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Interview mit Whalerider (07.02.2015)
Mit ihrem jüngst selbst verlegten Langspielalbum „Thanatos“ sacken WHALERIDER einiges Lob ein, und zwar Szene-übergreifend. Hier und da wird das Debut noch als Demo bewertet, doch der Begeisterung tut das keinen Abbruch. Das Quartett aus Mannheim schließt derweil in punkto Songwriting und Darbietung zu den „Großen“ im weiten Rund bewegender – nicht um zu sagen lässig wie anspruchsvoll Arsch tretender – Rock Musik auf. Und aufs Maul gefallen sind die Jungs auch nicht, wie im folgenden Interview mit Sahba (Gitarren), Max (Gesang, Bass), Patrick (Gitarre, Gesang) und Daniel (Schlagzeug) zu lesen...
In den letzten Wochen habt Ihr manch prächtige „Kritik“ für Euer Debut „Thanatos“ eingeheimst, und ich finde, Ihr habt Euch das mit diesem Monster-Album redlich verdient. Allerdings scheint ein wenig Konfusion zu herrschen, was „Thanatos“ letztlich darstellt, darum Butter bei die Fische: das ist doch kein Demo, oder?
Max: „Thanatos“ war nie ein Demo und wird es auch nie sein. Vielmehr ist es ein durchkonzeptioniertes Album mit viel Spielraum zum Interpretieren und Entdecken. Wir haben ein vollwertiges Album kreiert, das wir letztlich in DIY-Manier veröffentlicht haben. Uns war ehrlich gesagt nicht bewusst, dass es einen „Label-Stempel“ benötigt, um auch von etablierten Zeitschriften Anerkennung unseres Werkes zu erhalten. Die Ansicht, dass „Thanatos“ ein Demo sei und kein Album, nur weil wir ohne eine Plattenfirma arbeiten, teilen wir also nicht.
Sahba: „Thanatos“ stellt unseren Beitrag zum Thema Rock im Jahr 2014 dar. Dabei bedienen wir uns an Stilen und Elementen, die auch allen Anderen zur Verfügung stehen. Wie beim Kochen macht die Menge und die Kombination der Gewürze den Geschmack aus. Unsere Musik ist auch Geschmacksache. Das Wesen und Charakter eines Albums entsteht auch durch die Kontraste zwischen den einzelnen Songs und wie sie sich nebeneinander verhalten bzw. wirken.
Täuscht der Eindruck, dass Ihr Euch nach „Was It Only A Dream?“ erst mal Zeit gelassen habt; was waren die Gründe dafür? Habt Ihr auch mal Gedanken daran verschwendet, welcher Zeitraum zwischen zwei Veröffentlichungen aus Marketing-technischer Sicht „angemessen“ wäre, oder sind solche Fragen für Euch ohnehin reiner Humbug?
Sahba: Wir haben uns irgendwann darauf verständigt, nichts zu veröffentlichen, was unserer Meinung nach nicht Hand und Fuß hat bzw. nicht unseren Vorstellungen entspricht. Die Albumproduktion hat länger gedauert als gedacht. Ursprünglich war ein Song wie „Thanatos“ z.B. rein instrumental, hatte coole Riffs aber er führte ins Nichts. Auch „I Am Tarantula“ war ein Song bei dem wir nachsitzen mussten. Vieles hat sich spontan ergeben, einiges hat sich geändert und entwickelt, wir sind vor und zurück gerudert. Wir haben einen späten Release in Kauf genommen, um dem Album das zu geben was es braucht: eine Seele und eine eigene Sicht der Dinge.
Max: Wir sind damals nicht mit dem Gedanken in Studio gegangen, dass wir drei Monate später das Album releasen. Natürlich haben wir uns Gedanken darüber gemacht welcher Zeitpunkt optimal gewesen wäre, genauso wie wir uns vorher überlegt hatten, welche Songs auf das Album kommen, wie das Artwork aussieht oder in welcher Verpackung das alles die größte Wirkung entfaltet. Unsere Priorität war aber immer, das Bestmögliche abzuliefern. Auch wenn das eine längere Produktionszeit in Anspruch nehmen musste. Mit Thanatos haben wir uns ein Album geschaffen, das uns auch noch in 20 Jahren gefallen wird.
Als selektiver Hörer mit ausgesucht schlechter Laune und Hang zu elitärem Dünkel gegenüber Otto-Normal-Hörern finde ich ja grundsätzlich alles völlig sch****, was auch nur ansatzweise im herkömmlichen Radio laufen könnte. Insofern müsste ich einen so eingängigen Song wie „Feed My Affection“ auf Teufel komm raus ablehnen, doch selbst dieser Track bringt mit zum Mitwippen und schlimmer noch: Der gefällige Refrain windet sich wie ein Wurm auf Schneckenschleim in meine Ohren – wie genau macht Ihr das?!
