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Interview mit Opeth (11.10.2011)
Mit "Heritage" haben OPETH eine der großen Überraschungen des Jahres abgeliefert. Aber wie das mit Überraschungen nun mal so ist, kommen sie nicht bei allen gleich gut an, was unser Massen-Review belegt. Ein paar Wochen vor Veröffentlichung des Albums trafen wir den wie immer sehr redseligen Sänger und Songschreiber Mikael Åkerfeldt im Kölner Büro von Roadrunner zum Interview, das in gekürzter Form bereits in der aktuellen Ausgabe des LEGACY zu lesen war. Hier nun das komplette Interview im Wortlaut.
Mikael, wie fühlt es sich an, wenn du darüber nachdenkst, wie die Fans euer neues Album finden werden?
Er seufzt erstmal tief.
Oder denkst du überhaupt darüber nach?
Ja, ich denke darüber nach, aber das verändert mich nicht. Die Fans haben ihre eigenen Ideen über die Musik die wir machen, bestenfalls mögen sie es, aber wenn nicht, dann verändert uns das nicht. Man macht gewisse Dinge, aber diese Band beruhte nie darauf, zu versuchen, die Fans glücklich zu machen, wir hatten nur das Glück, dass sie ein paar der Sachen, die wir so gemacht haben, mochten. Wir sind schon so lange dabei und manchmal bindet man die Fans über eine gewisse Zeit hinweg, aber dann mögen sie dieses oder jenes Album nicht, aber das nächste dann doch wieder oder sie mögen die Band überhaupt nicht mehr und verschwinden oder kommen auch manchmal wieder. Ich bin nicht wirklich daran interessiert, die Fans zufrieden zu stellen, aber selbst wenn ich es wäre, wäre es immer noch unmöglich. Wir versuchen Musik zu machen, die wir selber hören möchten.
Es gab ein Statement von dir, dass "Heritage" das Album sei, das du immer machen wolltest. Würde dich dann negatives Feedback mehr treffen?
Bisher gab es ja noch gar kein negatives Feedback. Die meisten Leute, die das Album gehört haben, fanden es interessant, besonders in der Metalszene. Die Metalszene ist meiner Meinung nach ziemlich abgestanden, es gibt zwar viele Bands, aber nur sehr wenig Experimentierfreude, wenig Entwicklung. Deshalb höre ich auch kaum zeitgemäßen Metal, ich höre natürlich alten Metal, denn ich liebe Metal ja immer noch, weshalb ich auch das Bedürfnis verspüre, Kritik zu äußern und dagegen zu rebellieren. Und damit auch gegen uns selbst zu rebellieren in gewisser Weise. Ich wollte nie Musiker werden, um so eingeengt zu sein, wie man es in einem anderen Job ist. Wir kümmern uns selbst um diese Band, wir haben bei nichts angefangen und wir haben alle Ideale mit dieser Band, eben die Musik zu schreiben und zu spielen, die wir mögen und uns weiterzuentwickeln. Deshalb ist auch keine Platte ein Statement im Sinne von "So werden wir für immer klingen", so mögen wir es nur im Moment und so entwickeln wir den Sound für ein oder zwei Alben und dann gibt es üblicherweise eine Art Veränderung.
Du hast es ja schon ein bisschen angesprochen. Ist "Heritage" für OPETH ein Schritt vorwärts, zurück oder zur Seite?
