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Interview mit John Bassett (29.03.2014)
John Bassett zeigt sich wie immer redselig im Interview, was seiner aussagekräftigen Musik entspricht ... ob mit KING BATHMAT oder solo.
Wann hattest du die Idee zu diesem Soloalbum zum ersten Mal?
Ich wollte schon immer ein akustisches Album machen und mich dabei in erster Linie auf traditionelle Song-Strukturen beschränken. Ich weiß noch, als ich das Gitarrenspielen lernte, war mir eher daran gelegen, mir originelle Gesangsmelodien zu Akkorden auszudenken, als einfach nur bekannte Stücke anderer zu üben. Stundenlang verbrachte ich damit, in Akkordtabellen zu stöbern und mit verschiedenen Klangfarben zu experimentieren, was ich dann mit einem Kassettenrekorder aufnahm. Das Ergebnis nahm ich dann mit in die Garage meiner Eltern und hörte es mir an, während ich eine dazu rauchte: Musik, die es wenige Stunden zuvor noch nicht gegeben hatte. Mit "Unearth" wollte ich dieses Gefühl wieder heraufbeschwören, bloß eben anständig produziert mit vollendeten statt halbfertigen Liedern.
Wo rührt dein Interesse an menschlicher Paranoia her?
"Just because your paranoid, don't mean their not after you ..." Man sollte mit dem Alter eigentlich weiser werden, aber mir kommt es so vor, als verstünde ich immer weniger von der Welt. Erst als ich mich selbstständig machte und dabei moderne Technologien nutzte, begann ich überhaupt, mir Gedanken über den Zustand der Menschheit zu machen. Dabei bemerkte ich, dass gewisse numerische Muster unnatürlich oft in angeblich willkürlichen Umgebungen auftauchen. Zuerst hielt ich es für einen Zufall, aber dann kamen mir immer stärkere Zweifel daran, weil es systematisch und vorhersehbar anmutete, auch wenn man mir das Gegenteil versicherte. Dadurch entstand mein Zwang, jeweils offiziellen Versionen einer Geschichte zu misstrauen.
Warum wurde "Unearth" der Titeltrack der Scheibe?
Das Stück enthält die Zeile "reverse the curse", und eigentlich wollte ich das Album danach benennen, aber nachdem ich mich im Internet danach umgesehen hatte, musste ich einsehen, dass es eine ziemlich abgedroschene Floskel ist. Die Scheibe dreht sich darum, Emotionen zu Tage zu fördern, die eine Weile verdrängt wurden, und indem man das tut, kehrt man quasi seinen persönlichen Fluch um. Der Fehler, Emotionen nicht zur Kenntnis zu nehmen, sowie der Schaden, der sich daraus ergibt - beides kann wiedergutgemacht werden.
In "Pantomime" scheinst du dich gegen materiellen Besitz auszusprechen; warum?
Daran ist eigentlich nichts auszusetzen, und auch ich mag es, neue Dinge zu kaufen. Gurus, die allen weltlichen Besitz aufgeben, um spirituell zu wachsen ... das ist ein Klischee. Sich bewusst der Armut hinzugeben ist dumm, nicht wahr? Ein Problem besteht nur dann, wenn man das Anhäufen von Dingen zum Hauptzweck seines Daseins macht. Beobachtet man die Werbung, scheint alles darauf hinauszulaufen, einen fetteren Schlitten oder ein größeres Haus haben zu wollen, um einen höheren Status zu erlangen. Wohltätigkeitsorganisationen sollen eigentlich Bedürftigen helfen, sind aber oft auch nur Geschäftemacher, an deren Spitze ehemalige Banker stehen, die Gutgläubigkeit ausnutzen und sich in zynischen Werbefilmen an den Bürger wenden, um Schuldgefühle zu wecken, auf dass man fleißig spendet. Das gesammelte Geld fließt dann in die Tabak- oder Alkoholindustrie und Waffengeschäfte. Was hat das mit Wohltätigkeit zu tun?
Ist "Kylerhea" eine schlichte Hommage an den gleichnamigen Ort?
