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Die Toten Hosen: Laune der Natur (Review)

Artist:

Die Toten Hosen

Die Toten Hosen: Laune der Natur
Album:

Laune der Natur

Medium: CD/LP/Download/Do-CD
Stil:

Punkrock

Label: JKP
Spieldauer: CD: 50:25 / Do-CD: 114:23
Erschienen: 05.05.2017
Website: [Link]

Als langjähriger Fan der TOTEN HOSEN war es schwer, mit anzusehen, wie die Band im Zuge ihres letzten Albums und insbesondere des Hits „Tage wie diese“ von der „falschen“ Seite vereinnahmt wurde. Der Song war während der EM 2012 Soundtrack des tumben Fußballpatriotismus’, untermalte die Wahlparty der CDU im September 2013 und wurde später sogar – horrible dictu – von HELENE FISCHER auf ihren Konzerten gecovert. Spätestens damit waren die Düsseldorfer Altpunks im Zentrum der deutschen Wurstigkeit angekommen, gegen die sie einst ausgezogen sind.

Für die Hosen war der Erfolg, so war später zu lesen, zum einen überraschend, zum anderen auch etwas unangenehm. Sie verschwanden daraufhin nach ausgedehnten Touraktivitäten von der massenmedialen Bildfläche und realisierten kleinere Projekte, die sie mit viel Herzblut verfolgten. So spielten sie eine Konzerttour durch Buenos Aires und das Konzert „Entartete Musik – Willkommen in Deutschland“, bei dem sie - gemeinsam mit klassischen Musikern der Düsseldorfer Robert-Schumann-Hochschule - Stücke von im Nationalsozialismus verfolgten Künstlern zur Aufführung brachten.

In den letzten Monaten hat sich die Band dann in den Proberaum begeben und ihr neues, mittlerweile 16. Album eingespielt, das nun erschienen ist. Die gute Nachricht vorweg: Ein neues „Tage wie diese“ enthält „Laune der Natur“ nicht, obgleich der Single-Auskopplung „Unter den Wolken“ eine gewisse Nähe zum Sound des Formatradios nicht abzusprechen ist, und die Band es auch nicht drauf angelegt hat, die in den letzten Jahren neu hinzugekommen Fans (wobei „Hörer“ vielleicht der passendere Begriff ist) vor den Kopf zu stoßen. Typisch für die Hosen ist es dann aber auch, auf der B-Seite der Single mitreißenden Punkrock mit Haltung („Gegenwind der Zeit“) zu platzieren.

Doch zurück zum Album: Gleich der erste Song „Urknall“ sollte die Herzen von Hosen-Fans hochschlagen lassen und ist gewiss ein prädestinierter Opener für die kommenden Auftritte. In guter Punk-Tradition wird „eins, zwei, drei, vier“ eingezählt und dann geht der Spaß mit viel Tempo und Aggressivität los. Nach der ersten Strophe folgt die Selbstreflektion „Champagner, Empfang da – was soll das? / Wir wollen zurück auf den Bolzplatz“. Mit etwas guten Willen kann man das als Ansage gegen die oben angesprochenen Vereinnahmungen und eine Rückkehr ins eigentliche Biotop lesen. Nun ist es nicht so, dass auf „Laune der Natur“ der pure Punk regieren würde. Stattdessen gibt es viel Midtempo, Balladen, Gefühle, daneben aber auch schweißtreibende Punknummern.
Gefühlt hat außerdem die Dichte der hosentypischen „Ohohohoho“-Chöre im Vergleich zum letzten Album noch einmal deutlich zugenommen.
So wie die Musik, sind auch die Themen der Lieder breit gefächert. Als Schwerpunkte kristallisieren sich mehr oder weniger geglückte Beziehungen, Abschied (angesichts des Todes des früheren Drummers WÖLLI im vergangenen April sehr nachvollziehbar), Vergangenheit und Zukunft der Band und auch Beiträge zur geistigen und politischen Lage der Zeit, heraus.
„Wannsee“ und der Titeltrack zeigen darüber hinaus durch ihren Dub-Rhythmus die Band von einer bisher kaum bekannten Seite. Gerade „Wannsee“, mit seinem nah an der Grenze zur Einfältigkeit liegenden Refrain, bleibt lange im Ohr hängen.
Einen emotionalen Höhepunkt stellt der abschließende Song dar. Hier spielen die Hosen Wöllis Song „Kein Grund zur Traurigkeit“, den dieser selbst singt, was beim Hören durchaus beklemmend wirkt.
Die Schwelle vom amateurhaften Dilettantismus zur professionellen Rockband haben die Hosen schon lange überschritten, insofern muss hier nicht über die Fähigkeiten der Musiker an ihren Instrumenten oder dergleichen geschrieben werden. Zu bemerken ist lediglich, dass Sänger CAMPINO das Alter doch langsam anzuhören ist. Die Zeile aus dem Klassiker „Wort zum Sonntag“: „Ich bin noch keine sechzig / und ich bin auch nicht nah dran“, kann er mittlerweile nicht mehr ganz so glaubwürdig performen und irgendwann schlägt sich das eben auch auf die Stimmbänder nieder. Gemessen daran, in welchem Maß er früher Raubbau an seiner Stimme betrieb und dass er auch heute noch bei Konzerten alles gibt (der große Alltagsphilosoph Jürgen Klopp prägte in einem anderen Zusammenhang mal die schöne Wendung von der „Vollgasveranstaltung“, welche auch Hosen-Konzerte ganz gut beschreibt), sollte man da lieber froh sein, diesen Charismatiker am Mikro überhaupt noch hören zu können.

