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Dexys: The Feminine Divine (Review)
Artist: | Dexys |
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Album: | The Feminine Divine |
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Medium: | CD/LP/Download | |
Stil: | Northern Soul, Funk, Synthie-Pop, Folk, Singer-Songwriter |
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Label: | 100% Records | |
Spieldauer: | 39:45 | |
Erschienen: | 28.07.2023 | |
Website: | [Link] |
Dass die neue Platte der britischen Soulpop-Band DEXYS - vielen 80s-Musikfans besser bekannt als DEXYS Midnight Runners - eine Feminismus-Feier aus männlicher Sicht ist, merkt man "The Feminine Divine" zunächst nicht an. "I'm a man/and I love You/I'm Your man/and I'll die to defend You", singt Frontmann Kevin Rowland im Opener zu knackigen Bläsern im Motown-Stil machomäßig - und droht jedem Nebenbuhler großspurig eine Tracht Prügel an. Die Angebetete an seiner Seite sei zwar unbestreitbar eine "very strong woman", brauche seine Liebe aber unbedingt.
Ganz der alte Kevin also, wie man ihn von früheren selbstherrlichen, überhaupt nicht feministisch angehauchten Auftritten aus 40 Jahren einer wechselhaften Band-Geschichte kennt. Auch der DEXYS-Vorgänger von 2012, das fantastische "One Day I’m Going To Soar", stach zwar durch eine fast schon unheimlich dominante Co-Sängerin namens Madeleine Hyland hervor, aber Rowland arbeitete sich in so manchen teils komischen Duell-Duetten störrisch an ihrer Überlegenheit ab (und wirkte dabei keineswegs immer souverän).
Jetzt, mit fast 70, hat er die Konsequenzen gezogen und erkennt das Prinzip des Göttlich-Weiblichen ("The Feminine Divine") an - mit einem weiteren DEXYS-Konzeptalbum, das eine klare Entwicklung skizziert, von männlichem Trotz und kindischem Aufbegehren über Erkenntnis (im grandios cineastischen Titelsong) und Unterwerfung bis zur inneren Einkehr und Entspannung. Rowland sagte dem deutschen "Rolling Stone" (August-Ausgabe) zum ernstgemeinten „großen Männer-Erwachen“ in den neuen Songs: "Es geht um meine Erfahrung, die teils mit dem übereinstimmt, was ohnehin gerade in der Luft liegt."
Musikalisch bietet das neun Songs in knapp 40 Minuten Laufzeit umfassende Album zunächst nichts ganz Neues im Vergleich zu den besten Alben der DEXYS (Midnight Runners). Mitreißender Pop und Soul sind angesagt, mit wunderbar bläserlastig instrumentierten, perfekt durcharrangierten Stücken, etwa dem zu Recht als Single ausgekoppelten "I'm Going To Get Free" oder dem ähnlich intensiven Northern-Soul-Stück "Coming Home". Die DEXYS knüpfen damit beim elf Jahre alten Vorläufer an, ohne dessen einsame Klasse ganz zu erreichen – eine starke Performance ist es aber allemal.
Und Kevin Rowland schmachtet halt ganz famos, barmt und sprechsingt in Hochform, legt sein Seelenleben offen, geißelt das eigene, bislang schlichte Frauenbild, bereut seine erratischen Männlichkeitsideale. Allen Frauenverächtern (und davon gibt es in unseren Kulturkampf-Zeiten ja viele, die das ganz offen zeigen) leuchtet der DEXYS-Sänger so richtig heim, indem er ihnen durch die Schilderung seiner eigenen (einstigen) Verbohrtheit den Spiegel vorhält.
Die zweite Albumhälfte von "The Feminine Divine" ist innovativer als die erste, dürfte aber manche Fans der frühen DEXYS Midnight Runners auch irritieren. Denn hier kippt Rowlands Abbitte textlich bisweilen ins Bizarre, und der Sound klingt manchmal bemüht retro. "My Goddess Is" etwa basiert auf einem trockenen 80s-Funk-Groove, rap-artigen Vocals und dem fortgesetztem Unterwerfungs-Gestus des Sängers. Seine inzwischen devote Haltung manifestiert sich dann endgültig in „Goddess Rules“, wenn eine selbstsichere Frau (Kamira Castang) dem kleinen Hanswurst Kevin zu einem monotonen Riff die neue Welt erklärt: "You will worship me every day/ because I’m Your goddess, You understand?".
Der so in den Senkel Gestellte nennt die „Goddess“-Tracks im "Rolling Stone"-Interview „Schlafzimmerzeugs, ein Rollenspiel, nicht ernst zu nehmen“.
Für seinen Erkenntnisprozess gilt das gleichwohl doch. Auch die seidige Piano/Streicher-Ballade "My Submission" könnte als Ironie missverstanden werden - aber Kevin Rowland singt mit so viel Herzblut (dieses irre Falsett!), dass man den Gedanken bald verwirft. "Dance With Me" bildet den in jeder Hinsicht versöhnlichen Abschluss – auch hier orientiert sich der Synthie-Groove an den 80ern, etwa an den ersten Songs von Paul Weller mit The Style Council (remember "Long Hot Summer"?) oder an einigen schwülen Prince-Balladen.
"The Feminine Divine" ist ein hochinteressantes, auch kontroverses Statement - und musikalisch ein starkes, wenn auch nicht zu 100 Prozent überzeugendes Album. Wie jede DEXYS-Platte seit den frühen 80er Jahren muss es sich an "Searching For The Young Soul Rebels" (1980) und "Too-Rye-Ay" (1982) messen lassen. Auch heute noch kommt keine gute 80er-Jahre Party ohne den größten Hit dieser Band aus: Mit "Come On Eileen" entzündeten die DEXYS Midnight Runners ein Feuerwerk aus Northern Soul, Celtic Folk und New Wave, das sich als schier unwiderstehlich (und unwiederholbar) erwies. Erst kürzlich kürte das Online-Magazin "Paste" diesen Song zum besten "One Hit Wonder" aller Zeiten.
FAZIT: Das neue DEXYS-Werk "The Feminine Divine" präsentiert einen reifen, immer noch brillanten Singer-Songwriter mit Ecken und Kanten. Doch auch diese zweifellos ambitionierte Platte von Kevin Rowland und einer rotierenden Band-Besetzung wird nicht jedem Fan von Hits wie "Geno" oder "Come On Eileen" gefallen. Seinen Legendenstatus (mehr als eine Milliarde weltweiter Streams, drei Top-10-Alben in Großbritannien, zwei Nummer-1-Singles, ein Brit Award) untermauert der 69-Jährige jedoch allemal. Auf die Deutschland-Konzerte zu dieser famosen Crooner-Soul-Revue im Herbst (2. Oktober München, 4. Oktober Berlin, 5. Oktober Hamburg, 12. Oktober Dortmund) darf man gespannt sein.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- The One That Loves You
- It's Alright Kevin (Manhood 2023)
- I'm Going To Get Free
- Coming Home
- The Feminine Divine
- My Goddess Is
- Goddess Rules
- My Submission
- Dance With Me
- Bass - Toby Chapman
- Gesang - Kevin Rowland
- Gitarre - Toby Chapman
- Keys - Sean Read, Toby Chapman, Mike Timothy
- Sonstige - im Paterson (Posaune), Sean Read (Saxofon), Mike Timothy, Toby Chapman (Programming), Kim Chandler, Maddy Reade Clarke, Kamira Castang (Backing Vocals)
- The Feminine Divine (2023) - 11/15 Punkten
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