Sahba: Wir haben da keinerlei Berührungsängste. Weder als Zuhörer noch als Musiker. Ich bin ein riesen Pop-Fan und bin auch mit Bands aufgewachsen, die echtes Songwriting betrieben haben. Der Refrain von „Feed My Affection“ ist eine Verneigung vor Bob Mould, The Breeders, Oasis, Ride, The Stone Roses und The Posies. Dazu kommt, dass ich Tom Petty vergöttere. Für mich ist der Reiz und die Erfüllung geile Hooklines und Refrains zu schreiben größer, als mich ausschließlich auf rifforientierte Songs zu begrenzen. Zudem sollte meiner Meinung nach das Songwriting wieder mutiger und individueller werden. Beginnend damit, dass man sich frei von irgendwelchen dont's und do's macht. Auch in einem konservativen Genre wie dem Stoner Rock kann man noch frisch und inspiriert klingen. Red Fang und Elder sind nur zwei bekannte Beispiele hierfür.
Daniel: Die Songs müssen live und auf der Platte Spaß machen. Wenn das der Fall ist, schwappt auch die Euphorie auf den Zuhörer über. Und daran orientieren wir uns.
Nun bin ich längst nicht der einzige vornehmlich im garstigten Metal aufgewachsene Schrat, den Ihr mit „Thanatos“ fasziniert, sondern Ihr begeistert Hörer etlicher Genres und sprecht sowohl Teile der Metal- als auch die Indie-Fraktion an. Sind Eure Hörer also inkonsequente Hipster-Schwuchteln, oder spricht das einfach nur für die Hippie-Qualitäten von Whalerider?
Sahba: Nochmal, wir hatten und haben weiterhin nicht vor den Geschmack bestimmter Zuhörergruppen zu treffen. Wenn Menschen an den Songs Freude haben, dann freuen wir uns darüber. In erster Linie wollen wir aber selbst zufrieden sein. Und ganz ehrlich weiß ich gar nicht, wer genau „unsere Zuhörer“ sind (lacht). Aber mir ist aufgefallen, dass man sich nach den Shows mit Menschen mit verschiedensten Musikgeschmäckern unterhält. Das finde ich total spannend. Ich muss mich nicht jeden Abend über die neue Platte von Conan, den neuen Song von Sleep oder die Verhaftung von Wino auf der letzten St. Vitus Europatour unterhalten. Es kommen auch Leute mit Sebadoh und Unsane Shirts auf unsere Shows.
Ohne Euch jetzt nur Honig in die Bärte schmieren zu wollen, aber in punkto Songwriting erinnert mich auf „Thanatos“ so einiges an Porcupine Tree (Konsequenz), Amplifier (Flow) und Alice In Chains (Intensität), und so ganz nebenbei schüttelt Ihr hier und da Riffs aus dem Ärmel, für die andere Musiker ihre Großmütter verkaufen würden. Nun mache ich die traumatische Erfahrung, dass sich „kleinere“ Rock-Bands mit ähnlicher Faszinationskraft, also z.B. Oceansize oder Pure Reason Revolution, mirnichtsdirnichts auflösen... was kann Euch davon abhalten und im Gegenteil dazu bewegen, weiter vor überschaubarem Publikum für geringe Gage zu spielen und ein Dasein als „Kritiker-Lieblinge“ zu fristen?
Sahba: Ich denke, was uns mit den genannten Bands verbindet sind vor allem die gemeinsamen Einflüsse: Soundgarden, Led Zeppelin, Black Sabbath… Das Intro-Riff von „What's In Your Head“ ist ein Kniefall vor Kim Thayil und Soundgarden. Max ist hinsichtlich der Vocals hörbar ein großer Radiohead und Nine Inch Nails Fan. Wir haben jetzt ein erstes Album ausgepackt. Wenn wir nach dem dritten Album immer noch nicht mit Gwen Stefani auf Welttour gehen, sollten wir uns ernsthaft Gedanken machen (lacht). Ich sehe die Sache sportlich. Das ist der Preis, den wir zahlen, um unsere künstlerische Freiheit zu bewahren. Wir können uns ohne weiteres vorstellen mit dem nächsten Album komplett anders zu klingen. Das macht es für Labels nicht einfacher, so eine Band zu platzieren.