Ich würde es nie als Schritt nach vorn sehen. Als ich angefangen habe, neues Material zu schreiben, hatte ich zwei Songs, die mehr wie eine Fortsetzung des "Watershed"-Materials klangen. Aber das mochte ich nicht wirklich, ich konnte die Songs nicht fühlen. Und das ist immer ein Warnsignal für mich. Wenn ich etwas schreibe und mich dahin gehend selbst verarsche, dass dies der Weg sei, den ich gehen sollte, auch wenn ich tief im Inneren weiß, dass es nicht richtig ist, dann sollten wir da auch nicht weitermachen. Das hat mich dann auch ein bisschen gestresst und ich dachte mir "Verdammt, was mache ich denn jetzt?". Ich bekam dann auch Feedback von unserem Bassisten, als ich ihm die Songs verspielte. Er meinte dann nur "Wenn das das nächste Album werden soll, ist das schon enttäuschend", er erwartete eine Veränderung. Ich eigentlich auch, weil wir diesen Stil ausgereizt haben, mit dem wir auf "Ghost Reveries" und "Watershed", die ja schon sehr ähnlich sind, gearbeitet haben. Wir sind mit diesem Stil am Ende angekommen und deshalb war es Zeit für einen Wechsel. Natürlicherweise ergibt sich so eine Veränderung, wenn man weiß, dass man eine gewisse Zukunft hat. Es fühlte sich an, als würden wir uns eine musikalische Zukunft kaufen, in dem wir dieses Album machen. Ich kann verstehen, dass es für Extreme-Metal-Fans schwierig sein wird, dieses Album zu verdauen, wobei ich mir gar nicht sicher bin, ob solche Leute uns überhaupt noch hören, wir waren ja noch nie die extremste Band schlechthin.
Es gibt ja gar keine Death Metal-Elemente mehr auf dem Album, was einigen Leute sicher nicht gefallen wird. Was sagst du denen? "Hört doch einfach Bloodbath"?
Natürlich werden wir ein paar Leute enttäuschen, aber ich denke, dass unsere Fans sehr verschieden sind und dass sie in gewisser Weise aufgeschlossen sind. Auf dem Papier ist es auch nicht total empörend, dass wir ein Album wie "Heritage" machen, wir haben ja damals auch schon "Damnation" gemacht und hatten immer wieder Songs auf unseren Alben, die nicht wirklich extrem waren. Wir haben natürlich unsere Death-Metal-Wurzeln, weil wir da her kommen und ohne die wären wir auch nicht in der Lage gewesen, "Heritage" zu machen.
Zumal "Heritage" auch ein Album ist, das man sofort als OPETH-Platte identifizieren kann.
Als ich jünger war, hatte ich auch eine Art Tunnelblick und alles, was nicht einem gewissen Schema folgte, war scheiße. Ich mochte es nicht, wenn Bands zu viel experimentierten. Nehmen wir Darkthrone als Beispiel. Ich liebte ihr erstes Album "Soul Journey" und dann machten sie "A Blaze In The Northern Sky" und ich dachte nur "Was zum Teufel ist passiert?" – aber ich mochte es trotzdem. Ich habe es immer respektiert, wenn Musiker andere Wege gegangen sind und versucht haben, ihren Sound zu entwickeln. Man kann halt nicht immer gleich bleiben.
AC/DC und Motörhead können das.
Ja, das stimmt und auch das respektiere ich. Nimmt man aber 100 AC/DC-Fans und fragt sie nach ihren Lieblingsalben der Band, werden die meisten bestimmt ein Album nennen, das vor 30 Jahren erschienen ist und nicht das aktuelle oder eines der letzten zehn. Ich möchte nicht zu dieser Art Band gehören, ich möchte in gewisser Weise musikalisch relevant sein oder zumindest sollen die Leute wissen, woran sie bei uns sind und wenn ein neues Album von uns kommt, sollen sie sagen "Oh, das habe ich nicht erwartet."
Hast du denn das Gefühl, OPETH mit diesem Album neu erfunden zu haben oder ist "Heritage" die unvermeidliche Verbesserung eures Sounds?
Ein bisschen von beidem, denke ich. Aber wie schon gesagt, ich denke nicht, dass wir ein neues Album gemacht hätten, wenn wir nicht auf diesen Sound gegangen wären, insofern haben wir schon eine gewisse Erneuerung. Ich kann mich einfach nicht selbst belügen, ich will von dem, was ich mache, aufgeregt werden.
Das merken die Leute ja auch, ob ein Album ehrlich ist oder nicht.
Ja, richtig, die Leute bemerken Ehrlichkeit. Aber ich denke auch für mich, dass ich ehrlich zu mir selbst sein muss, wenn ich Musik schreibe. Es ist nur Musik, aber sie ist ein so wichtiger Teil meines Lebens, dass es keinen Grund gibt, warum ich mich selbst belügen sollte, was die Musik angeht, die ich mag, besonders wenn es um meine eigene geht. Ich möchte Musik erschaffen, die ich auch selber gerne höre.
