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Interview mit Throne of Heresy (18.11.2017)
Der Aufwand, den das schwedische Death Metal Quintett THRONE OF HERESY nebst dafür engagierten Künstlern wie Freunden für das dritte Album "Decameron" betreiben, ist wahrlich nicht von schlechten Eltern: Ambitionierte Literatur-Recherchen und frösteln machende Kunstwerke verleihen dem Konzeptalbum eine ungeahnte Ausdruckstiefe, vor allem in der Variabilität des Gesangs, aber auch in der kompositorischen Herangehensweise. Sänger Thomas Clifford und Gitarrist Tomas Göransson laden die Hörer ein, sich für das Album Zeit zu nehmen, um der Pest vom Orient in den Norden zu folgen, und laden nebenbei zur Besichtigung einer Klosterruine im schwedischen Östergötland ein.
Hallo! Zunächst möchte ich Euch zu "Decameron" gratulieren, einem Album, das mir deutlich frischer und lebhafter erscheint als der Typ auf dem Cover! Ich verwette meinen Hintern, dass dieses Album all jenen gefällt, welche eine unwiderstehliche Mischung aus Brutalität und melancholischen / epischen Melodien wertschätzen, die eine bestimmte Spielart des schwedischen Death Metal einst berüchtigt machte... Könnt Ihr meine Begeisterung nachvollziehen, die mich das Album sogar neben meine All Time Favorites, den Hetsheads-Demos und Necrophobics "The Nocturnal Silence" stellen lässt?
Clifford: Lass mich zunächst mal danke für diese Vergleiche und tollen Worte zu sagen. Es fällt uns schwer abzuschätzen, wie sich unser Album langfristig in den Death Metal Kanon eingliedern wird, zumal wir den gesamten Produktionsprozess gerade erst hinter uns gebracht haben. Aber natürlich teilen wir alle eine tiefe Leidenschaft für extremen Metal sowie die alte Schule. Mich haben vor allem Edge of Sanity stark beeinflusst, und natürlich die gesamte schwedische Death Metal Szene.
Wir alle kennen das handelsübliche Geschwätz über die "natürliche Weiterentwicklungen" von Metal Bands, wobei das neue Album immer ein bisschen besser ist als sein Vorgänger, und so weiter. Allerdings ist "Decameron" wirklich überraschend abwechslungsreich und klingt noch fokussierter als das starke "Antioch" (auf dem "Where Bleak Spirits Pass" DER herausragende Nackenbrecher war!). Was sind aus Eurer Perspektive die wirklich entscheidenden Entwicklungen? Ich denke, wir müssen zumindest die enorme Variabilität im Gesang sowie die gereiften Kompositionen erwähnen... was meint Ihr?
TG: Aus der Songwriter-Perspektive würde ich als offensichtlichste Veränderung im Vergleich mit "Antioch" erwähnen, dass es uns diesmal vor allem darum ging, die richtige Stimmung heraufzubeschwören, anstatt coole und herausfordernde Riffs und Songs zu schreiben. Das bedeutet auch, dass wir uns nicht darauf konzentrieren, Musik zu schreiben, deren Herausforderung vor allem darin liegt, sie zu spielen. Die Musik ist viel abwechslungsreicher geworden, und diese Variablität macht uns auch Spaß. Da es sich bei "Decameron" um ein Konzeptalbum handelt, haben wir uns viel Mühe gegeben, eine Verbindung zwischen der Musik und dem lyrischen Inhalt jedes Songs herzustellen. Zum Beispiel hat "Siege Of Caffa" eine chaotische und rohe Note, die dem Zuhörer ein Gefühl des kriegerischen Chaos verleiht, das in der Stadt Caffa herrschte. Außerdem haben wir versucht, den Songs vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen geografischen wie thematischen Eckdaten passende musikalische Elemente hinzuzufügen (das Album ist als geografische Reise von Kirgisistan nach Ostrogothia konstruiert). In "Pax Mongolica" erklingen mongolische Chöre, "Siege Of Caffa" basiert auf Skalen aus dem Nahen Osten, "Järtecken" beinhaltet traditionelle nordische Herdenrufe und so weiter. Für mich lässt sich das Album am besten genießen, während ich gleichzeitig den Text lese. Wir wollen den Hörer musikalisch und lyrisch auf eine Reise mitnehmen.
