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CRYSTAL CLEARS - DE KRISTALLKLARA - Society - Live-Konzert und Film im Berliner Filmrauschpalast - 24.10.2015

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Ein Konzert der besonderen Art und ein echtes DejaVu-Erlebnis erwartete die leider nicht sehr zahlreich erschienen Musik- und Filmfreunde am Samstag, dem 24. Oktober 2015, im „Filmrauschpalast“ Berlin-Moabit! Völlig unverhofft wurden sie nämlich Zeugen eines der wohl außergewöhnlichsten Konzert-Highlights des Jahres namens „Society“, das aus der musikalisch-cineastischen Symbiose eines gut einstündigen, extra für dieses Konzert gedrehten Films und eines bedrückend-atmosphärischen, aber auch progressiv-rockigen sowie regelrecht hypnotisch gesungenem Live-Spektakel der Band CRYSTAL CLEARS wurde. Wie selbstverständlich hatte man von der ersten Minute der Aufführung an den Eindruck, dass hier dieses düster-nordische, natürlich-skandinavische Lebensgefühl in jeder Note, jedem Bild mitklang. Und dieses Gefühl täuschte einen keinesfalls, denn CRYSTAL CLEARS sind eine finnische Band, die in ihrem Heimatland bereits mit diesem Musik-Filmprojekt vor ausverkauften Kinos und Konzertsälen auftraten und über das die internationale Presse schrieb:

Diese geheimnisvolle finnische Trio macht seelenvolle Ambient-Pop-Nummern, von Gletscher-Beats und romantischen Gesang umhüllt.“ Doch nicht nur das!

DE KRISTALLKLARA (So lautet eigentlich der „echte“ finnische Bandname!) hüllen die Augen ihres Publikum wie ein Hypnotiseur in einen finster-bedrohlichen Film und die Ohren in ein kleines Klanguniversum, welches einen atmosphärisch in die elektronischen, experimentell-verspielten Welten eines THOM YORKE von RADIOHEAD, aber auch in die Trompetenhöhen des EFTERKLANGS und besonders zu dem Ausnahme-Kunstwerk einer Band entführt, die an dieser Stelle noch nicht genannt werden soll, um der spannenden DejaVu-Aufklärung noch nicht vorzugreifen.

Bereits der Trailer zu dieser musikalisch-filmischen Performance (Der Begriff „Konzert“ für dieses Ereignis ist schlicht zu kurz gegriffen!) weckt eine unbändige Neugier auf das, was den Kino-Konzert-Besucher von CRYSTAL CLEARS erwartet und weckt bei dem Einen oder Anderen wahrscheinlich schon dieses leichte DejaVu-Gefühl, auf das im Verlaufe dieser Konzertkritik noch einmal intensiver eingegangen werden soll.

Also begeben wir uns gemeinsam ins Kino, um den Musikfilm „Society“ zu genießen, dessen Grundlage ein bereits schon von CRYSTAL CLEARS fertiger, aber unvollständig eingespielter Soundtrack ist, bei dem noch alle Gesangs-Passagen, sowie zusätzliche E- und akustische Gitarren plus Bässe, Drums, jede Menge komplexe Klang-Collagen und natürlich die ungemein wichtige Trompete fehlen. Denn die werden allesamt von dem Trio live auf der Bühne minutiös, in absoluter Übereinstimmung mit dem Film und der bereits vorhandenen Musik live eingespielt und aufgeführt. Irgendwie weiß der Besucher dieses Spektakels manchmal gar nicht mehr, worauf er sich am meisten konzentrieren soll!

Auf den grandiosen Film, in dem zwei Schauspieler, von denen einer HENRIK HESELIUS, der singende und Schlagzeug spielende Gitarrist von CRYSTAL CLEARS ist, und eine Schauspielerin die Hauptrollen spielen?

Auf die drei Musiker, die in so angenehm zurückhaltender Weise rechts und links von der Leinwand stehen, damit sie nicht sich in den Mittelpunkt rücken, sondern das, was eben unsere Augen wahrnehmen?

