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Deaf Havana: Rituals (Review)

Artist:

Deaf Havana

Deaf Havana: Rituals
Album:

Rituals

Medium: CD
Stil:

Indie Pop und leider nur noch ganz wenig Alternative Rock

Label: So Recordings
Spieldauer: 44:19
Erschienen: 03.08.2018
Website: [Link]

Da haben sie ihre Fans der ersten Stunde, welche die hart rockenden Nummern ihrer vorherigen vier Alben besonders mochten, mit Album 5 – das vielleicht gerade aus diesem Sinne den Titel „Rituals“ trägt, um mit vielen bisherigen Ritualen zu brechen – doch gehörig vor den Kopf und die Ohren gestoßen. DEAF HAVANA beschreiten also neue Musik-Wege, aber wer glaubt, dass sie deswegen alle anderen Musik-Brücken hinter sich abreißen, der hat „Rituals“ höchstens ein Ohr geschenkt und nach dem ersten verunsichernden Eindruck das Album vielleicht einfach zu früh abgeschrieben. „Rituals“ hält eben doch so einige Entdeckungen parat, die trotz der stärkeren Mainstream-Ausrichtung viel Freude bereiten.

Der Grund für die neue musikalische Ausrichtung beginnt bereits bei den ersten Ideen rund um das Album und den kompletten Entstehungsprozess. Sänger JAMES VECK-GILODI entwarf für „Rituals“ zuerst die Songtitel, auf die er dann – ohne dass die anderen Bandmitglieder Einfluss nehmen durften/konnten – die Texte schrieb und die Songs am Computer entstehen ließ.
Na ja – und das hört man am Ende auf „Rituals“ - einer größtenteils dem Electro-Pop huldigenden Scheibe von der ersten Minute bis zur letzten an, die nach dem kurzen „Wake“-Vorspiel mit „Sinner“ gleich genau die Richtung vorgibt, die es auf „Rituals“ nicht mehr verlassen wird.

Die akustische Gitarre blieb diesmal beim Komponieren zugunsten moderner Technik außen vor, selbst wenn sie zum Glück auf „Rituals“ immer wieder auftaucht. Auch das hört man auf dem deutlich „elektronischeren“ 2018er-Album, welches im Verhältnis zum erfolgreichen, viel härteren Vorgänger „All These Countless Nights“, mehr auf Ruhigeres, Optimistischeres, Religiöseres (Boah!!!) und Melodiöseres setzt, so als würden sich THE KILLERS und MAROON 5 mit predigender Unterstützung ein kleines Stelldichein geben, indem sie sich zärtlich die Hand reichen statt aufeinander einzuschlagen.

Früher spielten DEAF HAVANNA eben harte Songs mit etwas Pop-Appeal, auf „Rituals“ hat sich das Verhältnis genau umgekehrt und es öffnet sich weit allen Möglichkeiten der modernen Technik auf Kosten des Handgemachten. Ein radikaler Bruch, der verunsichert und – wahrscheinlich auch zurecht – viele Fans der Band verstört und ihre Ablehnung hervorruft. Pop-Bombast, (Gospel-)Chöre, vorprogrammierte Rhythmen mit hundertfach gehörten Hooklines, fette Keyboards, ansprechender, aber immer wieder verhallter Gesang, jede Menge elektronische Verfremdungseffekte und immer wieder die Suche nach der eingängigen radioformatigen Melodie sind die Zutaten auf „Rituals“. Schmackhaft klingt anders.

DEAF HAVANA sind im Mainstream angekommen und schielen nach den Radiostationen. Sie haben den Rock gegen den Pop getauscht und ziehen das konsequent durch. Wahrscheinlich gewinnen sie dabei viele neue Fans der Generation „Teenie“, verlieren aber die alten. Aber sie verlieren auch ihre Ideale, wie‘s scheint.

Textlich bleiben sich DEAF HAVANA allerdings treu, auch wenn sie ihre kritischen Ansätze zugunsten religiöser Motive zurücknehmen, besingen die persönlichen Probleme des Alltags zwischen Liebe, Leidenschaft, Freundschaft, Glauben und Verlust.

Mit dem belanglosen, fast schmalzigen „Holy“ übertreiben es die Jungs dann doch mitunter. Das ist billige Pop-Mucke, die nach den belanglosesten öffentlich-rechtlichen Radiostationen schielt, für die man seine Zwangsgebühren abdrückt, um einen Haufen Mainstream-Scheiß in die Ohren geschmiert zu bekommen. Na ja, im besten Moment klingt die Nummer noch kurz vor ihrem Ende ein wenig nach den BEE GEES, aber auch nur nach der Variante, die man am Ende nicht mehr sonderlich mochte.

Auch eine eigentlich bewegende Ballade wie „Saint“ bleibt in den guten Ansätzen stecken, weil sie den Gesang völlig grundlos elektronisch verfremdet und so aus tiefem Gefühl synthetischen in die länge gezogenen Musik-Kaugummi werden lässt, der sich langsam wie eine Kaugummiblase aufbläht, um geräuschlos zu platzen und einem das ganze Gesicht samt Ohren zu verkleben.

Das Cover-Bild von „Rituals“ hat so am Ende echten Symbol-Charakter, nur dass man sich bei der Entwicklung von DEAF HAVANA nicht die Augen, sondern die Ohren zuhalten lassen sollte.
„Back to your roots!“, möchte man dem britischen Quartett nach „Rituals“ nur noch zurufen und hoffen, dass sie mit ihrem nächsten Album wieder den musikalischen Rückwärtsgang einlegen.

DEAF HAVANA brechen auf „Rituals“ zugleich auch mit ihren musikalischen Rock-Ritualen und scheinen den Pop-Götzen zu sehr auf den Leim zu gehen. Eine Entwicklung, die nicht nur ihre alten Fans, sondern als FAZIT auch den Kritiker dieser Zeilen enttäuscht.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 2543x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 6 von 15 Punkten [?]
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Tracklist:
  • Wake
  • Smmer
  • Ritual
  • Hell
  • Holy
  • Saviour
  • Fear
  • Pure
  • Evil
  • Heaven
  • Worship
  • Saint
  • Epiphany

Besetzung:

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