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Mia Aegerter: Bye Bye mein altes Ich (Review)

Artist:

Mia Aegerter

Mia Aegerter: Bye Bye mein altes Ich
Album:

Bye Bye mein altes Ich

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Singer/Songwriter, Indie Pop, Folk

Label: Vagabundin Records
Spieldauer: 41:21
Erschienen: 12.05.2023
Website: [Link]

Eine besonders gradlinige künstlerische Laufbahn hat die Schweizer Wahlberlinerin MIA AEGERTER nicht gerade vorzuweisen – wohl aber eine bemerkenswert konsequente mit mehreren entscheidenden Kehrtwendungen. So begann die aus der französischen Schweiz stammende Songwriterin zunächst einmal recht erfolgreich als Schauspielerin in Film und Fernsehen, wurde aber ab ca. 2003 auch als Musikerin tätig. Damals allerdings machte sie – nicht zuletzt als Reaktion auf eine lang andauernde Krankheit - Pop- und Schlagermusik in Schweizer Mundart und auf Englisch und veröffentliche vier Alben in diesem Setting.

Da sie sich mit dieser Art von Musik irgendwann künstlerisch aber nicht mehr identifizieren konnte, entschied sie sich für eine Umorientierung, um zunächst als Songwriterin für Acts wie Max Giesinger, Yvonne Catterfeld, die Prinzen oder Helene Fischer (um nur einige zu nennen) dem zu nähern, was in der Schweiz als „Schriftdeutsch“ bezeichnet wird und was sie selber als ihre Muttersprache betrachtet. Doch erst 2017 wagte Aegerter mit ihrem ersten deutschsprachigen Album „Nichts für Feiglinge“ den Schritt zurück ins Rampenlicht und schrieb sich eine – weitestgehend biographisch angelegte – Songsammlung auf Deutsch auf den Leib.

Damit einhergehend folgte auch ein Stilwandel: Zusammen mit ihrem musikalischen Partner und Produzenten Martin Fliegenschmidt entwickelte MIA AEGERTER ein klassisches, organisches Indie-Pop-Setting, das dem nachdenklichen, melancholischen Tenor ihres konfessionellen Storytellings mehr Tiefe und Nachdruck verlieh, als es reine Popmusik getan hätte. Nach der Tour zu diesem Album nahm sie sich eine Auszeit und erfüllte sich den lang gehegten Traum von einer Weltreise durch 27 Länder. Gerade als sie dann ein neues Musikprojekt angehen wollte, folgten die Pandemie – und ein Baby.
Kein Wunder also, dass all diese Erfahrungen als lyrische Inspirationen in die neue Songsammlung „Bye Bye mein altes Ich“ einflossen.

Der Titel des Albums ist hierbei Programm – allerdings nicht in dem Sinne, dass sie ihr altes Ich vergessen oder verleugnen will, sondern in jenem, dass sie auf diesem Album – nicht zuletzt durch die Geburt ihres Sohnes - zu ihrer eigenen Mitte, zu ihrer Erfüllung und zu ihrem bestmöglichen Ich gefunden hat. Das buchstabiert sie in dem Titeltrack dementsprechend aus: „Bye Bye mein altes Ich – keine Angst, ich vergess' Dich nich', hätt' es nie geschafft ohne Dich.“
MIA AEGERTER setzt nunmehr einfach andere Schwerpunkte, als wie früher mit ihren Ängsten zu tanzen (wie im ersten Track des Albums). „Geht mal wieder eine Tür nicht auf, dann denk nicht lange nach und kletter durch das Fenster raus“, singt sie in dem Song „Eis an 'nem Sommertag“.

MIA AEGERTERs Lebensmotto 2023 ist zweifelsohne „Seize The Day“. Wo sie früher alles kritisch hinterfragte und sich eher versteckte, sucht sie heute nach den Silberstreifen am Horizont. Insbesondere seit sie erkannte, dass ihr Herz nicht mehr nur ihr selbst, sondern ihrem Sohn gehört und alles Sinn macht, seit sie dessen Zuhause ist. Das jedenfalls offenbart sie in Songs wie „Mein Herz gehört mir schon lange nicht mehr“ und „Seit ich Dein Zuhause bin“ – und lässt dann in der Dreampop-Ballade „Aquamarin“ den Dunst der Nichtigkeiten und die Schwerkraft hinter sich und schwebt mit ihrem Sohn über den Dingen. Das alles hat nichts mit Eskapismus, sondern mit emotionaler Erdung zu tun – was sie in „Breakup auf Raten“ deutlich macht.

Bye Bye mein altes Ich“ zeigt eine Künstlerin, die sich künstlerisch – und durch ihre Kunst auch menschlich – erkennbar gewandelt und weiterentwickelt hat. Und sehr viel mehr kann man als Liedermacherin nicht erreichen.

FAZIT: Musikalisch verzichtete MIA AEGERTER von Anfang an darauf, die Pop-Elemente ihrer Mundart-Phase für die Songs in „Schriftdeutsch“ zu nutzen – und fand dabei einen geeigneten Partner in dem Songwriter, Musiker und Produzenten MARTIN FLIEGENSCHMIDT, denn dieser kannte sich durch seine Zusammenarbeiten mit z.B. Christina Stürmer, Roger Cicero, Max Giesinger oder Wincent Weiss bestens aus mit der Schnittstelle zwischen klassischem Songwriting und leichtfüßiger organischer Popmusik. Für das neue Album entwickelten die Schweizer Liedermacherin und ihr Produzent mit Gitarre, Streichern, Mellotron, Klavier und im Falle des Songs „Mein Herz gehört mir schon lange nicht mehr“ auch einem jazzigen Bläserarrangement eine Art alternatives Dreampop-Setting als organische Basis für die größtenteils melancholischen Balladen. Fliegenschmidt arbeitete dabei nicht nur als Produzent hinter den Reglern, sondern schrieb auch vier der Songs mit und spielte nahezu alle Instrumente ein. Dass die Songs dann atmosphärisch trotz der lebensbejahenden Inhalte oft mit einem nachdenklichen Tenor daherkommen, liegt daran, dass MIA AEGERTER ihre ganzen belastenden Emotionen in ihrer Kunst verarbeitet hat – und nun aber als Mensch mit heiterer Gelassenheit in die Zukunft blicken kann.

Ullrich Maurer (Info) (Review 2001x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 12 von 15 Punkten [?]
12 Punkte
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Tracklist:
  • Tanz mit der Angst
  • Mein altes Ich
  • Von Grau zu Blau
  • Mein Herz gehört mir schon lange nicht mehr
  • Eis an 'nem Sommertag
  • Aquamarin
  • Das große Schmetterlingssterben
  • Analog
  • Breakup auf Raten
  • Seit ich Dein Zuhause bin

Besetzung:

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