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Interview mit KLABAUTAMANN (22.01.2022)

KLABAUTAMANN

KLABAUTAMANN ist zurück, doch aus dem langjährigen Duo ist derweil ein hauptverantwortlich von Tim Steffens betriebenes Projekt geworden, das er ohne Schlagzeuger Flo, dafür mit zahlreichen Freunden und Gastmusikern fortführt. Deren Einsatz macht "Numbered" nicht nur zu einem hörenswerten, sondern auch fordernden Album, das zwar mit altbekannten Klängen und Qualitäten aufwartet - und dennoch viel Neues zu bieten hat. Dieser Tage (Januar 2022) erscheint die CD, während die LP noch eine Weile auf sich warten lässt. Zeit also, um mit Tim über das Endergebnis zu plauschen!

Grüß Dich, Tim, und Glückwunsch zum ersten KLABAUTAMANN-Album seit vier Jahren und - viel wichtiger - in neuer Aufstellung mit Dir als alleinigem Hauptverantwortlichen nach knapp 20 Jahren als Duo! Wie geht es Dir in dieser neuen Rolle und als Koordinator nicht nur von einigen GastmusikerInnen, sondern auch von vielen Aufgaben, die Du nun alleine schulterst?

Tim: Hey Thor, danke dir! Wie alle Dinge hat es so seine Vorzüge und Nachteile. Mäßig begeistert bin ich darüber, dass ich jetzt auch die ganzen Orga-Tätigkeiten geerbt habe, wie Artwork, PR, Finanzierung, Herstellung und die ganze Koordination. Darauf könnte ich in meiner Freizeit gut verzichten, haha! Und schade ist natürlich auch, dass der kreative Input von Flo fehlt, den wusste ich immer sehr zu schätzen. Aber es hat Klabautamann auch neue Optionen eröffnet, da ich nun einfach neue Dinge ausprobieren kann, ohne dass es Diskussionen gibt. Das hat uns früher öfter mal gebremst und auch nicht immer Spaß gemacht. Hinzu kommt, dass mich die neue Situation dazu motiviert hat, intensiv mit vielen anderen Musikern zusammen zu arbeiten. Das hat echt Freude bereitet und das Material deutlich vielseitiger und reichhaltiger werden lassen als vorher. Ich bin echt mega zufrieden mit dem Ergebnis – und alleine hätte ich das niemals auf die Kette bekommen.

Bereits auf der optischen Ebene lässt Du keinen Zweifel daran, dass mit "Numbered" ein neues Kapitel bei KLABAUTAMANN aufgeschlagen wird, und der Verzicht auf das bekannte Black-Metal-Logo lässt sicher nicht nur mich auf skeptischen Sicherheitsabstand gehen, haben sich solche Details bei anderen Bands bereits als Anzeichen für mehr als abenteuerliche Richtungswechsel erwiesen. Umso erleichterter darf konstatiert werden, dass Du im Rund Deiner GastmusikerInnen trotz etlicher Neuerungen den "guten, alten" KLABAUTAMANN-Sound und -Spirit nicht über Bord geworfen hast: Auch auf "Numbered" geht es immer noch ziemlich klabauterig zur Sache, und auch Prog-Fans von Enslaved bis Jaga Jazzist dürften Gefallen an den bunten Kompositionen finden...