Max: Ich fühle mich geehrt, mit den genannten Bands verglichen zu werden und in der Tat gehören diese auch zu den größten Einflüssen unserer Musik. Doch auch diese Bands haben es nicht immer leicht gehabt. Porcupine Tree haben sechs oder sieben Alben veröffentlichen müssen, bis sie irgendwann einmal wahrgenommen wurden. Der Traum vom großen Rockstar-Dasein ist ein antiquierter Gedanke. Mit 14 Jahren ist das ein gutes Ziel, um ein Instrument zu lernen und eine Band zu gründen. Wir machen Musik aus Liebe zur Musik und ein überschaubares Publikum ist immerhin ein Publikum. Das Wichtigste ist doch, dass es innerhalb der Band rund läuft. Da habe ich lieber eine „unbekannte“ Band mit einem guten Vibe, als eine große Stadienband, die getrennt anreisen muss, weil sich sonst die Bandmitglieder die Köpfe einschlagen.
Mit „Devil Got Me“ und „Found A Lie“ habt Ihr zwei Songs vom Demo neu aufgenommen und in der Tat sind beide enorm gewachsen, ohne an Charisma zu verlieren, was nicht ganz selbstverständlich ist. Ist das ein Ergebnis Eurer selbstkritischen Herangehensweise?
Sahba: Ursprünglich haben wir damals diese Songs aufgenommen, um sie auch zu Hause hören zu können und uns damit für Shows zu bewerben. Es war nicht geplant, sie als Demo zu veröffentlichen. Wir wollten die Songs dann nochmal in einer entsprechend aufwändigeren Studioqualität aufnehmen und sie nicht unter Wert liegen und verstauben lassen.
Patrick: Die „Was It Only A Dream?“ EP war ein super Anfang, um einen ersten Eindruck von unserer Musik zu erhalten und die Songs darauf fangen die Stimmung und Atmosphäre sehr gut ein. Das, was uns gefehlt hatte, war der drückende Live-Sound. Ein Song wie „Found A Lie“ braucht nach dem Intro diese brachiale Gitarrenwand, um richtig zu wirken. Wenn es in der Magengrube vibriert, haben wir alles richtig gemacht (lacht).
Hebt Ihr Euch eine Neueinspielung des wahrlich grandiosen Songs „Was It Only A Dream?“ für die super-schnieke Vinyl-Edition von „Thanatos“ auf, die wohl nur noch ein Frage der Zeit ist?
Sahba: Oh Mann! Das wäre echt eine große Sache, wenn wir eines schönen Tages „Thanatos“ als Vinyl in unseren Händen halten. Vor allem bei dem großartigen Artwork von Lars Henkel. Hab dich lieb, Lars! Wir haben tatsächlich darüber geredet, ob wir „Was It Only A Dream?“ nochmal aufnehmen. Eventuell mit Vocals und in neuem Gewand. Man wird sehen.
Daniel: Ist eben alles eine Sache des Budgets. Dem Artwork würde ein dickes Gatefold Cover, hochwertiges 180 Gramm Vinyl mit mehreren Farben gerecht werden. Wir werden uns in nächster Zeit Gedanken dazu machen, wie wir das finanzieren werden.
Kinderarbeit ist ja nicht nur in der Textilherstellung (Merchandise!) eine tolle Gelegenheit, den Nachwuchs vom sinnlosen Gefuchtel mit Mobiltelefonen abzuhalten, sondern auch die Aufnahme für „Sleepy Hound“ macht atmosphärisch ähnlich viel Sinn wie bei einem Pink-Floyd-Klassiker. Wie groß war die Freude der Kleinen, an den Aufnahmen für ein Rock-Album beteiligt zu werden?
Sahba: Das war für alle eine spannende und tolle Erfahrung! Die Kids waren voll dabei und haben super mitgemacht. Eine schöne Erinnerung, die man für immer mit nimmt.
Max: Die Kinder waren an diesem Tag mindestens genauso aufgeregt wie wir selbst. Letztlich war es ein sehr schöner und spassiger Tag und viele glückliche Gesichter! Ich wünschte, wir hätten die Möglichkeit gehabt so etwas während unserer Schulzeit machen können.
Andernorts habe ich gelesen, dass Ihr mit „Thanatos“ ein Album aufnehmen wolltet, das Ihr selbst noch in 20 Jahren gerne hört – eine solche Anspruchshaltung wünsche ich einigen anderen Bands, die sich latent größenwahnsinnig mit vergleichsweise halbgaren Aufnahmen wie die Könige präsentieren. Seid Ihr eigentlich glücklich und zufrieden mit dem Resultat?
WHALERIDER: Ja!
