Tappings aus Amsterdam: Zum Tode Eddie van Halens – Ein Nachruf
Selten, sehr selten schreibt das Leben Erfolgsgeschichten wie im Falle Eddie van Halens. Fragt man Rock- bzw. Metal-Gitarristen nach ihren einflussreichsten Vorbildern, fällt immer wieder der Name Eddie van Halen, der am 26. Januar 1955 in Amsterdam als Kind eines leidlich erfolglosen Berufsmusikers zur Welt kommt und auf den Namen Edward Lodewijk van Halen getauft wird.
Als die Eltern im Jahr 1962 mit 50 Dollar in der Tasche in die USA übersiedeln, ist Eddie gerade einmal sieben Jahre alt. Der englischen Sprache nicht mächtig, beginnt zunächst ein Leben fernab der Erfolgsspur, das letztendlich aber den Aufstieg zum einflussreichsten und innovativsten Gitarristen des Rock/Metal für Eddie van Halen bereithält.
Eddie, der zunächst das Klavierspielen lernt, will eigentlich nie Gitarre spielen. Das Schlagzeug, das er sich neben seinem Piano ausgesucht hat, übernimmt sein Bruder Alex, Eddie packte sich nur widerwillig die Gitarre. Zu den Brüdern gesellen sich mit David Lee Roth und Michael Anthony ausgerechnet zwei Jungs einer rivalisierenden Highschoolband. Das ist 1974. Es folgen Konzerte in kleineren Clubs und während ein gewisser Vittorio Camardese bereits 1965 das erste Tapping präsentiert, dauert es bis zum Jahr 1971 in dem Steve Hackett den GENESIS-Titel „The Music Box“ mit dem innovativen „Antippen“ der Saiten unter Zuhilfenahme der Anschlaghand veredelt.
Eddie van Halen jedoch treibt diese Art des Gitarrenspiels zur Perfektion. Zunächst mit dem Rücken zum Publikum, spielt van Halen alles in Grund und Boden. KISS Urgestein GENE SIMMONS, der das erste Demo der Band finanziert, ist ebenso fasziniert wie Warner Bros., dem Label, auf dem 1978 das Debüt unter dem schlichten Titel „Van Halen“ erscheint, das sich bis heute mehr als 17 Millionen mal verkauft hat.
Reduziert man Eddie van Halen jedoch allein auf seine Technik, eine Gitarre zu bearbeiten, wird man seinem Genie nicht annähernd gerecht. Neben der unglaublichen Schnelligkeit seiner Anschläge, dominiert sein feines Gespür für Rhythmik, Groove und Melodie nicht nur seine innovativen Soli, sondern vor allem auch sein Songwriting, das für alle großen Hits der Band verantwortlich zeichnet.
Es folgen mit „Van Halen II“, „Women and Children First“, „Fair Warning“, und „Diver Down“ weitere Alben, die allesamt millionenfach verkauft werden. Mit dem Erfolg kommt neben Alkoholexzessen auch der Kokainkonsum, der, wie es Eddie einmal in einem Interview erzählt, für ihn als Mittel zum Zweck dient, sich musikalisch weiterzuentwickeln. Kokain und Alkohol werden seine Arbeitsmittel, ohne die er „einige musikalische Experimente nicht gemacht hätte“.
Solo ab 3:10
Als 1982 der Anruf von Quincy Jones kommt, der ihn bittet, für einen gewissen MICHAEL JACKSON ein Gitarrensolo einzuspielen, ist Eddie bereits ein Weltstar. Das etwa 20 Sekunden dauernde Meisterwerk wird in 90 Minuten eingespielt, wobei er das Arrangement des Soloparts noch kurzerhand anpassen lässt. Dass er für diesen Geniestreich in „Beat It“ nie auch nur einen Cent sieht, erklärt van Halen wie folgt: „I did it as a favor. I was a complete fool, according to the rest of the band, our manager and everyone else. I was not used. I knew what I was doing—I don't do something unless I want to do it.”
1983 veröffentlichen VAN HALEN „1984“, die Auskopplung „Jump“ hält sich weltweit wochenlang in den Charts und bedeutet für die Band den größten Singleerfolg.
Die folgenden Jahre bringen mit „5150“, „OU812“, „For Unlawful Carnal Knowledge“ und „Balance“ weitere Charterfolge, bevor der Beginn des neuen Jahrtausends auch für VAN HALEN den Abwärtstrend einläutet. Van Halens unvergleichlicher Gitarrensound geht auf einen legendären Selbstbau zurück. Eddie van Halen kombiniert 1975 Bauteile der Kulthersteller Fender und Gibson. Das Ergebnis ist ein Hybrid, der unter dem Namen „Frankenstrat“ oder „The Frankenstein“ in die Geschichte eingeht. Eddie van Halen schafft es, den Klang der Gibson-Gitarren mit dem weit überlegenen Floyd Rose Tremolosystem der Stratocaster zu kombinieren.
Van Halen selbst baut zwei Gitarren dieser Art, deren Korpus er in der ersten Version in weiß, später dann in rot lackiert und nach seinen Vorstellungen mit schwarzen und weißen Klebestreifen dekoriert. Das Design der zweiten Frankenstrat-Version wird in der Folgezeit auch als Bandlogo verwendet. Ab 1984 baut der Gitarrenhersteller KRAMER die Instrumente nach Vorlage van Halens in Serie. Die zweite Originalgitarre legt Eddie schließlich als Beigabe in das Grab des PANTERA Gitarristen Dimebag Darrell, der 2004 einem Mordanschlag auf offener Bühne zum Opfer fällt.
Eddie, der sich aufgrund seiner Alkoholsucht mehrfach in Entzugskliniken begibt, braucht bis zum Jahr 2008, sich von den Dämonen zu lösen, denen er sich bedient hatte. Nach überstandener Krebserkrankung, die ihn einen Teil seiner Zunge kostet, gilt Eddie van Halen jahrelang als geheilt, bis David Lee Roth im Juli 2020 durch seine Äußerung, dass VAN HALEN wohl niemals wieder auf Tour gehen werden, neue Spekulationen über den Gesundheitszustand van Halens befeuert. Eddie van Halen stirbt am 06. Oktober 2020 an den Folgen einer Krebserkrankung.