Ihr habt euch vor ein paar Monaten von eurem Keyboarder getrennt. War das ein Ergebnis eurer musikalischen Entwicklung?
Nein, das denke ich nicht, zumal er solche Musik auch gerne mag. Es war eher so, dass eine Beziehung zu Ende ging. Er hat sich überhaupt nicht mehr zu den Songs geäußert. Ich hab ja ein Demo für das Album gemacht, das wirklich gut klang und auf dem die Songs schon in der richtigen Reihenfolge waren und alles. Das gab ich den anderen Jungs und sie waren alle ganz aufgeregt, aber er hat nichts dazu gesagt. Als wir im Studio waren, meinte ich zu ihm "Komm schon, tu etwas", aber er schien gar nicht zuzuhören. Er spielte einfach, was ich geschrieben hatte und hat nichts selber beigetragen. Er war nicht glücklich, das war wirklich seltsam. Wir anderen alle waren glücklich und hatten eine super Zeit bei den Aufnahmen, bis er dann mit seinen Aufnahmen angefangen hat, da ging es dann ein bisschen bergab. Letztendlich wollten wir nur noch, dass er die Keyboards für das Album fertig macht, bevor wir getrennte Wege gehen. Wir verbringen viel Zeit miteinander, wir stehen vor einer neuen Welttournee mit einem neuem Album und es würde uns als Kollektiv belasten, wenn wir mit jemandem auf Tour gehen, der nur noch auf dem Papier ein Mitglied ist, aber nicht mehr mit dem Herz. Deshalb hatte er keinen Platz mehr in der Band und ich denke, dass er jetzt auch glücklicher ist.
War es eigentlich schwierig, den Sound für "Heritage" zu finden?
Nein, überhaupt nicht, es war ganz einfach. Das ist auch eines der Probleme, die ich heutzutage mit der Metalszene habe. Man nehme mal die Schlagzeuger. In vielen Fällen können die ja gar nicht richtig spielen, also wird alles getriggert und zusammengepuzzelt und letztendlich klingen die Drums mehr wie von einer Maschine, als von einem Menschen und das ist einfach scheiße. Bei den Gitarren gibt es so viel Verzerrung... dagegen wollten wir ein bisschen rebellieren. Für dieses Album haben wir einfach nur ein paar gute Mikrofone und ein gutes Drumset genommen und die Jungs, die wissen, wie sie ihre Instrumente zu spielen haben. Es war ein ganz einfaches Setup, mit dem wir einfach nur tolle Performances einfangen wollten. Gleiches gilt für die Gitarren, es gibt es nur ganz wenig Verzerrung, aber es ist alles dabei. Zum ersten Mal hört man, wo der Bass ist, man hört einfach alles raus. Wir verstecken uns nicht hinter dem Sound, sondern wir kontrollieren die Aggression mit unseren eigenen Fingern. Wir mussten uns viel mehr darauf fokussieren, was wir spielen. Es ist einfacher, Emotionen zu erschaffen, wenn man nicht diesen heftigen Sound hat, es ist einfacher die Musik tiefgründiger erscheinen zu lassen. Das wollten wir erreichen.
Und wie lange hat es gedauert, das Album aufzunehmen?
20 Tage.
Das ist nicht viel.
Das ist wirklich nicht viel, das ist auch für uns sehr schnell. Unser Drummer Axe und unser Bassist Martin haben live im gleichen Raum aufgenommen und ich denke, man kann diese Energie fühlen. Es war toll, sie so spielen zu sehen. Das hat die Songs noch mal auf ein anderes Level gehoben.
Hattest du denn irgendwelche Bezugspunkte im Hinblick auf den Sound? Irgendwelche Alben, die du als Vorbild genommen hast?