„Thanatos“ ist nicht nur ein Albumtitel, der die Assoziationen Sensenmann und Fischsuppe nahelegt, sondern auch ein Longtrack, der auf Compilations namhafter Rock- und Metal-Magazine gehört. Gab es da im Vorfeld Momente, wo Ihr selbst gestaunt habt, wie sich dieser Song entwickelt und wohin er Euch – und die Hörer – trägt?
Sahba: Wie schon gesagt haben sich einige Songs unglaublich weiterentwickelt. Wenn ich in die Pre-Production und die frühen Recordings reinhöre muss ich teilweise echt schmunzeln. Ich denke da an die Bläser bei „I Am Tarantula“ oder Last-Minute Kreationen wie „Your Undying Memory“. Die Skits und Soundspielerein zwischen den einzelnen Songs haben natürlich die Stimmung des Albums auf die Spitze getrieben. Und daher war auch für uns die Entwicklung bis zuletzt spannend, weil eben vieles ganz spontan passiert ist.
Patrick: Tatsächlich ist es für uns auch ein Anreiz, die Songs aufzunehmen. Grobe Songgerüste haben wir relativ schnell stehen. Der Feinschliff entsteht beim Arbeiten mit den aufgenommenen Stücken. Wir freuen uns schon darauf, wenn wir an unseren neuen Songs wieder diesen Prozess durchleben. Das gehört zu aufregendsten Phasen unseres Songwritings, denn wir wissen selbst nicht, was währenddessen passiert und wohin es uns führt.
Um es mit der jungen von Ohr zu Ohr grinsenden Dame aus der Margarine-Werbung zu sagen: Eure Produktion ist „voll fett“, bzw. furz- bis knochentrocken einerseits, dynamisch und druckvoll andererseits. Für eine Band ohne großes Label klingt das ganz erstaunlich professionell, wenn nicht noch besser, denn auf „Thanatos“ lassen sich etliche Stellen finden, die eine innige Liebe zu warmen Klängen und zu akustischen Details reflektieren. Wie viele Sparschweine mussten daran glauben und was sagen Eure besseren Hälften dazu, wenn dafür die Urlaubsreise kürzer ausfällt?
Max: Über Geld spricht man ja bekanntlich nicht (lacht). So viel können wir dennoch sagen: Der große Vorteil einer langen Produktionszeit besteht darin, dass die Kosten gestückelt angefallen sind. Viele Arbeiten der Post-Produktion haben uns außerdem hauptsächlich Zeit statt Geld gekostet.
Apropos Label: Ich habe ja mehrfach verkündet, dass ich Euch aus künstlerisch-musikalischer Hinsicht vom Fleck weg ein Angebot unterbreiten würde, da ich Euch für eine der hoffnungsvollsten jungen Rock-Bands (im weitesten Sinne) dieser Tage halte; doch ich finde, Ihr habt mehr verdient, als ich Euch auf einem kleinen Label wie Trollmusic bieten könnte, und ich würde mich daher mit Euch freuen, wenn Superball Music oder Kscope anklopfen würden – wie sieht es da zwischen Traum und Wirklichkeit bei Euch aus?
Sahba: Mit dem nächsten Album mischen wir die Karten neu und sind offen für eine Zusammenarbeit. Ich hoffe du stehst auf Dubstep, haha. Uns ist es vor allem wichtig, dass wir zum einen nur mit Menschen zusammenarbeiten, die wir respektieren und zum anderen mit der Kooperation spürbar weiterkommen.
Daniel : Ein Label sollte ja auch Begeisterung für die Musik empfinden. Es müsste schon jemand auf uns zukommen, der mit unserer Musik auch was anfangen kann und dahinter steht.
Mit wem wollt und mit wem werdet Ihr in nächster Zeit die Bühnenbretter teilen, um ein Feinschmecker-Publikum davon zu überzeugen, dass die großen Viecher geritten, aber nicht gegessen werden sollen? Und könnt Ihr auch Fast-Food-Gören in Euren Bann ziehen?
Max: Die Liste der Bands, mit denen wir gerne mal auf der Bühne stehen würden, ist lang und reicht von realistisch bis utopisch. Wir werden sehen, was sich nächstes Jahr ergeben wird.
Eure guten Vorsätze für 2015?
Patrick: Möglichst viel live spielen und Songs schreiben, Songs schreiben und noch mehr Songs schreiben...
Max: Mit dem Rauchen aufhören und mehr Bier trinken! (lacht)
Herzlichen Dank, dass Ihr Euch mal wieder die Zeit genommen habt! Ich freue mich auf Konzerte und hoffentlich noch ein paar weitere spannende und mit so viel Liebe eingespielte Alben!
WHALERIDER: Dir auch vielen Dank für das die Interview! Wir sehen uns in 2015.