn da schon manchmal in den Arsch getreten, um das letzte bisschen herauszuholen und auch mal einen Fill zu spielen, den er normalerweise nicht so spielen würde. Das war super!
Stefan hat dann die Gitarren aufgenommen. Er meinte danach nur: "Eigentlich war ich nach dem ersten Einspielen erst so richtig warm und hab mir gedacht, dass ich das noch besser hinbekomme." Und hat die kompletten Gitarren einfach ein zweites Mal aufgenommen. Erst dann war er so richtig zufrieden. Ebenso hat er bei ein paar Songs meine Bassaufnahmen verworfen und gemeint, ich solle es grad nochmal machen. Gehasst hab ich ihn dafür, haha. Aber er hat am Ende Recht behalten, so ist es wirklich gut geworden.

Ich meine auf "Perdition Portal" wiederholt "guten, alten" Metal mit einer epischen Note zu vernehmen, der sogar versöhnlich und einladend klingt. Erlebt Ihr das selbst auch so, dass mit zunehmendem Alter die persönlichen Wurzeln im Heavy Metal zunehmenden Einfluss auf die eigene Musik gewinnen und in den Kompositionen durchschimmern?

Stefan: Die Musik entsteht bei uns aus dem Bauch heraus und ich finde das alle Songs auf dem Album sehr unterschiedlich klingen, auch wenn es im Prinzip alles Death Metal ist. Wir haben verschiedene Einflüsse, da es ja mittlerweile so viele Spielarten des Metal gibt, und da kommt natürlich auch der traditionelle Heavy Metal zum tragen. Das alles passiert aber wie gesagt eher spontan.

Die Produktion ist druckvoll wie nur was geraten, gleichzeitig lässt sie viel Raum für Subtiles, und wie in meinem Review geschrieben ist z.B. der atmosphärische Beginn von "All Light Swallowed" ein erhabener Hörgenuss, der mich an magische Momente in den Neunzigern erinnert. Auch hier die Frage: Wie viel Arbeit und Nerven waren für solchen Feinschliff vonnöten?

Christopher: Wir haben "All Light Swallowed" bereits 2015 auf der "Imperial Anthems" zusammen mit December Flower veröffentlicht. Den Anfang hatten wir uns damals schon parat gelegt und mussten ihn nur noch ein wenig anpassen. An sich arbeitet Stefan die Songs im voraus in puncto Gitarrenarbeit schon sehr fein aus, lediglich ein paar filigrane Soli oder Melodien fehlen. Die ergänzt dann Sascha. Die beiden wissen genau, was der andere an welcher Stelle haben möchte. Insofern schleifen wir da gar nicht mehr soo viel herum.

Die meisten Reviews, die ich zu "Perdition Portal" gelesen habe, fielen ziemlich euphorisch aus, dennoch habe ich selbst kein Interview zum neuen Album gelesen. Bin ich blind, oder seid Ihr als Band einfach nicht spannend genug, weil Ihr Eure Gesichter nicht unter Kapuzen und hinter dunklen Tüchern versteckt, sondern eben die Musik für sich selbst sprechen lasst?

Christopher: Da sprichst du uns aus der Seele. Wir haben wirklich bisher keinen Verriss des Albums gelesen. Diejenigen, die ein Review geschrieben haben, waren immer sehr begeistert. Klar kommt das üblich "erfinden das Rad nicht neu", aber darum geht’s uns ja auch gar nicht.
Leider passiert live und auch interview-mäßig extrem wenig, obwohl das neue Album wirklich stark ist. Es gibt kaum Anfragen in beiden Bereichen. Keine Ahnung, woran das liegt. Wir würden es gern ändern, allerdings wollen wir nicht auf mystische böse Buben machen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Das sollte weiterhin die Musik für uns erledigen.