Nein, ich hatte nur meine Demos. Die hatte ich alle mit Software und Plug-ins gemacht, ich habe dafür auch nur ein sehr einfaches Setup am Computer. Ich habe dann Plug-ins genutzt, die zum Beispiel "Vintage Drums" heißen. Schon die Demos waren sehr gut aufgenommen, auch die ganzen Drumparts, die ich selber geschrieben und eingespielt hatte. Wenn ich es so sagen darf, ist mir das wirklich schon sehr gut gelungen. Die Demos habe ich den Jungs dann gegeben. Das mache ich so, weil ich möchte, dass sie es dann noch viel besser machen. Das war wirklich ganz einfach. Jeder wusste, worum es geht und jeder war hungrig danach, so ein Album zu machen und das Demo war der einzige Bezugspunkt. Wir haben dann in einem legendären Studio aufgenommen, das Atlantis Studio heißt und in Stockholm liegt und wo Abba aufgenommen haben. Die Techniker in dem Studio sind da schon seit den 70ern tätig und fragten uns, was wir wollen. Wir haben einfach gesagt, nehmt eure Lieblingsmikrofone für die Bassdrum und für die Snare und die Becken und dann nehmen wir auf. Das Mixing war genauso einfach, da ging es nur darum, die Lautstärken anzupassen. Es gab keine Prä- und keine Postproduktion, es gab kein Editieren, kein Triggern, nur uns wie wir spielen.
Waren die Gesangsaufnahmen eine besondere Herausforderung für dich?
Ja, ein bisschen, ich musste meinen Gesang etwas mehr pushen, aber das wollte ich auch, ich wollte ihn ein bisschen weiter entwickeln. Ich wollte auch aggressiver singen, mehr wie ein Rocksänger, so wie meine Helden David Coverdale oder Ronnie James Dio. Ich bin inzwischen auch selbstbewusster als Sänger und akzeptiere nach zehn Jahren auch die Tatsache, dass ich der Sänger dieser Band bin. Ein guter Sänger zu sein ist für mich Kopfsache, ich hab auch nie irgendeine Form von Training gemacht. Ich kann ein bisschen singen und manchmal besser, als ein anderes Mal, für dieses Album habe ich mich aber selber ein bisschen mehr gepusht. Ich möchte, dass die Leute das Geschrei nicht vermissen, wenn sie das Album hören.
Wer spielt Flöte auf dem Album?
Das ist eine schwedische Legende namens Björn J:son Lindh. Er hat selber in den frühen 70ern im gleichen Studio seine Alben aufgenommen. Er hat einige in Schweden sehr berühmte Songs geschrieben und kommt aus einem Fusion/Jazz-Background. Er ist außerdem ein großartiger Pianist, einfach ein großartiger Musiker und hat auch Streicher und Songs für Abba arrangiert. Wir sind sehr glücklich ihn bekommen zu haben. Wir hatten ein paar Namen auf der Liste für die Flötenparts und ich habe natürlich auch den Typ von Jethro Tull angeschrieben, aber er hat nicht geantwortet.
Zur Mitte hin wird das Album nach kraftvollem Beginn etwas ruhiger, zum Ende hin wird es dann wieder kräftiger. Hattest du da eine bestimmte Dramaturgie im Sinn?
Die Reihenfolge hat keine bestimmte Bedeutung, aber das ist etwas, worauf ich immer besonders viel Acht gebe. Wo passt welcher Song und so. Für meinen Geschmack ist die Reihenfolge für dieses Album einfach perfekt. Steven Wilson hatte darauf aber auch Einfluss, denn meine ursprüngliche Idee war, das Album nach dem Introsong mit dem dritten Song "I Feel The Dark" zu eröffnen, aber er meinte, ich sollte es mit "The Devil’s Orchard" eröffnen, weil es ein direkter Song ist und weil man schneller Zugang zu dieser Nummer bekommt, wenn man eh schon Fan war. Es ist wohl eine psychologische Sache, dass die Leute sehr schnell entscheiden, ob sie Interesse daran haben, ein Album weiter zu hören und dieser Song hat mehr Potenzial, die Leute in das Album hinein zu ziehen.
Wenn du das Album mit einem einzigen Wort beschreiben müsstest, welches Wort wäre es?
