Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Crippled Black Phoenix - (Mankind) The Crafty Ape - Massen-Review

22.01.2012

Crippled Black Phoenix "(Mankind) The Crafty Ape" CoverVom Geheimtipp zum nächsten großen Ding? Es scheint fast so, als würde genau das mit CRIPPLED BLACK PHOENIX passieren, dieser britischen Post-Rock Supergroup um Mastermind Justin Greaves. Irgendwann in 2004 begann er, aus erste Akkorden Lieder zu formen, bald darauf unterstützt von Basser Dominic Atchinson und Sänger Joe Volk. Daraus wurde dann diese Band, an der schon 20 Musiker mitgewirkt haben und die mit "(Mankind) The Crafty Ape" nun ihr fünftes Album veröffentlicht. Und das den bisher größten Erfolg, den man mit dem Vorgänger "I, Vigilante" hatte, wohl locker übertreffen wird. Warum das so ist, machen unsere Reviews deutlich.

Review von: Andreas Schulz (Profil):

Die erste Begegnung mit CRIPPLED BLACK PHOENIX findet im November 2009 statt. Ein Freund sucht eine Begleitung zum Konzert der Band im LCB in Wuppertal. Ich bin dabei, denn der Freund hat einen erlesenen Musikgeschmack und wenn er sagt, dass die Band gut ist, dann wird das auch stimmen. Nur kennt die zu diesem Zeitpunkt kein Schwein, denn letztlich sind es vielleicht 25 Leute, die diesem Konzert einer außergewöhnlichen Band beiwohnen und hinterher mit dem Gefühl nach Hause gehen, etwas Besonderes erlebt zu haben.

Anfang 2012: das neue CRIPPLED BLACK PHOENIX-Album "(Mankind) The Crafty Ape" soll besprochen werden und gleich mehrere Redakteure wollen das Werk unter die Lupe nehmen. Also wird ein Massen-Review beschlossen. Die Zeiten haben sich geändert, aus dem Geheimtipp ist eine Band geworden, die in aller Munde ist. Und deren Erfolgskurve stetig nach oben zeigt. Auch dieses Album wird nicht nur bei den Kritikern in höchsten Tönen gelobt werden, sondern auch von den Fans geliebt werden. Von all jenen, die Rockmusik mit Anspruch und noch mehr Gefühl lieben, die sich gerne stundenlang mit einem Album beschäftigen, es unter dem Kopfhörer sezieren und sich über jedes neu entdeckte Detail freuen. So ein Album ist "(Mankind) The Crafty Ape", allein schon deshalb, weil man immer wieder neue Instrumente im Sound entdeckt, die ihren Beitrag zur Musik leisten. Es ist aber kein verkopftes Album, keines der Sorte, die nahezu unerträglich sind, wenn man sie nur nebenbei hört. Denn alle Elemente werden hier zu behutsam, so geschickt, so effektiv miteinander verwoben, dass die Musik auch dann ihre Wirkung erzielt, wenn man sie nebenbei hört.

Allein schon was man im ersten Drittel des Albums an traumhaften Melodien zu hören bekommt, ist mehr als nur beeindruckend. Es sind Melodien zum Niederknien, traumhaft schöne, leicht melancholische Harmonien, die gesungen werden, die mit den Gitarren gespielt werden oder die von Klavier, Flöte oder Streichern kommen. "(Mankind) The Crafty Ape" ist ein dreiteiliges Konzeptalbum, der erste Teil lebt von betörender Schönheit, während der zweite deutlich kräftiger rockt, hier kommen zu Post-, Folk- und Progressive Rock auch Postpunk und swingende Bläser hinzu. Der dritte Teil kommt dagegen wieder ruhiger, bluesiger daher. Aber nicht weniger packend, nicht weniger fordernd, nicht weniger intensiv, gipfelnd im berauschenden viertelstündigen Song mit dem hoffnunsglosen Titel "Faced With Complete Failure, Utter Defiance Is The Only Response".