Euer Album wurde inspiriert von der Novelle von Giovanni Boccaccio, die der Autor auf früheren und sogar antiken Quellen aufgebaut hat und deren Inhalte bis heute Menschen faszinieren. Für eine Band namens THRONE OF HERESY scheint es ein logischer Schritt zu sein, ein Buch zu vertonen, das im Laufe der Jahrhunderte die Kirche und ihre Bediensteten provozierte, und eindringlich den schwarzen Tod beschrieb. Wer kam auf die Idee und wie entwickelte sich daraus ein Konzeptalbum?
Clifford: Ich denke, Thomas Göransson kam mit der grundlegenden Idee um die Ecke, ein Album über die Pest zu schreiben. Ich dachte, das klingt ziemlich interessant und fing an, mich in die Materie zu vertiefen. Glücklicherweise besaß meine Frau viele Bücher zu diesem Thema, da sie Medizin studiert hatte. Somit nahm die Idee bald konkrete Form an, und wir entschlossen uns, die Hörer den Ausbruch der Pest zwischen 1338 und 1350 miterleben zu lassen, um ihr dann von Asien bis nach Skandinavien zu folgen. Ich kann sehr detailversessen sein, also brauchte ich viel Lesestoff für die Recherche, bis ich schließlich zufrieden war, und die Fakten des Albums stimmten. Natürlich gibt es auch künstlerische Freiheit, denn es handelt sich nicht um eine wissenschaftliche Abhandlung... Für diejenigen, die sich näher damit beschäftigen wollen, gibt es im Booklet eine Literaturliste.
Ich kann mir gut vorstellen, dass sich das Schreiben und Komponieren eines Konzeptalbums ziemlich herausfordernd, wenn nicht sogar nervenaufreibend gestalten kann. Gab es Momente, in denen Ihr dachtet, dass alles eine Nummer zu groß werden könnte?
TG: Das Schreiben eines Konzeptalbums unterscheidet sich deutlich vom Schreiben eines normalen Albums. In gewissem Sinne ist es einfacher, da man schon von Anfang an die Lieder nach Plan aufbauen kann, andererseits entsteht ein gewisser Druck durch den Anspruch, alle Lieder als eine Einheit zu sehen und entsprechend zu bearbeiten, anstatt einen Haufen Songs unabhängig voneinander zu schreiben. Wir haben ungefähr zwei Jahre gebraucht, um die Songs zu schreiben und zu komponieren, und es gab Momente, in denen es uns nicht realistisch erschien, dass wir unsere Absicht mit dem Album umsetzen könnten. Einige an sich ziemlich komplette Songs erwiesen sich als im Gesamtkontext des Albums unpassend, und zwei Songs wurden tatsächlich erst ein oder zwei Wochen vor dem Studiotermin geschrieben.
Wofür steht "Alvastra"?
Clifford: Alvastra ist ein Kloster hier in Östergötland, bzw. es war eines im 14. Jahrhundert, jetzt ist es eine prächtige Ruine am Fuße des mystischen Omberg Hügels. Die sogenannte Birgitta von Schweden lebte dort eine Weile und sah die Pest in ihren Visionen voraus. Der Legende nach sah sie, dass 33 Mönche der Pest zum Opfer fallen würden. Eine Prophezeiung, die sich angeblich bewahrheitete. Es geht also um Birgitta, ihre Visionen und die Pest, die am Alvastra Kloster zusammenfinden. Wer die Ruinen sehen möchte, sollte Ausschau halten nach unserem Video für "Liber Secretorum", das wir vor Ort in Alvastra gedreht haben.
Mattias Frisk erklärte kürzlich, wie er sein Model Jonas in Laken eingerollt hat, um das beeindruckende Cover für Euer Album zu illustrieren. Wie verrückt und ehrgeizig ist das bloß - und wie viel Bier hat Jonas für seine "kalten Füße" bekommen?
