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Ruen Brothers: Ten Paces (Review)
Artist: | Ruen Brothers |
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Album: | Ten Paces |
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Medium: | CD/LP/Download | |
Stil: | Americana, Western Noir |
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Label: | Yep Roc Records | |
Spieldauer: | 32:06 | |
Erschienen: | 02.06.2023 | |
Website: | [Link] |
Auch wenn einem auf den ersten Blick die RUEN BROTHERS kein Begriff sein sollten, so dürften doch alle aufgeregten Alarmglocken läuten, wenn man erfährt, wer das Debüt-Album der britischen Brüder-Band Rupert und Henry Stansall, die in der industriellen Stahlstadt Scunthorpe im Nordosten Englands aufwuchsen, produziert hat: Kein Geringerer als RICK RUBIN, der sich grundsätzlich nur auf ganz besondere Acts einlässt, wovon besonders die "American Recordings" von JOHNNY CASH legendär sind. Und unter diesem Aspekt betrachtet, wird einem ganz schnell bewusst, warum sich Rubin als Produzent auch für die RUEN BROTHERS, die gerne in Pubs ihre Cover-Versionen von Cash-Songs vortrugen, entschieden hat. Nun also legen die Brüder mit „Ten Paces“ auch ohne Rubin-Unterstützung ein schlicht großartiges Western-Noir-Album allererster Americana-Güteklasse vorlegen, das von der gesamten Stimmung und speziell auch dem Gesang her besticht.
Hier entdeckt man alles, was den Reiz von Western-(Film-)Musik ausmacht, die sich zwischen MORRICONE sowie TITO & TARANTULA, aber auch CALEXICO (allerdings ohne Bläser) bewegt. Die 70er-Jahre treffen auf die Moderne, bei der auch mal E-Gitarren knarzen dürfen, und der Twang-Gesang setzt der Country-Indie-Pop-Kultur, die sich über das gesamte Album breit macht, noch die Krone auf. Dazu eine Produktion, die auf fette Bässe genauso wie kristallklare Höhen setzt und den faszinierenden Gesang von Henry Stansall immer wieder in den Vordergrund rückt, da der einen von Anfang an nicht mehr loslässt.
Da hat man tatsächlich das Gefühl, dass einem bei einem Song wie dem „Bullet Blues“ wortwörtlich die Kugeln um die Ohren fliegen.
Eigentlich sollte dieses Album sofort die Welt erobern, obwohl die Brüder genau in einer Ecke aufwuchsen, die nicht durch Weltoffenheit, sondern mehr mit dem Aufsatteln, Gitarrenklimpern und stundenlangen Aufenthalten auf Feldern, in Bars und Scheunen mitten im Nirgendwo geprägt war. Eben gerade darum ideale Voraussetzungen, um sich auf die eigene Musik zu konzentrieren und sie zu perfektionieren, da einem nicht jeder wichtigtuerisch-weltmännische Arsch dabei reinredet, sondern stattdessen nur mal ein Pferd vorbeireitet und für genau die Atmosphäre sorgt, die man braucht, damit man als Bruderpaar seine Ode an den Wilden Westen und die Western-Klassiker verfassen kann. Als Vorbild für ihre Musik galt ihnen hierbei die Country-Plattensammlung ihrer Eltern sowie eine ganz spezielle Liebe zu den amerikanischen Western, die sie als Kinder mit ihrer Mutter gesehen haben und wozu Rupert feststellt: „Wir wollen die Hörer in die Welt von 'Ten Paces' entführen und ihnen etwas Filmisches und Persönliches bieten", und nennt dabei Alben wie MARTY ROBBINS' „Gunfighter Ballads“ und „Trail Songs“ als erheblichen Einfluss. Aber dass auch ein ROY ORBISON offensichtliches Vorbild des Sängers Henry ist, kann einfach nicht überhört werden.