FAZIT: So schwer zu greifen wie es einfach zu hören ist. Eine sperrige Schönheit, die aber nicht spröde ist, sie verlangt nur genauso viel Hingabe vom Hörer, wie von den Musikern eingeflossen ist. Schwer in Worte zu fassen, ohne sich die Finger wund zu schreiben, weshalb die Aufforderung schlicht und ergreifend lautet: Hören und genießen!

12 von 15 Punkten


Review von: Lothar Hausfeld (Profil)

Hier steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor!

Jaja, man muss schon Goethes "Faust" zitieren, um sich CRIPPLED BLACK PHOENIX zu nähern. Die Kritikerlieblinge, die sich selber am liebsten stilistischer Schubladeneinsortierungen entziehen, liefern mit "(Mankind) The Crafty Ape" ihr drittes Album ab.

Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

"(Mankind) The Crafty Ape" ist das erste Album der Band, das der Verfasser dieser Zeilen zu Gehör bekommt. Dem Vernehmen nach agieren die Briten hier so "direkt" und "auf den Punkt kommend" wie nie zuvor. Wenn das tatsächlich so ist, dann entsteht hier kein allzu großes Verlangen, die ersten beiden Alben einer intensiven Schallprobe zu unterziehen. Denn, ganz ehrlich: Es gibt nicht wenige Passagen, die mich schlichtes Gemüt einfach überfordern. Und das – siehe das Eingangszitat des Herrn Johann Wolfgang G. – obwohl ich das Doppelalbum über Wochen gehört habe. 20, 25 Mal. Mindestens.

Zwei Seelen wohnen, ach!, in meiner Brust.


Auf der einen Seite haben CRIPPLED BLACK PHOENIX, die irgendwo zwischen Progressive Rock, Post Rock, Alternative und Folk agieren ("irgendwo" trifft’s dabei ziemlich gut, denn so richtig fassen kann man ihren Sound nicht) richtig, richtig tolle Songs. Wuchtig, intensiv, ausufernd. "Get Down And Live With It” zum Beispiel. Oder das abschließende "Faced With Complete Failure, Utter Defiance Is The Only Response”. Songs, die berühren, die mitreißen. Songs, die einladen, sich mit dem Kopfhörer zurückzuziehen und sie auf Dauerschleife zu hören. Große Epen, wunderbar instrumentiert und dargeboten, in ihrer Erhabenheit mit Worten nur unzureichend nahezukommen. Doch dann gibt’s wiederum Passagen, die nur aus wummernden Dissonanzen, Kirchenglockengebimmel oder Gitarrenfeedback zu bestehen scheinen. Das ist bestimmt aus künstlerischer Sicht ausnehmend wert-, still- und gehaltvoll, provoziert in mir aber den dringenden Wunsch, die Skip-Taste zu betätigen. Habe ich eine zu kurze Aufmerksamkeitsspanne?

Hier bin ich Mensch, hier darf ich′s sein.

Wenn man das Album auf eine Dreiviertelstunde kürzen würde, dann, ja dann, wäre "(Mankind) The Crafty Ape" für mich ein Meisterwerk. Mir ist klar, dass das aus künstlerischer Sicht natürlich kein Ansatz ist. Goethe hätte sich sicherlich auch dagegen verwehrt, seinen Faust auf die Gretchenfrage reduzieren zu lassen. So bleibt es dabei, dass der Rezensent höchst gespalten ist, was CRIPPLED BLACK PHOENIX betrifft. Unterm Strich hat das Doppelalbum zu viele Längen – aber eben auch diese tollen Songs. Und am Ende überwiegen dann doch diese mitreißenden Momente.

FAZIT: Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehn!

