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Interview mit Wassermanns Fiebertraum (28.11.2012)

Wassermanns Fiebertraum

Wenn man Peter, den Schlagzeuger einer der momentan größten Hoffnungen in Sachen Instrumentalmusik reden hört, gewinnt man den Glauben an eine Zukunft für leidenschaftliche Musik ohne Kalkül wider. Ginge es nach dem Interviewer, stünden dieser Band alle Business-Türen offen.

Erzähl einfach mal zuerst, wie ihr jeweils zur Musik und dann zueinander gefunden habt.

Wir stammen alle aus Familien, in denen Musikhören, sie zu leben und zu machen eine hohe Bedeutung einnimmt. Insofern wurden wir jeweils früh mit diesem Ausdrucksmedium konfrontiert und lernten recht schnell, dass uns der Schaum vorm Mund wüchse, wenn wir es meiden würden. Da unser ursprünglicher Herkunftsort Passau eine extrem übersichtliche alternative Musikszene bietet, liefen wir uns dort alle irgendwann zwangsweise über den Weg. Michael und Peter spielten zuvor schon jahrelang gemeinsam in einer Post-Metal-Gruppe, während Christian und Reinhard jeweils ebenfalls in verschiedenen Projekten tätig waren. Auf lokalen Konzerten lernten wir uns letztendlich mögen.

Wie gestaltet sich das gemeinsame Proben und Schreiben, da ihr nicht mehr in derselben Stadt lebt?

Es ist keine optimale Ausgangssituation, so weit voneinander entfernt zu wohnen. Darum liegen unsere Proben oft mehrere Wochen auseinander, fallen aber dann umso intensiver und ergiebiger aus. Meist läuft das Schreiben von neuen Liedern so ab, dass Michael und Christian ihre Riffs und Ideen anhäufen und wir diese dann gemeinsam in einer langen, kräftezehrenden Probe besprechen, zusammenschustern und weiterentwickeln, bis wir damit zufrieden sind. Das Internet ist uns in dieser Hinsicht eine große Hilfe, da wir Audio-Dateien beziehungsweise Ideen austauschen können und später im Bandraum schon ungefähr wissen, in welche Richtung wir gehen wollen.

Eure Musik hat durchweg einen melancholischen Charakter. Woher rührt dieser, und könnt ihr euch vorstellen, Extreme auszuloten und etwa heitere oder extrem düstere Stücke zu schreiben?

Traurige, aufwühlende Momente und Zustände regen stark zum musikalischen Ausdruck und zur Aufarbeitung an. Deswegen findet man bei uns auch einige melancholische Stücke. Es ist, wie du schon andeutest, ein Mittelweg zwischen düsteren und trostvollen, positiven Stimmungen, den wir mittlerweile aber verlassen haben. Mit den Liedern, die zur Zeit entstehen, bewegen wir uns in eine heitere, lebensbejahende Richtung. Ob wir dabei ins Extreme rutschen, wird sich erst herausstellen.

Die Songs auf „Brandung“ lassen auf viele Einflüsse schließen; fühlt ihr euch einer bestimmten Bewegung zugehörig oder seid ihr Schwämme, die alles aufsaugen?

Wir sind wohl eher saugende Schwämme. Man kann in so vielen verschiedenen Dingen Kreativität und Eigenheiten entdecken. Über den Tellerrand zu blicken ist uns wichtig.

Wie wählt ihr die Titel eurer Stücke in Ermanglung von Texten?

Die Gefühle oder Gedanken, die das jeweilige Lied bei uns auslöst, wollen wir in den Titeln vermitteln. Es sind oft stundenlange Gespräche, die einer Namensfindung vorausgehen. Manchmal steht auch zuerst ein Thema oder eine Stimmung fest, woraufhin wir uns an einer musikalischen Umsetzung versuchen. So geschah es zum Beispiel bei „Herzdämmerung".

Bei „Zerkratzte Luft“ musste ich unwillkürlich an Dornenreichs „In Luft geritzt“ denken. Könnt ihr dem Sturm und Drang etwas abgewinnen, den Bands wie sie vermitteln?

Definitiv, ja.

Warum habt ihr euch wie zunehmend mehr Bands gegen einen Sänger entschieden?

Unsere ersten Lieder waren ausnahmslos instrumentale Gitarrenstücke, die Michael während der vorangegangenen Monate geschrieben hatte und in denen kein Gesang vorgesehen war. Im Rahmen der Umsetzung dieser Kompositionen als Band hat sich herausgestellt, dass die Songstrukturen gar keinen Platz für Gesang zuließen und rein instrumental am besten funktionierten. Mittlerweile ist dies unser fixer Stil, doch wer weiß, was die Zukunft bringt?

Ihr habt mit Hans Wellner jemanden an der Hand, der sich ums Visuelle kümmert. Wie äußert sich das live?

Auf Konzerten begleitet Hans unsere Lieder mit Videos, die auf eine Leinwand projiziert werden. Die bewegten Bilder sind von ihm nach Absprache mit Michael so gewählt, dass sie die Stimmung beziehungsweise das Thema des jeweiligen Liedes unterstützen. So bieten wir live auch etwas fürs Auge.

Klingt euer Bandname einfach nur gut, oder hat er eine besondere Bedeutung?

Der Name hat einen fantastischen, surrealen Charakter, weshalb er recht passend in unsere musikalische Welt einlädt. Gewählt haben wir ihn, da Michael einige Lieder von „Brandung“ tatsächlich im Krankenstand geschrieben hat und in dieser Zeit im Fieberwahn immer wieder davon träumte, dass ihm Kiemen und Flossen wüchsen.

Erklärt bitte die Bedeutung der gegenübergestellten Ausdrücke „Wahrheit und Unwirklichkeit, Melancholie, Leid und Bildung, Rausch und Phantasie“ in der Beschreibung eurer Musik.

Damit ist gemeint, dass wir in unseren Liedern versuchen, bestimmte Zustände des menschlichen Erlebens musikalisch auszudrücken. Jeder Song repräsentiert für uns eine eigene Gefühlslage, die irgendwo zwischen den genannten Ausdrücken zu finden ist. Es sind die verschiedenen Pole, die von uns angesteuert werden.

Wie plant ihr langfristig mit eurer Musik, welche Ziele habt ihr, und was steht unmittelbar demnächst an?

Für das nächste Jahr steht die Veröffentlichung eines Nachfolgers zu „Brandung“ im Fokus, wofür wir derzeit auch den Kontakt zu Plattenlabels suchen. Ein großes Ziel ist ebenfalls, unseren Radius zu vergrößern, so viel und so oft wie möglich auf der Bühne zu stehen. Unmittelbar vor uns haben wir einen Videodreh zu „Jetzt oder nie“ und die Konzertplanung für nächstes Frühjahr.

Dabei alles Gute von unserer Seite aus - wir warten gespannt!

Andreas Schiffmann (Info)
Alle Reviews dieser Band:
  • Wassermanns Fiebertraum - Brandung (2012)