Oder auf den Sound, der in voller Entsprechung des Bandnamens kristallklar und voller Stereo-Effekte ist, dass einem beim Zuhören schwindelig wird?

Viele werden sich jetzt natürlich fragen: Worum geht‘s eigentlich in „Society“?

Und die Antwort darauf ist gar nicht so einfach, aber die unglaublich aufgeschlossenen und temperamentvollen Musiker, die nach dem Konzert nicht etwa erst einmal im Backstage-Bereich verschwanden, sondern sofort ihrem Publikum zur Verfügung standen, egal ob sie nun ihre LPs und CDs signierten oder allen neugierigen Fragen Rede und Antwort standen, widmen sich mit ihrem ambitionierten Konzept folgender Problematik:

Während einer verheerenden Revolution haben sich fast alle zwischenmenschlichen Strukturen aufgelöst und sind zerstört worden. Zwei Männer und ein junges Mädchen versuchen in dieser grenzen- und führerlosen, also anarchischen, Zeit zu überstehen und neue, eigene Wege des Überlebens zu finden.

Der Wanderer‘ sucht nach seiner inneren Wahrheit und wendet sich völlig der Natur zu. Er entwickelt sich zu einer Art Schamanen, der nach seinem Ur-Volk sucht.

Der Ausbeuter‘ lebte zuvor immer auf Kosten der Anderen. Jetzt aber sammelt er manisch alle Wasserressourcen, da er weiß, dass diese plötzlich ungemein überlebensnotwendig sind.

Die Fliehende‘ entzieht sich der neuen Außenwelt vollkommen, indem sie mit Hilfe einer speziellen Brille in eine rein virtuelle Realität flüchtet.

Alle drei begegnen sich während ihres Überlebenskampfes in einer Traumwelt, die sie zusammenführt, und wohl die letzte Chance darstellt, den Weg in eine neue Gesellschaft zu finden, in der nur durch eine geistige Veränderung hin zur Natürlichkeit der letzte Funke Hoffnung zum Überleben in einer Gemeinschaft bleibt. Eine Gesellschaft, die nicht vom Materiellen, sondern vom Spirituellen (Womit definitiv keine religiösen Trugbilder gemeint sind!) lebt.

Society“ ist ein Blick zurück in die Vergangenheit auf das, was wir alles bereits für unsere Gegenwart geopfert haben, während uns eine Horror-Vision für unsere Zukunft vor Augen geführt wird. Am Ende stehen die Charaktere im Film, aber auch die Zuschauer im Kino vor der Frage: „Was bedeutet es, ein (guter, böser oder belangloser) Mensch zu sein?“ Dabei sollte nicht die Gesellschaft den Einzelnen prägen und zum Mitläufer machen, sondern der Einzelne die Gesellschaft zu etwas ganz Besonderem werden lassen.

So sieht dann der Beginn des „post-apokalyptischen Soundtracks“ live auf der Kino-Bühne aus, der hoffentlich die Kritiker-Worte bestätigt.

 

Genauso komplex und spannend, aber auch bedrückend und gruselig, hoffnungsvoll und dynamisch, natürlich und technokratisch, beängstigend und beruhigend, wie diese Story ist detailliert auch die Live-Musik zum Film und der Soundtrack darin.

Psychedelische Ausflüge, die auf Pop und Rock treffen.

Wenn sich spezielle Spannungen aufbauen, dann darf sogar Metal- und Post-Rock oder Ambient und Techno genossen werden, aber genauso auch Elemente der Weltmusik und Gesänge, die nicht von dieser Welt sind. Mal kristallklar, mal elektronisch verfremdet, mal solistisch, mal im Satzgesang, mal bedrohlich tief, mal himmlisch hoch.

Wie ein alles immer wieder verbindendes Element taucht in herrlicher Regelmäßigkeit die Trompete auf, während elektronische Experimente alles zusammenhalten und mit Effekten versorgen, die den hörenden Zuschauer mitunter in eine trügerische Ruhe einbetten, um dann um so lauter loszudonnern und ihn in den zum Glück weichen Sitz zu drücken!