11 von 15 Punkten


Review von: Lutz Koroleski (Oger) (Profil)

Ich bin erst mit dem letzten Output "I, Vigilante" auf dieses Projekt aufmerksam geworden und vor allem die wunderschönen und hypnotischen Melodien dieses Albums haben mich seinerzeit stark beeindruckt. "(Mankind) the Crafty Ape" klingt über weite Strecken völlig anders als der Vorgänger und man muss sich bis zur zweiten der beiden enthaltenen CDs gedulden, bis man auf ähnliche Klänge stößt. Das kurze Instrumental "(Dig, Bury, Deny)" und das anschließende "Operation Mincemeat" operieren mit ähnlichen Zutaten wie z.B. "We Forgotten Who We Are" oder "Fantastic Justice" vor zwei Jahren. Der Rest des Albums ist – vor allem auf der ersten CD - deutlich härter, schneller und rhythmischer gehalten. Songs wie "Get Down And Live With It", "Laying Traps" oder "Born In A Hurricane” entfalten sogar echten Groove und zumindest die beiden letztgenannten sind auch ungewöhnlich kompakt und rockig ausgefallen. Daneben gibt es natürlich auch reichlich ausufernde atmosphärische Passagen, die klingen diesmal einige Male sehr deutlich nach PINK FLOYD, vor allem beim Opener "The Heart Of Every Country" und "The Brain / Poznan" ist das besonders auffällig. Dabei wirkt der eine oder andere der zumeist sehr spacigen Instrumental-Parts leider ein wenig langatmig. Diese Passagen könnten eventuell im Zusammenhang mit dem Konzept hinter dem Album mehr Sinn machen, aber Texte oder andere diesbezügliche Informationen gab es seitens Plattenfirma leider keine. Bleibt zu erwähnen, dass der Sound sehr beeindruckend ausgefallen ist und eine ungewöhnliche Klang-Tiefe aufweist, wodurch es gibt viele ausgetüftelte Details zu entdecken gibt. Auch in dieser Hinsicht erinnert die Musik an PINK FLOYD.

FAZIT: Das neueste CRIPPLED BLACK PHOENIX-Werk ist im direkten Vergleich zum Vorgänger deutlich weniger packend und eingängig ausgefallen, echte Hits lassen sich auch nach einigen Umläufen nicht wirklich ausmachen. Dafür muss sich die Band den Vorwurf, sich zu wiederholen nicht gefallen lassen und ein vielseitiges und originelles Album ist "(Mankind) the Crafty Ape" allemal geworden.

9 von 15 Punkten


Review von: Sascha Ganser (Profil)

Glocken erschallen aus den – man beachte und genieße die Parallele – Chapel Studios, und feierlich läuten sie ein erneutes Zeitalter des Aufbruchs an. Aufbruch, das ist die dramatische Bestimmung des Phoenix. CRIPPLED BLACK PHOENIX haben ihn als Hoffnungsschimmer über tristem Feld in ihr Vermächtnis aufgenommen. Doch die Bandmitglieder haben Humor: Sie wissen, dass das feierliche Entsteigen aus der Asche als einmaliges Erlebnis konzipiert ist – das wird dann doof, wenn man viele Platten machen will. Also biegen sie die Regeln. Sie brechen ihrem Phoenix die Flügel, legen ihm dabei unbändigen Willen in die Wiege und lassen ihn nun Album für Album immer wieder neue kleine Sprünge machen, auf dass irgendwann mal endgültig der Flug gelinge.

Das Leid des Phoenix ist unser Glück: Die Alben der schrägen Vögel mit dem Wolfsfaible sind allesamt vollgepackt mit überraschenden Wendungen und Höhepunkten, die aus dem Genre-Treffpunkt "Post Rock" herausstechen wie ein zartes Pflänzchen aus dem Dung. Der neue Dreiteiler macht da viel mehr ein Gesetz draus als eine Ausnahme.