Seltsam. Wenn ich schreibe, habe ich so viele verschiedene Einflüsse, zwischen denen ich ständig hin und her wechseln muss, weil ich einfach ruhelos bin. Also seltsam. Ich kann auch absolut verstehen, wenn Leute Schwierigkeiten haben, in das Album hinein zu finden. Ich will aber, dass sie wiederkommen und mehr hören, ich denke, es hat eine längere Halbwertszeit als unsere vorherigen Alben und als Metalalben allgemein. Es ist herausfordernd. Heutzutage hören die Leute ja auch anders Musik als früher, die Leute sitzen vor dem Computer und hören das Album. Das Album verlangt aber nach Zeit, wenn man vor dem Computer sitzt und eine interessante Mail bekommt oder Pornos guckt, wird man die interessanten Kleinigkeiten verpassen. Der beste Weg ist natürlich, sich mit Kopfhörern hinzusetzen oder es beim spazieren oder in der U-Bahn zu hören oder es mit einer Surround-Anlage abzuspielen. Die Leute werden nur halt so schnell unruhig, wenn sie mal längere Zeit still sitzen. Aber wie gesagt, man muss Zeit mit dem Album verbringen, um es zu erfassen.
Stehen das Cover und die Musik im direkten Zusammenhang, gibt es da eine Art Konzept?
Das Cover zeigt im Grunde genommen die Band, unsere Vergangenheit, unsere Zukunft und die Gegenwart. Da ist jede Menge Symbolismus drin, manchmal einfach auch nur albern und lustig. Der Baum symbolisiert natürlich die Band, die Mitglieder sind die Früchte und Per fällt herunter, weil er ja nicht mehr in der Band ist. Dann ist da die blühende Pflanze, die natürlich seinen Nachfolger darstellt. Am Boden sieht man einen Schädelhaufen, das sind die ehemaligen Mitglieder und die Wurzeln führen hinab zum Teufel, was unsere Vergangenheit und unsere Anfänge als Metalband darstellt. Die neun Sterne und die Sonne stehen für unsere Diskografie. Die brennende Stadt hat keinen direkten Bezug zur Band, sondern steht für den Verfall der Zivilisation und die Leute stehen Schlange, um ein Stück von uns zu bekommen, das sie dann rettet...
Wessen Ideen sind da eingeflossen?
Das waren meine Ideen. Der Baum war die Idee unseres Managers. Als ich ihm das Album vorgespielt habe, fragte er, ob ich mir schon Gedanken über das Cover gemacht hätte. Er würde da nämlich einen Baum sehen. Das war nur ein Witz, aber es hat sich in mir festgesetzt und dann dachte ich darüber nach, über die Früchte und die Wurzeln. Ich habe Travis Smith dann eine Email geschickt und habe ihm gesagt, dass ich etwas psychedelisches möchte, mit viel Information darin und vielen Farben, weil wir das noch nie hatten, ich wollte ein Cover, das man sich längere Zeit ansehen kann. Ein weiterer Bezugspunkt, den ich ihm nannte, war das Bild "Triumph des Todes" von Pieter Bruegel dem Älteren, das ist auf dem Cover von einer Greatest Hits von Black Sabbath aus den 70ern. Ich wollte also eine Kreuzung zwischen diesem Bild und dem "Yellow Submarine"-Cover. Es sollte nicht unbedingt etwas lustiges sein, aber die Leute sollen sich das Cover anschauen und lächeln, aber es ist auch viel Ernsthaftigkeit darin.
In "The Devil’s Orchard" heißt es "god is dead". Woran ist er denn gestorben?
Das kann ich nicht beantworten, denn diese Passage wurde einfach von den Demos übernommen. Wenn ich Demos mache, habe ich nur Gesangslinien und muss schnell irgendetwas aufschreiben, damit ich etwas zu singen habe. Das war eine dieser Zeilen: "Take the road where devils speak ´god is dead´." Ich hab das Demo also den anderen Jungs und Steven Wilson vorgespielt und jeder stand sofort darauf. Ich meinte dann, dass ich das noch ändern würde, aber sie meinten alle, dass das nicht ginge und dass ich das drin lassen müsse. Ich hab dann überlegt, was das bedeutet und musste den Rest des Textes dann drum herum schreiben.