Schon beim Album-Opener „Slow Draw“, vorausgesetzt man hört genauer hin, werden Revolver durchgeladen und im Hintergrund fliegen Revolver-Kugeln durch die Gegend. Das stellt natürlich sofort eine Parallele zu den „Gunfighter Ballads“ her. Vielmehr aber lässt einen besonders des Gesangs wegen schon dieser Song sprachlos zurück. Eine Stimme, die sich wie ein Obelisk inmitten einer weiten Steppe erhebt. Wann bitte hat man in letzter Zeit derart starken Gesang, der noch dazu perfekt abgemischt wurde, gehört?
Leider ist das Album, welches zugleich auch auf einer wunderschönen orange-farbenen Vinyl-Version erhältlich ist, nur eine gute halbe Stunde lang. Doch diese halbe Stunde wird umso kurzweiliger, weil jeder einzelne Song großartig gelungen ist, eine Emotionalität entwickelt, der man sich nicht entziehen kann, wobei auch die Texte, welche man auf dem der LP beiliegenden Textblatt nachlesen kann, genau die hohe Qualität der Musik halten. Wunderschönes Beispiel: „Free As The Birds“, das aus der Sicht eines gefangenen, sich nach Freiheit sehnenden Vogels die Parabel eines in sich gefangenen Menschen erzählt, der sich nach der Freiheit zu fliegen sehnt, aber sich nicht wagt, aus seiner selbst auferlegten Gefangenschaft zu befreien. Oder wenn in „Don't Know What's Come Over You“ das Verlassenwerden thematisiert wird und der Verlassene so tut, als wüsste er nicht, wie es dazu kommen konnte, obwohl alles, worüber er dabei nachdenkt, offensichtlich die Gründe für die Trennung sind.
Hier also gilt: Besonders durch den Gesang von Henry Stansall, bei dem man jedes einzelne Wort genauestens versteht, gehen die Songs und das, was darin besungen wird, besonders tief. Egal, ob es mit „Slow Draw“ beginnt oder auf der „Long Road“ endet, die RUEN BROTHERS, die tatsächlich im kompletten Alleingang dieses Album einspielten, sollten nicht nur seit ihrem Debüt eine Rubin-Entdeckung bleiben, sondern die Ohren und Herzen aller Americana-Freunde, die auf Western Noir und bestens dargebotenen Indie-Rock mit Country-Feeling stehen, weit öffnen. „Ten Paces“ hat das Zeug zum Klassiker!
FAZIT: Auch wenn die RUEN BROTHER auf ihrem großartigen Album „Ten Paces“ mit „The Fear“ über die Ängste, welche gar wie bei einem Duell zweier Cowboys tödliche Folgen haben können, singen, so braucht das Bruderpaar keine Angst davor zu haben, dass diese LP nicht auch die Hörer, denen Americana im Western-Klassiker-Flair mit großartigem Gesang und hypnotischen Melodien zusagt, begeistern wird. Hauptsache, es erreicht auch genügend Hörer! Dass „Ten Paces“ zudem perfekt produziert wurde, stellt dieses Album sogar – ohne Übertreibung – musikalisch wie emotional auf eine Stufe mit den „American Recordings“ von JOHNNY CASH. Würde der noch leben, er wäre garantiert genauso begeistert wie der Kritiker.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Seite A (16:16):
- Slow Draw (2:56)
- The Fear (3:45)
- Hi-Yo (2:57)
- Don't Know What's Come Over You (3:02)
- Bullet Blues (3:36)
- Seite B (15:50):
- Silver To Gold (3:04)
- The Good Surely Die (3:17)
- Free As The Birds (2:39)
- Sleep (3:27)
- Long Road (3:23)
- Bass - Rupert Stansall
- Gesang - Henry Stansall
- Gitarre - Rupert Stansall, Henry Stansall
- Keys - Rupert Stansall
- Sonstige - Rupert Stansall (Ukulele, Percussion, Hintergrundgesang, Programmierung), Henry Stansall (Glockenspiel, Percussion, Hintergrundgesang, Programmierung)
- Ten Paces (2023) - 14/15 Punkten
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