Der Piraten-Schunkelrock von "Resurrectionists / Night Raider" ist nie gekappt, aber doch schon mit "I, Vigilante" in apokalyptische Post-Gewässer versenkt worden. Was in den etwas mehr als 40 Minuten der Quasi-EP angedeutet werden konnte, befördert die jetzt verfügbare doppelte Laufzeit mühelos in einen stattlichen Rahmen: Das Bild, das "(Mankind) The Crafty Ape" malt, ist das einer Sumpflandschaft mit einem altenglischen Glockenturm im Hintergrund, die von listig agierenden Männern in Wolfsmasken mit rot glühenden Augen auf der Suche nach Beute durchstreift werden. Aber ein Roboter eröffnet die Platte, als habe er sich aus einem retrofuturistischen Steampunk-Film ans falsche Set verirrt, und während man den gedanklichen Musikspeicher schon nach CYNIC-Parallelen scannt, wird einem zeitgleich bewusst, wie sarkastisch die Zeugnisse menschlichen Fortschrittwillens hier präsentiert werden. Denn am Sound ist nichts futuristisch. Er hängt in der Übergangsschleife zwischen den 60er und 70er Jahren, erinnert im galoppierenden "Laying Traps" stark an THE DEVIL’S BLOOD und ist dabei so herrlich altbacken wie nur möglich. Der Roboter wird zum Fremdkörper.

Unter der Schirmherrschaft des allmächtigen Glockenturms leben CRIPPLED BLACK PHOENIX nun mit Leidenschaft ihren Hang zur Unzugänglichkeit aus, bis es nicht mehr anders geht und einem doch noch ein wundervoller Refrain um die Ohren gehauen wird. Während man sich noch über den Dreck an seinen Gummistiefeln ärgert, kommt plötzlich ein Stück wie "The Heart Of Every Country" daher, das mit punktgenauen Pianoakzenten eine ebenso simple wie effektive Gesangslinie in zwei unterschiedliche Tonlagen bettet. Dann richten die Männer hinter Hundemasken wieder ihre Lauscher auf, als ihnen mit einem verzerrten, hypnotischen Riff aus tiefsten Postrocktümpeln ein Brief gewidmet wird. Nehmt dies, falsche Raubtiere. Darauf folgt wieder träges Stolpern von einer Szene in die andere: "Born In A Hurricane" bringt Blaxploitation-Trompeten, "(What?)" geht ins Hispanische, der "(not very nice) suggestion" wurzelt in simplen Gitarren-Stimmübungen und marschiert dann der Wüste entgegen – dort hin, wo "(Dig, Bury, Deny)" das Cowboyzelt unter freiem Himmel aufschlägt, während die Augen der Kojoten aus dem Gestrüpp heraus durch das Licht des Lagerfeuers und der Sterne zum Funkeln gebracht werden.

Diese Wandlungen der Stilrichtung vollziehen sich allesamt beiläufig und mit erstaunlich vielen "leeren" Intermezzo-Passagen, in denen nichts als Atmosphäre aufgebaut wird – Songstrukturen? In einem von zwei Fällen Fehlanzeige. Das lässt bewusst ausgestalteten Songs wie dem mit Bläsern und Mann-Frau-Duett ausgestatteten "Operation Mincemeat" viel Platz zum Strahlen. Unglaublich, welche Kraft in den eigentlich sehr sanften Arrangements dieses Stückes liegt.

FAZIT: CRIPPLED BLACK PHOENIX haben das geliefert, was man von ihnen erwartete. Und das ist nicht wenig: "(Mankind) The Crafty Ape" ist ein episches, unberechenbares, schwer zugängliches und manchmal nerviges, aber dennoch brillant aufgezogenes Mysterium, das bisweilen so sehr Pop-Art ist wie sein Coverartwork, dann aber wieder seine enorme Komplexität und Tiefe unter Beweis stellt. Zwischen Western- und Wüstenjam, Postrock (der manchmal zum Grunge wird) und BOHREN UND DER CLUB OF GORE-Boringness, Sixties-Flippigkeit und ISIS-Existenzialismus, irgendwo dazwischen liegt der Phoenix und arbeitet wie versessen an seinem Befreiungsschlag, dessen Dramatik seine Herrchen bis auf den letzten Tropfen ausreizen, ohne die Karte jemals ganz auszuspielen.