Aus meiner Sicht hat es schon einen deutlichen stilistischen Wandel gegeben, der sich nicht nur in den Texten und im Songwriting zeigt, sondern auch in der Instrumentierung. Wir haben noch nie so viel Synthesizer-Klänge eingebaut, Flöte und Mandoline sind auch neu im Programm, aber vor allem kommen nur noch extrem wenig Growls zum Einsatz. Die allermeisten Gesangspassagen sind Klargesang und wir haben exzessiv auf Mehrstimmigkeit gesetzt und uns viel Mühe mit coolen – und auch nicht immer ganz Metal-typischen – Harmonien gegeben. Wir haben uns auch noch ein Stück weiter vom Black Metal weg bewegt. Es gibt nur noch zwei Stellen mit Blast Beats auf der ganzen CD. Dafür haben wir den Fokus mehr in Richtung Prog verlegt und sehr viel mir weniger gängigen Taktarten experimentiert, ganze vorne mit dabei 5/4, 7/8 – die machen vermutlich 80% des Albums aus – aber auch schon mal 11/8 etc. Marlon hat da mit seinem Drumming echt etwas ganz Besonderes geschaffen. Für Musik-Nerds hat er immer mal wieder ein paar verrückte polyrhythmische Besonderheiten eingestreut, aber die meiste Zeit hat er sich darauf konzentriert, die "krummen" Taktarten möglichst Zuhörer-freundlich zu verpacken, so dass sich ein schöner Fluss ergibt und auch weniger Prog-affine Hörer nicht zu sehr vor den Kopf gestoßen werden. Ich bin echt begeistert von seiner Arbeit!
Ich wollte, dass dieser Wechsel auch durch die Artwork-Gestaltung klar kommuniziert wird. Du hast aber vollkommen recht, dass wir uns nicht von unserer Grundausrichtung abgewendet haben. Es klingt immer noch nach KLABAUTAMANN und ist für mich letztlich eine konsequente Weiterentwicklung von der Richtung, die sich auf "Merkur" und "Smaragd" angekündigt hat.

Aus der Entfernung durfte ich ja die Entwicklung einiger Songs durch verschiedene Stadien nachhören und rätseln, wie verwegen oder doch eingängig das Endergebnis klingen wird. Welche Rolle hat Anna Murphy mit ihrer Abmischung gespielt und wie leicht - oder schwer - ist es Dir gefallen, ihr die Kompositionen schließlich anzuvertrauen und aus der eigenen Hand zu geben?

Haha, das ist mir nicht so leicht gefallen. Das liegt daran, dass ich natürlich auch schon eine gewisse eigene Vorstellung hatte, mich aber auch über die rund anderthalb Jahre Aufnahmezeit sehr an den Sound der Roughmixe gewöhnt hatte. Es war für mich schwierig, mich davon zu lösen und das Ruder aus der Hand zu geben. Aber Anna hat mich mit ihrer Arbeit wirklich überzeugt – und ich habe dann im Endeffekt versucht, mich nur da einzubringen, wo ich eine sehr klare Vision hatte. Was mir nicht immer gelungen ist, fürchte ich, haha! So oder so, hat Annas Mix aber dem Album erst den Charakter verliehen, den es jetzt hat, und ich bin sehr glücklich damit.

"Never thought we get this far, but here we are" - diese Wahrnehmung dürfte jedem halbwegs sensiblen Menschen bekannt vorkommen und in einem Deiner Videos zum Album hast Du bereits erklärt, wie Du auf den Titel gekommen bist. Dürfen wir den auch als Feststellung des Erfolgs deuten - immerhin sind wir bis jetzt noch nicht komplett gescheitert oder gestorben, sondern treiben immer noch trotz aller Verluste und Fehlschläge manch heiteren Unsinn?!

Das kann – und soll – jeder für sich selbst interpretieren. Was Chester, der den Text geschrieben hat, sich dabei gedacht hat, kann ich nicht mit Gewissheit sagen. Aber ich persönlich deute es ähnlich wie du.

Ein Album per Crowdfunding zu finanzieren, ist heuer kein ungewöhnliches Unterfangen, doch dabei u.a. eine gemeinsame Wanderung oder einen gemeinsamen Lauf durch das Siebengebirge anzubieten, ist zweifelsohne etwas nicht Alltägliches. Hat jemand diese Option gebucht, und welchen Einfluss hat Dein Erleben der nahen und fernen Natur auf Dein musikalisches Schaffen?

Das hat niemand gebucht, haha! Zumindest abgesehen von mir. Ich habe die Option selbst gebucht weil ich herausfinden wollte, ob das andere ermutig, den Schritt zu gehen. Aber ganz ehrlich: Es hätte mich auch gewundert, wenn jemand 150€ für einen Spaziergang mit mir ausgibt. Ich bin ja kein Star, sondern einer wie jeder andere mit normalem Job, der halt nebenher noch etwas Musik macht. Manchmal habe ich das Gefühl, es gibt im Metal-Bereich so viele Bands wie Hörer. Das finde ich super, denn Musik machen ist doch eine schöne Art, seine Zeit zu verbringen.
Zum Thema Natur: Früher habe ich viel Inspiration aus wilden Landschaften gezogen, aber das hat sich über die Jahre reduziert. Ich bin immer noch super viel draußen unterwegs und ziehe da so viel Energie, Ruhe und Ideen raus – aber nur noch selten musikalischer Natur. Eine Ausnahme bietet zum Beispiel der Song "Holding On", dessen melancholische Stimmung maßgeblich von einer einsamen und abgelegenen Bucht in Neuseeland geprägt ist. Diese Bucht und der Blick auf sie aus einem Fenster von einer Holzhütte waren übrigens auch Inspiration für das Cover-Artwork.