Clifford: Ja, wir haben diesen Aufwand vernommen. Bislang haben wir Jonas, der Bassist bei Vanhelgd und King of Asgard ist, noch kein Bier ausgegeben, aber ich nehme an, wir müssen ihm bald ein paar spendieren. Ganz im Ernst: Wir sind froh, mit so engagierten Leuten wie Mattias Frisk und in diesem Fall Jonas zusammenzuarbeiten. Wir haben bereits mit der Künstlerin Luciana Nedelea und dem Leder-Künstler Patrick Hotchkiss zusammengearbeitet, um eine Karte der Pest bzw. ihrer Verbreitungswege auf Ziegenhaut herstellen zu lassen. Erwähnenswert ist auch der Schmied Richard Damm, der an einem besonderen Dekor für unsere Live-Shows werkelt. Es gibt wahrscheinlich noch mehr Leute, die ich hier nennen sollte, aber ich komme wohl vom Thema ab...
Was mich wirklich beeindruckt, ist die Unvermeidlichkeit, die im Cover Artwork zum Ausdruck kommt. Es setzt zwar keine neuen Maßstäbe in punkto Brutalität, sondern scheint zunächst fast banal, und wirkt aber dann so unausweichlich, dass man bei sich denkt: "Ja, früher oder später ist es einfach so, dass man selbst oder seine Lieben so enden, schlicht und einfach tot und kalt." Wolltet Ihr dieses Gefühl in Eurer Musik transportieren?
Clifford: Absolut. Die Düsternis des Covers passt perfekt zur Musik. Obwohl Mattias Frisk uns seine Idee vorab schilderte, konnten wir es uns nicht so gut vor dem inneren Auge ausmalen. Bleiche Füße als Album Cover? – Das klang zunächst komisch. Wir sprachen über alle möglichen ikonischen Darstellungen des Todes, wie er das Land verheert, und so weiter. Aber irgendwann gaben wir Mattias die Freiheit zu tun, was er wollte, und wir sind verdammt froh, dass wir es getan haben.
Kann man davon ausgehen, dass das Cover- und Album Artwork aufgrund des Konzepts wichtiger denn je sind?
TG: Ja, in der Tat. Die größte Herausforderung beim Erstellen eines Konzeptalbums besteht darin, achtzugeben, dass jedes einzelne Detail etwas zur Kohärenz des Albums und unserer Absicht dahinter beiträgt. Wir haben viele Stunden damit verbracht, zu diskutieren, z.B. über verschiedene Aspekte des Kunstwerks und die Art und Weise, wie wir sie den Hörern vermitteln wollen.
Clifford: Ja, wie Thomas sagt, wir haben viel Zeit investiert. Wie bereits erwähnt, arbeiteten wir auch mit der Künstlerin Luciana Nedelea zusammen, welche die Pest-Karte erschuf, die im Gatefold des Vinyls zu sehen ist, sowie als limitierte Lederkarte gedruckt wurde (natürlich bereits ausverkauft – TJ). Wir hatten also dieses Mal zwei Künstler am Start, die an verschiedenen Teilen des Albums arbeiten, um es lebendiger zu gestalten.
Ich habe vor kurzem eine ziemlich lustige Dokumentation über Dismember gesehen, in der einer der Musiker zusammenfasste, dass es in einer Death Metal Band nicht darum geht, viel Geld zu verdienen, sondern sich selbst treu zu bleiben, Spaß zu haben, und auch ein Idiot sein zu dürfen. Könnt Ihr Euch damit arrangieren und welche typischen Episoden kommen Euch in den Sinn, die den THRONE OF HERESY Lifest..., pardon, "Death Style" illustrieren?
Clifford: Nun, wenn jemand Geld verdienen möchte, dann ist Death Metal vermutlich das letzte Genre, in welchem das gelingt. Jeder, der etwas Extremes macht, muss eine Leidenschaft dafür haben. Es "true" zu halten, ist wichtig in dem Sinne, sich selbst treu bleiben – im Gegensatz zu einem Verständnis von "trve", bei dem es nur darum geht, bloß alles genauso zu machen wie die Gründer des Genres. Wir konzentrieren uns nicht sonderlich darauf, in einem bestimmten Subgenre oder so zu sein, sondern wir schreiben die Musik, die wir hören und spielen wollen, und damit hat sich's.
Vielen Dank, dass Ihr Euch die Zeit genommen habt, und ich hoffe, wir sehen uns auf Tour!
Vielen Dank!