12 von 15 Punkten


Review von: Jochen König (Profil)

Wenn Alben bereits Monate vor der Veröffentlichung als kommende Meisterwerke lobgepreist werden, ist das meist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits steigt die Vorfreude, andererseits werden Erwartungshaltungen aufgebaut, die oft kaum zu erfüllen sind. Dass man geneigt ist, solche mit Vorschusslorbeeren bedachten Werke einer besonders kritischen Betrachtung zu unterziehen, kommt noch hinzu. "(Mankind) The Crafty Ape"  ist so ein Album. Doppelalbum. Bereits im Herbst letzten Jahres erschienen die ersten Meldungen, dass das fünfte Album von CRIPPLED BLACK PHOENIX der bisherige Höhepunkt im Schaffen der Band sei. Geschickt (oder ungeschickt?) lanciert oder wussten Vorabhörer, wovon sie sprechen? Wie auch immer,  jetzt ist der "Crafty Ape" da, Gelegenheit sich selbst ein Bild zu machen und nachzuschauen, bzw. zu hören, wie hoch die Lorbeeren hängen.

Sie hängen verdammt hoch, und um gleich zum Schluss zu kommen: Das können sie auch. Natürlich hängt ein Verdacht direkt daneben. Da veröffentlicht eine Band,  die sich bisher durch ihren intelligenten Umgang mit der Geschichte PINK FlOYDs ausgezeichnet hat, ein Konzept-Doppelalbum: Ist hier ein neues "The Wall" am Start, Magnum Opus und Ende einer Ära zugleich (das spätere "The Final Cut", ein mehr oder weniger gelungener "The Wall"-Ableger und eigentlich die erste ROGER-WATERS-Soloscheibe lassen wir außen vor)?

Entwarnung: Ist es nicht. Zwar lenken die ersten martialischen Akkorde – kommt bekannt vor? Wäre möglich, doch wo waren bei "In The Flesh" die Computerstimme und die Bläser? - gleich den Verdacht in diese Richtung, doch dann, nach wenigen Sekunden: Pause, innehalten. Mehr "Mockingbird" unter Ritalin als ein Rennen wie die Hölle. So sind sie halt. Hauen dir die opulenten Melodien um die Ohren, laden sogar für Sekunden die fast vergessenen LE MYSTÉRE DES VOIX BULGARES ein,  bauen Stimmungen auf, die geradezu nach Explosionen schreien und brechen dann ab. Oder spielen weiter. Immer weiter. Art-, Glam-, Blues-, Post- und sogar ein bisschen Folk-Rock wird zelebriert, gebrochen, wieder aufgenommen, weitergeführt, erlebt Steigerungen ins Unheimliche und Schöne, doch eins tut es nicht: Zerspringen in zerstörerischer Wucht. 

Wenn man CRIPPLED BLACK PHOENIX etwas vorwerfen kann, dann dass sie so verdammt clever sind. Dass man ihnen zutraut, (Rock)musik als Fundus betrachten, den man nach Belieben ausschlachten kann. Und das hat nun mal den Ruch des Kalküls. Oder ist es doch nur Finesse oder die Kunst der wahren Besessenen mit scharfem Blick, die genau wissen, dass man das Fiese, Gemeine und möglicherweise Wahre viel besser unter die Hörerschaft bringen kann, wenn man es berauschend verpackt?  Die Menschheit kollektiv als listige Affen zu betrachten, bzw. als schlaumeiernde Affen, und dies mit einer Musik zu verbinden, die Wehmut, Sehnsucht und Wahnsinn im Schatten eines Lagerfeuers von der ersten bis zur letzten Note ausstrahlt, ist große Kunst. Nicht die Kunst der Straße, sondern der philosophischen Sezierung.

Drei Kapitel: "Ein Faden", "Die Falle" und "The Blues Of Man". Die Wegpunkte zwischen "Wir sind Nicht(s)" und "Konfrontiert mit totalem Versagen, ist völlige Missachtung die einzige Antwort".  CRIPPLED BLACK PHOENIX haben nichts weniger als die Menschheitsgeschichte im Blick. Der Blick eines hoffnungslosen Idealisten, der am Ende nur Entsetzen provoziert. Das aber wird klanglich und melodisch von geradezu gegensätzlicher Größe ad absurdum geführt. Ein dialektischer Diskurs, der weiß, dass die wahrhaft ausgekochten Affen beides beherrschen: Schönheit und Schrecken zugleich produzieren zu können. 