Meiner Erinnerung zufolge das erste Mal von Euch gelesen habe ich wohl in dem kopierten Nebelmond-Fanzine (frühe 2000er). Nun führen wir dieses Interview für ein mittelgroßes Online-Magazin, und selbst die 23. Ausgabe des Eternity kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Papier-Fanzines leider nicht mehr den Stellenwert haben wie vor 20, 30 Jahren. Welche Medien nutzt Ihr, um musikalisch so halbwegs auf dem Laufenden zu bleiben, und was haltet Ihr von Video-Angeboten wie z.B. Krachmucker TV oder Rauta, die auch mal Musik, -Szene, -Geschichte und -Geschäft in größeren Zusammenhängen diskutieren?

Christopher: Stefan hat das Deaf Forever abonniert, welches ich meistens danach bekomme. Da steht immer einiges gutes, neues Zeug drin. Ansonsten informiere ich mich über Facebook oder YouTube. Da aber das Angebot einfach so riesig ist, kann man da unmöglich den Überblick erhalten. Wir tauschen auch innerhalb der Band immer wieder neue Musik aus, Stefan und ich sind passionierte CD/LP-Käufer. In Krachmucker TV habe ich mal reingeschaut, wurde aber nicht richtig warm damit.

Aus Euren Texten geht hervor, dass Ihr gewisse menschliche Neigungen mit Skepsis oder Ablehnung betrachtet. Auf politischer und sozialer Ebene gibt es ja aktuell mehr als genug Anlass, um eine klare Position gegen bestimmte Entwicklungen einzunehmen, doch was macht Euch trotz alledem Mut und wie viel Kraft zieht Ihr aus Eurem Treiben mit FRAGMENTS OF UNBECOMING, um manch Gruseligem im Alltag selbstbewusst zu begegnen?

Sam: Wir schöpfen viel Kraft aus unserem musikalischen Schaffen, aus unserer Freundschaft, die uns all die Jahre neben der Musik verbindet, und in Anbetracht des reichlich absurden Weltgeschehens, irgendwo auch der Gedanke, die Dinge sowohl lustiger und ernster zu nehmen, als sie es verdienen. Es hat etwas Befreiendes, sich den Frust von der Seele zu spielen und hinaus in die Welt zu schreien. FRAGMENTS OF UNBECOMING waren zudem noch nie eine rein politische Band und wir haben uns auch noch nie auf ein bestimmtes politisches oder soziales Thema reduziert oder reduzieren lassen, wenn wir ein Album schreiben. Als Freidenker ist uns der Geist der persönlichen und selbstbestimmten Freiheit wichtig. Die Verklärung von pseudo-elitärem Getue, Konformismus und Faschismus werden daher in unserer Gedankenwelt niemals einen Platz finden.

Mit dem Programm von Apostasy bin ich ehrlich gesagt nicht näher vertraut, doch die neuen LPs von Euch und den Night in Gales sind auf jeden Fall schön geraten. Wie zufrieden seid Ihr mit der bisherigen Zusammenarbeit und welchen Sinn macht es Eurer Einschätzung nach heute überhaupt noch, bei einem Label, noch dazu einem relativ kleinen, anzuheuern?

Christopher: Gute Frage... Wir waren sehr froh, dass Tomasz uns bei Apostasy angenommen hat, er hat einen tollen Backkatalog. Es ist, gerade wenn man CDs und LPs machen möchte, wirklich ein ordentlicher Batzen Geld, den man investieren muss. Da waren wir froh über die Unterstützung eines Labels. Es macht also schon Sinn.

Welche Ziele und Träume wollt Ihr mit FRAGMENTS OF UNBECOMING noch verwirklichen?

Christopher: Wir hoffen, noch viele weitere tolle Alben veröffentlichen zu können. Live spielen wäre mal wieder was, aber da ist schon etwas in Planung für Anfang 2019. Auch das ein oder andere Festival mitzunehmen, wäre cool. Zum 20-jährigen Jubiläum 2020 wollen wir uns ein paar Sachen einfallen lassen, an denen arbeiten wir gerade schon. Also: lasst euch überraschen!

Danke, dass Ihr Euch die Zeit für meine Fragen genommen habt, und lasst Euch auch mit dem nächsten Album ruhig Zeit, wenn Ihr dann noch mal einen Kracher dieser Gewichtsklasse raushaut!

Christopher: Dank dir für dieses Interview!

Thor Joakimsson (Info)
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