Wer sich auf diese gute Stunde Film und Live-Musik einlässt, der bleibt am Ende sprachlos zurück, denn was er gesehen und gehört hat, ist das Gesamtkunstwerk von CRYSTAL CLEARS, die nicht etwa nur die Musik auf einen bereits vorhanden Film spielen, sondern, die den kompletten Schwarz-Weiß-Film und dessen Script geschaffen haben, mit professionellen Schauspielern, Regisseuren, Kameraleuten und was alles noch für einen professionellen Kinofilm notwendig ist. Dann haben sie die Filmmusik dazu eingespielt, wobei sie die wichtigsten „Klang-Zutaten“ ausließen, denn die wurden für den parallelen Live-Auftritt zum Film komponiert, getextet und musikalisch auf der Bühne umgesetzt. Mir selber jedenfalls ist nichts Ähnliches bekannt, das diesem kreativen Ausmaß von DE KRISTALLKLARA entspricht.

Society“ ist in gewisser Weise mehr als ein kleines „Metropolis“!

Ganz davon abgesehen, dass zu dem Film auch eine LP bzw. EP-CD mit Ausschnitten der kompletten Musik entstand, wobei die streng limitierte LP natürlich auch noch auf kristallklares, also durchsichtig glitzerndes Vinyl gepresst wurde.

Zu guter Letzt wurde dann auch noch ein viereinhalbminutiges Video gedreht, das einen Song des Films mit den Originalbildern aus dem Film unterlegt!

Und damit wären wir endlich bei der Auflösung des DejaVu‘s!

Der Kritiker dieses Konzerts liebt ein Album, das er bisher wegen seiner Verbindung von filmischer Apokalypse und absolut passendem atmosphärischem Kunstrock zwischen Electronics und Psychedelic, Post und Pop bewunderte. Der surreale Schwarz-Weiß-Film dazu war allerdings nicht von der Band selber umgesetzt worden, zog einen aber genauso in den Bann wie „Society“ und sogar die kameratechnische Umsetzung sowie die konzeptionelle Story ähnelten sich. Die Rede ist hier von ARCHIVE und ihrem 2014er Album „Axiom“, ein ganz spezieller Soundtrack, dem dann auch die DVD beigelegt wurde, wobei sich die Film-Musik und die LP/CD-Musik unterschieden, aber natürlich gleich grundiert waren. Genau an diesen Film und die Musik von ARCHIVE wurde ich sehr intensiv erinnert, weswegen ich sofort HENRIK HESELIUS nach dieser Verbindung fragte. Seine Antwort war eindeutig und sehr überraschend:

Kurze Zeit, nachdem wir den Film und die Musik komplett im Kasten hatten, tauchte plötzlich die Hauptdarstellerin in unserem Film mit der LP und der DVD ‚Axiom‘ bei mir auf, weil ihr Vater sich beim ersten Sehen unseres Films sofort an ARCHIVE erinnerte. Noch nie hatte ich davon etwas gehört. Als ich dann den Film sah und die Musik hörte, war ich wie vom Donner gerührt. Diese Parallelen, die offensichtlich vorhanden waren, die Ideen, die Musik - da gab es so viel was ARCHIVEs ‚Axiom‘ und unser ‚Society‘ miteinander verband. Es war unfassbar. Und ob du es glaubst oder nicht, wir haben den Film und die Musik bereits vor ARCHIVE veröffentlicht. Aber es scheint so, als wären wir so eine Art film-musikalische Seelenverwandte!“

Axiom“ von ARCHIVE erlebt also in „Society“ von CRYSTAL CLEARS seine finnische Entsprechung (Obwohl es eigentlich umgekehrt hätte sein müssen!) - live in einem kleinen Kino mitten in Berlin-Moabit. Und ich bin heilfroh, dabeigewesen sein zu dürfen!

CRYSTAL CLEARS - das sind:

Ludvig Allén (Bass, Trompete, Gesang)

Henrik Heselius (Gitarre, Schlagzeug, Gesang)

Oscar Hagen (Electronics)

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info)

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Live-Fotos

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