Vor rund zwei Jahren haben wir uns im Theater getroffen, als Valborg eine Inszenierung von Shakespeares "Ein Sommernachtstraum" live verfinstern durften, was mir in unheimlicher Erinnerung geblieben ist. Wie hat die Darbietung Deiner Weggefährten auf Dich gewirkt, und welches ungewöhnliche Setting malst Du Dir manchmal zumindest heimlich für ein "etwas anderes" KLABAUTAMANN-Konzerterlebnis aus?

Ich fürchte, ich bin eher unkreativ was Konzepte für Live-Shows angeht. Was ich mir aber schön vorstellen könnte, wäre ein kleines Konzert im intimen Rahmen eines schönen und wohlklingenden alten Gebäudes mit intensiver, stimmungsvoller Lichtshow und Bestuhlung. Sitzen, zuhören und mit allen Sinnen bei der Musik sein, voll eintauchen sozusagen. Das Valborg-Theaterstück ist mir auch als mega cool und stimmungsvoll in Erinnerung geblieben!

Welche älteren KLABAUTAMANN-Songs würdest Du gerne mal wieder zocken und in einen Live-Set einbauen?

"Der Nöck" hat immer viel Freude bereitet, "The Wanderer" auch, "Tuvstarr" und "Negeder Mand" habe ich auch immer live geliebt. Aber es gibt noch mehr, zum Beispiel "Forlorn Sea" – oder auch mal was knüppelmäßiges wie "Tower of Sorcery"! Ich habe letztlich nochmal das Live-Video von einem Gig in der Klangstation vor über 10 Jahren gesehen. Das hat mir viel Freude bereitet und gute Erinnerungen aufleben lassen!

Anfang der 2000er habe ich ein Interview mit KLABAUTAMANN für das Nebelmond-Fanzine geführt, nun erscheint dieses Gespräch online auf Musikreviews.de als auch, um einige Schmankerl ergänzt, in der 18. Ausgabe des Mørkeskye 'zines, so dass "best of both worlds" bedient wird. Du hältst es mit Deiner Musik ganz ähnlich, und wenn ich mich recht erinnere, hattest Du mir mal "gestanden", dass Du selbst auch nicht mehr viele Tonträger kaufst. Der Trend geht also hin zu pysischen Kleinstauflagen für Fans und der Rest wird digital abgekaspert, oder?

Da bin ich ja mal auf die Schmankerl gespannt!
Ich habe irgendwann meine Tonträgersammlung auf 80 CDs reduziert, von denen es mir wirklich wichtig war, die physikalisch zu besitzen. Meine Frau und ich haben uns dazu von Marie Kondos‘ Buch "Decluttering" motivieren lassen und im großen Maßstab ausgemistet, übrigens schon lange bevor das auf Netflix kam. Ich habe es nie bereut. Die Musik kann ich immer noch in guter Qualität über meine Anlage hören, nur steuere ich es jetzt von meinen Handy, anstatt eine CD einzulegen. Und das sehe ich auch bei vielen anderen. Und ja, daher folge ich auch genau diesem Trend, den du beschreibst und den ich auch wahrnehme. Für KLABAUTAMANN haben wir diesmal tatsächlich nur 100 CDs und 100 Platten beauftragt. Ich habe Wert darauf gelegt, das Ganze sehr hochwertig zu gestalten, damit diejenigen, die sich eine physikalische Variante gönnen, auch richtig auf ihre Kosten kommen. Die CDs sind gestern gekommen und richtig geil geworden. Die Platten werden noch bis Anfang Mai auf sich warten lassen.

Danke, Tim, für Deine Zeit, und alles Gute mit KLABAUTAMANN und überhaupt - keep on running & rocking!

Danke dir, Thor, für das coole Interview, es hat viel Spaß gemacht. Bis bald!

Thor Joakimsson (Info)
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