Ich dachte zunächst nicht daran, als ich dieses Instrumental komponierte, erst beim Aufnehmen kam es mir in den Sinn. Kylerhea liegt auf der Isle Of Skye, wo ich vor einigen Jahren eine Woche verbrachte. Ich habe mich wohl nie im Leben so entspannt gefühlt wie dort, also drückt das Stück vor allem diese Empfindung aus.
"Keep Dear" hingegen drückt Bedauern darüber aus, dass wir mit dem Alter immer stärker von unseren Erinnerungen zehren müssen. Ist das die Tragik des Menschseine - Nostalgie?
"Life moves pretty fast. If you don't stop and look around once in a while, you could miss it". Für mich ist das nicht tragisch; es macht das Leben erst lebenswert. Ist es nicht tatsächlich eine fortschreitende Entdeckungsreise, auf der sich immer mehr Eindrücke ansammeln, auf die man mit dem Gehirn, diesem fabelhaften Ding, zurückgreifen kann? Ohne Erinnerungen zu leben wäre tragisch, denn dann würde Leere herrschen, und es gäbe nichts, was es wert wäre, wieder in Betracht zu ziehen.
Spricht "Comedian" den Umstand an, dass wir oftmals im Alltag Masken tragen?
Es geht um einen Vorfall aus meiner Kindheit, aber nichts gravierendes.Damals machte es mich sehr traurig, als man mir eines Morgens davon erzählte. Wenige Augenblicke später stand ich im Wohnzimmer, und im Fernsehen wurde gerade ein Comedian interviewt, der mir sehr falsch und unlustig vorkam, wobei mir die ganze Heuchelei hinter dieser Frühstücks-Show offenbar wurde. Ich konnte nicht fassen, dass man solchen Nonsens im TV verzapfen konnte, während meine Welt gerade zusammenbrach. Der Song stellt also einen Versuch dar, die einstweiligen Gefühle zu beschreiben, die mich an jenem Morgen überwältigten.
Erzähl mal etwas über deinen Drummer Nathan.
Ich habe ihn nie persönlich getroffen, sondern nur übers Netz mit ihm kommuniziert. Er ist ein großer Fan von KING BATHMAT und hat mir schon vor Jahren seine Dienste angeboten. Zunächst kam es mir ein bisschen seltsam vor, die ganze Sache via Internet durchzuziehen, aber es lief besser, als ich dachte.
Du hast dich lange davor geziert, gerade im Internet an die Öffentlichkeit zu treten, woher also der Wandel?
Sich öffentlich im Netz zu präsentieren kann eine Menge Ärger bedeuten, ob als Person oder geschäftlich. In jedem Fall gibt man einen Teil seiner selbst hin, und zwar auf breiter Ebene. Selbstwerbung empfinde ich als schwierig, weil sie mir einfach nicht liegt. Ich hadere mit mir selbst, wenn ich Promo-Mails verschicke in der Hoffnung, für etwas bezahlt zu werden, was ich erschaffen habe. Dennoch muss ich einen Weg finden, es interessant zu halten, oder ich brauche einen Außenstehenden, der es für mich erledigt.
Welches Ziel verfolgst du nun genau mit diesem Soloprojekt? Willst du auch im Ausland live spielen?
"It is not my custom to go where I'm not invited". Ich würde überall auftreten, man braucht mich bloß zu fragen. Was meine Ziele betrifft, sehe ich in Zukunft von allem mehr, sowohl KING-BATHMAT-Alben als auch Solo-Geschichten. Im Moment überlege ich, wie ich meine Musik in Zukunft am besten unter die Leute bringen soll. Gegenwärtig beläuft es sich auf das altbewährte 10-Track-Album der Musikindustrie, das ich nicht mehr für angemessen halte. Ich will einfach mehr Musik machen und mich darin mitteilen, aber diese Methode kostet viel Zeit. Es muss einen anderen Weg geben, um mehr Zeit für das zu bekommen, was ich gerne mache.
Viel Glück dabei, und danke fürs Interview!