"(Mankind) The Crafty Ape" trifft ins Nervzentrum eines überbordeneden Progressiv Rocks, der in der Wahl seiner Mittel zwischen Größe und Wahnsinn herumtobt.  Doch CRIPPLED BLACK PHOENIX sind weder bibeltreue Heilsbringer noch esoterische JAsager zum Neuen Zeitalter von was auch immer. Sie pendeln zwischen möglichen ideellen Vorfahren Dante Alighieri, T.S. Eliot und Mark Twain, sehen sich das Treiben der Menschen kritisch an und wissen genau, dass es meist nur mit finsterem Humor zu ertragen ist. Was nicht nur die Songtitel zeigen. Huckleberry Finn als musikalischer Bombenleger…
 
… "This is the Blues I’m singing”:  CRIPPLED BLACK PHOENIX können auch das. Und mit "Faced With Complete Failure, Utter Defiance Is The Only Response" endet die Menschheit in einem orgiastischen Finale. Das mit einem minutenlangen Rauschen, Knistern, Verkohlen ausklingt.  Nicht mal mehr mit Gewimmer.

FAZIT:  Ob "(Mankind) The Crafty Ape" ein Meisterwerk  ist? Einfache Frage, einfache Antwort: Ja. Und schon gar kein Endpunkt. Sollten CRIPPLED BLACK PHOENIX nicht aus unerfindlichen Gründen auf die Idee kommen, sich aufzulösen, müssen wir uns keine Sorgen machen, was die musikalische Zukunft betrifft. Zwischen dem Geist PINK FLOYDs und all dem was Rock noch an Emotionen, dunklem Witz und Höllentripps, die nicht nach Death Metal klingen, zu bieten hat, spielt eine gewachsene Band ihr geschlossenstes Album ein; das durch eine Offenheit überzeugt, die diesmal nicht in Einzelteile zerfällt.

Ein völlig aus dem Ruder gelaufener Witz – den ich trotzdem und gerade deswegen sehr mag – wie das zuckerpoppige "Burning Bridges" (oder "wie mache ich mir eine Kriegskomödie rund") oder die aalglatte, und dadurch im Kontext umso verstörendere – Coverversion eines JOURNEY-Schmusehits kommt auf "(Mankind) The Crafty Ape" nicht mehr vor.      

Was aus CRIPPLED BLACK PHOENIX geworden ist, kann man demnächst hierzulande Live erleben. "Da die Band ca. 2,5 Stunden spielen wird, beginnt das Konzert absolut pünktlich und ohne Vorband"! Das ist mal eine Ankündigung!

"(Mankind) The Crafty Ape" befestigt die Messlatte für meine Liga außergewöhnlicher Alben des Jahres 2012 bereits im ersten Monat in immenser Höhe.

PS: Dass es sich bei dem mehrfach kurz eingesetzten Hintergrundchor (bei weitem nicht nicht so offensiv wie beim Debüt von VAST)  um die LE MYSTÉRE DES VOIX BULGARES (gesampelt) handelt, ist eine Vermutung.  Genaue Infos lagen der Promo CD nämlich nicht bei, und im Netz ist auch nichts zu finden. Genauer gesagt: Es gab überhaupt KEINE Informationen zum Album. Nur ein Cover mit dem Tracklisting.

PPS: Sollte "Operation Mincemeat" (Google sagt: "Betrieb Hackfleisch") KEINE Parodie auf QUEENSRYCHEs "Operation Mindcrime" sein – der Titel ist trotzdem von montypythonesquer Größe.

14 von 15 Punkten

Durchschnittspunktzahl: 11,6 von 15 Punkten

zu den Massen-Review-Charts >>>

Andreas Schulz (Info)