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Knocked Loose: You Won't Go Before You're Supposed To (Review)
Artist: | Knocked Loose |
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Album: | You Won't Go Before You're Supposed To |
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Medium: | CD/LP/Download | |
Stil: | Hardcore |
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Label: | Pure Noise Records | |
Spieldauer: | 27:33 | |
Erschienen: | 10.05.2024 | |
Website: | [Link] |
Als mir KNOCKED LOOSE im Spätsommer 2019 das erste Mal begegnet sind, besprach ich sie freundlich und spürte nur im Ansatz, was dort passierte. „Sie haben Moshcore und Slam aufgesaugt“, schrieb ich damals in meiner Rezension für Rock Hard zum Album „A Different Shade Of Blue“. In ihrer Musik stecke auch ein wenig „Death Metal und alles, wozu manche Männer die Arme und Beine fliegen lassen. Aber sie verbinden diese Wurzeln mit einem Anspruch.“ Ich mochte die ungezügelte Aggression und die animalische Wirkung der Breakdowns, haderte aber noch mit der Stimme von Bryan Garris. Er „brüllt nicht“, schrieb ich, „er schreit“, mit der Wut mehr aus der Kehle als aus dem Bauch, eher „existentialistischer Student mit cholerischem Anfall als Hooligan aus der Stahlproduktion“. Dann kamen die Krisen und die Gesellschaft verwandelte sich mehr denn je in eine dysfunktionale, toxische Familie voller narzisstisch gestörter Soziopathen in Schlüsselpositionen und einem erfolgreichen Teilen und Herrschen. Die eigene Wut wuchs, ich entdeckte die Band wieder, auch ihre früheren Stoffe, schaute Hunderte Male das Video zu „Billy No Mates / Counting Worms“, den besten Moshpit-Chaos-Clip aller Zeiten. Lernte gerade diese Stimme zu lieben, diese grenzenlose Verzweiflung, dieses völlig enthemmte Method Acting zügellosen Zorns.
Seither wuchs das Quintett aus Kentucky zu einer Größe und einem Status heran, der ein Wunder darstellt. Gestern noch eine Nischen-Truppe aus einer Szene, in der Menschen sich während der Konzerte in gegenseitigem Einverständnis zu Klump schlagen. Heute auf Headliner-Tourneen und sogar in hoher Position beim Coachella. Mit jeder Platte wurden sie dabei härter statt zugänglicher, das ist das Besondere. 2021 veröffentlichen sie die konzeptuelle EP „A Tear In The Fabric Of Life“ über einen schrecklichen Unfall, die auch als animierter Kurzfilm existiert und die – Spoileralarm – ihr bislang bestes Werk bleibt. 2024 galt nun für ihr aktuelles Album tatsächlich mal die Phrase, die sonst immer nur albernstes Marketing-Gewäsch ist: Highly anticipted. Fieberhaft erwartet. Rezensionen und Reaction-Videos fluten das Netz. Alle wollen die Meinung der anderen hören. So auch diese hier?
Unglaublich positiv ist – niemand sonst klingt wie sie. Wer sie sind, treiben sie auf die Spitze, verwässern es nicht nur nicht, sondern dicken es noch mal an. Ebenfalls großartig: Die knapp 28 Minuten des Albums laufen in einem Fluss durch, mit Verbindungen zwischen den Stücken und als künstlerisches Statement von vorn bis hinten. Will man jemandem erklären, wie diese Musik sich anfühlt, müsste man Worte für die Klangästhetik finden. Da hören wir Gitarren, die das geübte Ohr zwar aus dem Metalcore kennt, die aber auch was von Sludge und Noise an sich haben und dermaßen verzerrt ballern, als wären sie unterm Strich nur noch Explosionen. Oder als habe man ein riesiges Monster in einen alten Ozeanriesen eingesperrt und die Bestie schlägt nun immerfort in Rage gegen die Wände. Das Schlagzeug von Pac Sun nutzt eine Snare, die ein wenig an Metallicas „St. Anger“ erinnert, gemischt mit den Stahltonnen von Slipknot. Das alle Schläfen platzen lassende Tenor-Gebrüll von Bryan Garris erhält Unterstützung von Gästen wie Chris Motionless von Motionless in White sowie der Künstlerin Poppy, die mit ihrem Namen so viel zu tun hat, als würde man eine Paste aus den brutalsten Chilischoten der Welt einfach „Sweet Dream“ nennen.
Die ersten 23 Minuten dieses finsteren Gewaltausbruchs werden niemanden enttäuschen, der die Band zu seinem persönlichen Ventil auserkoren hat. Sie werden aber auch niemanden ernsthaft überraschen, außer durch die grimmige Tatsache, dass eine Band bei ansteigendem Erfolg eben nur noch härter wird. Leider schießt die Platte dabei über das Ziel hinaus. Nicht, was den guten Aufbau aller Stücke angeht, die perfekte Verschraubung der Elemente oder intensive Gimmicks wie einen dreifachen Übergang, bei dem mehrere aus der Band in verschiedenen Stimmlagen agieren, bevor der Breakdown losbricht… und mit ihm schon wieder dieser Drang, den Nebenmann beim Konzert oder irgendeinen da draußen, der einem einen Grund gibt, den halben Schädel einzuschlagen. Nein, die Platte, man muss das so sagen, klingt einfach fieser als ihre Vorgänger und das nicht immer im guten Sinne. An manchen Stellen hat man das Gefühl, dass sie clippt, dass alle im Studio den Ausschlag weit im roten Bereich durchaus bemerkten und einfach nur jovial grinsten. Die letzten viereinhalb Minuten allerdings deuten an, was da in Zukunft möglich sein kann, denn „Sit & Mourn“ gönnt sich viel mehr Dynamik und Epik, spielt wunderbar mit der Laut-Leise-Dramatik und transzendiert den künstlerischen Beatdown Hardcore der Band in Richtung Noiserock, Sludge oder Postmetal, also dorthin, wo nicht Bands wie Drain oder Sunami wohnen, sondern Cult Of Luna, ULMe oder Neurosis.
FAZIT: Wer all die Wut, die Enttäuschung und die Verletzungen seines Daseins das erste Mal in KNOCKED LOOSE stecken möchte, wäre mit den früheren Werken besser beraten. „You Won't Go Before You're Supposed To“ erfordert Übung und Geduld, klingt garstig und übermotiviert, in den besten Momenten allerdings auch wie ein kathartischer Alptraum. Inhaltlich arbeitet sich die Platte an der christlichen Religion ab, mit der Bryan Garris aufwuchs und zu welcher er ein spannend-ambivalentes Verhältnis hat. Immer noch an Gott glaubend, schrieb er bereits in KNOCKED LOOSEs womöglich bestem Song „Mistakes Likes Fractures“ die legendäre Zeile: „God fell silent, when I cried out.“ Hier kämpft einer mit sich und der Welt, bis zum letzten Schrei.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Thirst
- Piece By Piece
- Suffocate (ft. Poppy)
- Don't Reach For Me
- Moss Covers All
- Take Me Home
- Slaughterhouse 2 (ft. Chris Motionless)
- The Calm That Keeps You Awake
- Blinding Faith
- Sit & Mourn
- Bass - Kevin Otten
- Gesang - Bryan Garris
- Gitarre - Nicko Calderon, Isaac Hale
- Schlagzeug - Pac Sun
- You Won't Go Before You're Supposed To (2024) - 12/15 Punkten
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