Wenn man sich die anderen Songtitel anschaut, bekommt man schnell den Eindruck, dass die Texte alles andere als positiv sind.
Ja, das stimmt. Ich habe ja noch nie positive Texte geschrieben, da macht das neue Album keine Ausnahme. Für mich sind die Texte aber auch sekundär, die Musik ist mir wichtiger. Aber ich bin nun mal Sänger und dann brauche ich auch Texte, die ich singen kann. Ich kann dann aber auch nicht irgendwas schreiben, sondern damit etwas Anständiges bei rum kommt, muss ich Texte schreiben, die mir etwas bedeuten. Auf den letzten beiden Alben war ich etwas persönlicher als vorher, da fand ich es einfacher, Konzeptalben zu machen, weil ich ein Thema hatte und persönliche Dinge vermeiden konnte.
Es gibt ja derzeit eine Art Retrotrend im Metal. Was hältst Du davon?
Du sprichst von Bands wie Graveyard?
Graveyard, Ghost, In Solitude, The Devil’s Blood...
Ich weiß nicht wirklich, was abgeht, aber von denen habe ich schon gehört. Lee Dorian hat mir zum Beispiel das Ghost-Album geschickt und ich fand es schon cool. Ich habe nichts gegen Retro, aber ich möchte nicht, dass wir eine Retroband sind. Ich will im Hier und Jetzt relevant sein. Ich hasse es, wenn jemand ankommt und sagt "Kennst du die und die Band?" "Nein, wer ist das?" "Die klingen genauso wie..." und dann wird eine andere Band genannt. Das habe ich überhaupt keine Interesse dran. Das kann zwar ganz cool sein, wenn der Einfluss so groß ist, das man sagt "das klingt genau wie "Don’t Break The Oath" oder so", aber das inspiriert mich nicht. Ich kann auch Musik mögen, die einfach läuft und wo ich nicht groß nachdenken muss, sondern die ich einfach genieße, ohne dass sie mich inspiriert. Ich habe mich aber nie darum gekümmert, was in der Szene noch so los ist. Ich will kein Teil der Szene sein, ich will ihr voraus sein.
Aber die Leute werden euer neues Album doch sicher auch als retro bezeichnen.
Ja, das tun sie auch schon. Retro, Vintage. Das ist ganz lustig, denn die Einflüsse kommen natürlich von alten Bands aber einige Parts auf dem Album sind für mich neuartige Musik. Das einzige, was retro ist, ist die Produktion und der Sound, wobei wir es auch nicht drauf angelegt haben, alte Sounds zu verwenden, so klang es eben früher. Wenn ein Schlagzeug so aufnimmt, wie wir es aufgenommen haben, dann wird jedes Schlagzeug mit jedem Drummer genau so klingen, einfach weil es keine Postproduktion und keine Trigger gibt. Die moderne Technologie passte einfach nicht zu diesem Album. Wenn man so aufnimmt, wie wir aufgenommen haben und Hammondorgeln, Mellotrons und Fender Rhoads benutzt, dann klingen die Instrumente einfach so, wie sie klingen.
Lass uns noch ein wenig über vergangene Liveauftritte sprechen. Da ich in der Nähe von Essen lebe, fand ich die Ausschnitte aus Essen auf der letzten DVD sehr schön. Was ist deine Erinnerung an die Show in der Lichtburg und an die Stadt?
Ich habe da sehr viele Erinnerungen dran. Wir sind eine Nacht vorher schon angekommen und die Show selber war wirklich toll, sie war eine der besten Shows auf dieser Tour, bei der wir ja nur sechs Shows gespielt haben. Lichtburg war sogar meine liebste Show, sogar noch vor dem Auftritt in der Royal Albert Hall. Es war eine sehr gute Energie in der Lichtburg zu spüren. Danach sind wir noch auf ein paar Biere draußen in einer Kneipe und haben uns einen Döner gekauft. Das war ein wirklich guter Abend, tolle Show, schöne Location und auch der Umgang mit den Fans war sehr relaxt.