Wenn anfangs davon die Rede war, dass hier „nicht der pure Punk regiert“, so ist das nur die halbe Wahrheit. Als Bonus zum neuen Album gibt es nämlich nach über 25 Jahren die lang erwartete Fortsetzung des Projekts „Learning English“, auf der die Hosen erneut gemeinsam mit den Altvorderen der Punkbewegung deren Songs neu eingespielt haben. Im 40. Jubiläumsjahr von „No Future“ bringt auch das bei den älteren Fans gewiss Street Credibility. Wie schon bei „Lesson 1“ stehen wieder die britischen Punkbands, die die Hosen selbst stark beeinflusst haben, im Mittelpunkt. Zu nennen sind hier unter anderem THE MEMBERS („Sound Of The Suburbs“), THE UNDERTONES („Teenage Kicks“) und THE ADICTS („Viva La Revolution“).
Besonders interessant ist die Neueinspielung des DEAD-KENNEDYS-Klassikers „California über alles“ mit JELLO BIAFFRA. Dieser hat dafür den ursprünglichen Text den neuen politischen Gegebenheiten angepasst und klingt immer noch genauso angepisst wie 1980.
Er hat ja auch allen Grund dazu!

FAZIT: DIE TOTEN HOSEN meistern auf ihrem neuen Album „Laune der Natur“ den Spagat zwischen Integrität und Kommerzialität und dürften Fans, die nach dem Hype um „Tage wie diese“ Sorge um den weiteren Weg der Band hatten, beruhigen. Als besonderen Bonus gibt es die Dreingabe „Learning English Lesson 2“, durch die auch Neuankömmlinge im Hosen-Universum nachvollziehen können, wie das alles einmal angefangen hat.

Sebastian Triesch (Info) (Review 8946x gelesen, veröffentlicht am )

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12 Punkte
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Tracklist:
  • = Laune der Natur =
  • Urknall
  • Alles mit nach Hause
  • Wannsee
  • Unter den Wolken
  • Pop & Politik
  • Laune der Natur
  • Energie
  • Alles passiert
  • Die Schöne und das Biest
  • Eine Handvoll Erde
  • Wie viele Jahre (Hasta La Muerte)
  • ICE nach Düsseldorf
  • Geisterhaus
  • Lass los
  • Kein Grund zur Traurigkeit
  • = Learning English Lesson 2 =
  • Step 1: Welcome To Learning English, Lesson 2
  • The Sound Of The Suburbs (mit JC Carroll / The Members)
  • Where Are They Now (mit Colin McFaull / Cock Sparrer)
  • California Über Alles (mit Jello Biafra / Dead Kennedys)
  • Step 2: Revolution
  • Viva La Revolution (mit Monkey & Pete / The Adicts)
  • Nobody's Hero (mit Jake Burns / Stiff Little Fingers)
  • Teenage Kicks (mit Damian O´Neill / The Undertones)
  • Flying Saucer Attack! (mit Fay Fife & Eugene Reynolds / The Rezillos)
  • Step 3: How About A Knuckle-Sandwich?
  • Where Have All The Boot Boys Gone? (mit Wayne Barrett / Slaughter And The Dogs)
  • Sonic Reducer (mit Cheetah Chrome / Dead Boys)
  • Lookin' After No. 1 (mit Bob Geldof / The Boomtown Rats)
  • The Jinx (mit Peter Bywaters / Peter And The Test Tube Babies)
  • Your Generation (mit Tony James / Generation X)
  • Step 4: Family Plannings
  • Darling, Let's Have Another Baby (mit Johnny Moped)
  • Where's Captain Kirk? (mit Spizz / Spizzenergi)
  • Harmony In My Head (mit Steve Diggle / Buzzcocks)
  • This Perfect Day (mit Chris Bailey / The Saints)
  • Step 5: Sprechen Sie Deutsch?
  • Wunderbar (mit Eddie Tudor Pole / Tenpole Tudor)
  • I'm An Upstart (mit Thomas “Mensi” Mensforth / Angelic Upstarts)
  • (Get A) Grip (On Yourself) (mit Hugh Cornwell / The Stranglers)
  • Fight To Be Yourself (mit „Mad“ Phil Thompson / Pasty Faces)
  • Staring At The Rude Boys (mit John “Segs” Jennings / The Ruts)
  • Janet And John Say Goodbye

Besetzung:

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