Der Titel des neuen ZZ TOP-Releases ist Programm: Der Soundtrack zur Dokumentation "That Little Ol' Band From Texas" ist ein ohne Publikum in der historischen Gruene Hall vor der Haustür des texanischen Trios aufgenommener Konzertmitschnitt von Banger Films, die den Streifen produziert haben. Auf den ersten Blick wittert man ein mehrheitsfähiges Best-of-Programm, doch diese Einschätzung stimmt nur bedingt, selbst wenn mit ´Gimme All Your Lovin'´ eine der bekanntesten (poppigsten?) Nummern der drei Herren im Set auftaucht.

Die Band zeigt sich gewohnt lässig, zumal es sich ja im Prinzip auch um eine öffentliche Probe handelt. "Raw" lässt sich demzufolge nicht mit dem 1975er Livealbum "Fandango!" vergleichen, weil es tatsächlich den rohen Kern der Gruppe freilegt - nicht zuletzt dank einer ausgewogenen Abmischung, die alle Instrumente gleich wertet, seien es Dusty Hills fette Basslinien oder Frank Beards unerschütterlicher Groove, derweil beide im blinden Verständnis mit Billy Gibbons interagieren.

Er und Hill singen im schwungvollen ´Thunderbird´ unisono (ein rührender Moment, wenn man es nun ein Jahr nach dem Tod des Bassisten hört), wohingegen der slowe ´Blue Jean Blues´ ein Paradebeispiel für das einstweilige Understatement der ansonsten gerne breitbeinig aufspielenden Combo darstellt. Nach dem Debüt-Bleifuß ´Brown Sugar´ (1971) gewinnen auch die zahlreichen anderen Klassiker von diesem außergewöhnlichen Setting und klingen ungestümer denn je: ´Heard It on the X´ und ´La Grange´, ein breit ausgewalztes ´I'm Bad, I'm Nationwide´ und der herzhafte ´Tube Snake Boogie´.

FAZIT: "Raw" zeigt ZZ TOP exakt so, wie sie manchmal im Laufe der Jahrzehnte auch klanglich im Studio hätten in Szene gesetzt werden sollen - unbelassen, positiv minimalistisch und intuitiv aufeinander eingependelt. Davon abgesehen markiert die Platte einen würdevollen Tribut an den verstorbenen Bassisten der legendären Band.