2009 habt ihr beim Rock Hard Festival im Amphitheater in Gelsenkirchen gespielt. Jeder sagt ja, dass dieses Festival etwas Besonderes sei, warum ist das deiner Meinung nach so?
Ich mag die Idee, ein Festival in einem Amphitheater zu veranstalten, weil man auch die ganze Leute sieht und nicht einfach nur ein Feld vor sich. Ansonsten muss ich aber sagen, dass es für uns einfach nur eine Show auf einem guten Festival in einer schönen Location war. Ich kann jetzt nicht sagen, dass es das beste Festival überhaupt wäre. Wobei alle Festivals, die wir in Deutschland spielen, gut sind.
Abgesehen vom Summer Breeze...
Das Summer Breeze ist auch ein gutes Festival, wir haben halt nur eine desaströse Show gespielt.
Kannst du inzwischen drüber lachen?
Nein, da kann ich wirklich noch nicht drüber lachen. Es war erst ein so perfekter Abend für eine unserer besten Shows überhaupt. So viele Leute, gute Stimmung, wir waren gut vorbereitet und dann geht alles schief.
Aber das war doch einfach nur Pech und nichts, was dir peinlich sein müsste.
Es ging halt alles schief und wir konnten nichts dagegen tun. Unsere Crew hat es ruiniert und ich war hinterher wirklich sauer auf sie. Wir haben zwar noch versucht, es irgendwie zu retten, aber das war wirklich Spinal Tap. Ich wollte die Leute dazu bringen, "Harvest" zu singen, aber keiner hat gesungen. Dann hat unser Bassist vergessen, das wir "Soldier Of Fortune" spielen wollen, es war einfach nur ein komplettes Desaster. Es war alles so unbehaglich, ich hätte echt heulen können.
Bei den anstehenden Konzerten werdet ihr ja Songs spielen müssen, bei denen du growlen musst. Wirst du da noch Spaß dran haben?
Wir spielen ja gerade auch Festivals, bei denen wir ältere Songs spielen, weil sie ein wichtiger Teil unseres Sounds sind. Ich habe auch kein Problem damit, bei diesen Songs zu growlen, es ist ja jetzt nicht so, als würde ich das hassen. Ich kann es halt nur nicht weiter entwickeln, im Gegensatz zum Klargesang. Das ist einfach interessanter für mich.
Wer wird auf Tour Keyboards spielen?
Er heißt Joakim Solberg, er hat schon mit allen möglichen Leuten gespielt, eine zeitlang auch mit Yngwie Malmsteen. Er spielt auf dem Album auch schon den ersten Klavierpart. Er ist um die 40 und seit langer Zeit Musiker und singt auch gut, seine Stimme passt besser zu meiner als Pers Stimme. Er ist ein wirklich guter Typ. Und ich hoffe auch, dass er fester Keyboarder wird. Wir hatten schon so viele Wechsel im Line-up, weshalb wir die Leute immer erst antesten, damit wir uns ganz sicher sind. Wir werden ein, zwei große Touren machen und danach eine Entscheidung treffen.
Letzte Frage: wenn "Heritage" das Album ist, dass du immer machen wolltest, welche Ziele hast du dann noch mit OPETH?
Ich weiß es nicht. Ich hatte nie Träume oder Zukunftspläne. Meine Träume gehen über die Band hinaus, so ist es zum Beispiel ein Traum von mir, einen Plattenladen zu besitzen. Die Band ist wie ein Schneeball, sie wächst und wächst. Wir sind in einer sehr komfortablen Position, die Jungs in der Band sind meine besten Freunde, wir verbringen auch viel Zeit miteinander, wenn wir nicht arbeiten. Wir genießen es, zusammen zu spielen und mit diesem Album wollen wir mehr machen und sehen, wo es uns hinführt. Wir machen weiter, bis wir keine Musik mehr schreiben können. Aber Ziele habe ich mit der Band nicht, wir haben schon alle erreicht, als wir unser erstes Album aufgenommen haben, weil wir es den Leuten bewiesen haben, die nicht geglaubt haben, dass wir erfolgreiche Musiker werden können.
- Opeth - Blackwater Park (2001)
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