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Amphi Festival 2013 - Samstag - Köln, Tanzbrunnen - 20.07.2013
Zum neunten Mal lädt das Amphi Festival zum schwarzen Tanz - und über 16.000 Zuschauer kommen am 20. und 21. Juli in den Tanzbrunnen zu Köln, um eine der heißesten Partys des Jahres zu feiern. Das ist wortwörtlich zu nehmen, denn das Wetter zeigt sich in diesem Jahr von der allerbesten Seite. An beiden Tagen brennt die Sonne vom Himmel (was der gemeine Gote, der ein dezentes Weiß auf der Haut bevorzugt, mit schwarzen Regenschirmen kontert) und die kostenlosen Trinkwasserausgabestellen erfreuen sich allerhöchster Beliebtheit. Hier muss man den Veranstalter ausdrücklich dafür loben, dass gleich an mehreren Stellen des Areals neue Wasserstellen errichtet werden. Ansonsten droht nämlich so manchem Besucher plötzliche Ebbe in der Geldbörse.
Viel geändert hat sich nämlich nicht - was leider vor allem im Hinblick auf die indiskutablen Preise für die Verpflegung gilt. So ist der Preis für die Getränke (Bier, Wasser, Cola, Fanta) nämlich nochmals gestiegen und zwar auf dreiste 4,50 € für den halben Liter. Einen Vorwurf kann man dem Veranstalter nicht machen, denn die Getränkestände werden vom Tanzbrunnen selber betrieben - es wäre trotzdem schön, wenn es nächstes Jahr nicht wieder 50 Cent teurer würde. Die Essenspreise sind dagegen stabil geblieben - stabil hoch, wohlgemerkt. Die 6,- € für die Asianudeln mag man gerade noch verschmerzen, für das als XXL-Gyros angepriesene, ekelhaft zähe Fleisch im Fladenbrot mit Krautsalat und Tzatziki aus dem Plasikeimer gilt das jedoch nicht. Was Qualität, Geschmack und Preis-Leistungs-Verhältnis angeht, ist man mit Currywurst-Pommes noch am besten beraten. Trotzdem ist und bleibt die Versorgungslage der große Schwachpunkt des Amphi Festivals - außer man trinkt die ganze Zeit Leitungswasser.
Die größte Neuerung in 2013 ist das am Vorabend stattfindende Eröffnungsevent "Call The Ships To Port", eine Rheinrundfahrt für 1.111 Besucher, bei der COVENANT, WELLE: ERDBALL (als 80er-Synthie-Duo) und CLASSIC & DEPECHE auftreten. Für dieses Event muss man jedoch eine gesonderte Eintrittskarte kaufen und die Presse ist nicht eingeladen. Sei's drum. Ansonsten ist alles beim gewohnten Alten und das ist auch gut so. Es gibt jede Menge Stände, um sein Geld gegen Szeneklamotten und Tonträger einzutauschen, die Stimmung ist super-entspannt, man kann jede Menge ungewöhnliche, coole, sexy oder einfach nur edle Outfits bestaunen, in denen so manch ein Besucher wie ein Schwein schwitzen muss. Auffällig ist zudem, dass der Trend der bunten Cyberkiddies immer weiter abflaut - lediglich ein harter Kern von ein paar Dutzend Leuten (wenn es überhaupt so viele sind) führt seine Aerobicübungen bei den elektronischeren Acts vor. Wie üblich ist auch das Programm schwarz-bunt gemischt, mit Betonung auf eher klassische Bands und Künstler. Zudem bekommt man einige Acts zum ersten Mal überhaupt auf dem Amphi Festival zu sehen. Angesichts der Tatsache, dass die Gothic-Festivals nicht gerade durch hohen Abwechslungsreichtum in den Billings glänzen, eine ebenfalls positiv zu vermerkende Tatsache.
Zur Facebook-Galerie mit den Impressionen vom Gelände geht es hier entlang.
Bei der Ankunft am Samstag mühen sich gerade STAHLMANN auf der Hauptbühne mit ihrem 08/15-NDH-Sound ab. Ob es wegen der Band selber oder wegen der schattenspendenden Zeltpilze so voll vor der Bühne ist, sei mal dahingestellt. Die Stimmung ist jedenfalls gut und die silbergetünchte Band bekommt ordentlich Applaus. Trotzdem ist erst einmal die Erkundung der Geländes angesagt. Im Indoor-Bereich, dem Staatenhaus, ballern derweil XOTOX ihren technoiden Industrial in die zappelnde Menge. Zwei Songs, darunter das bezeichnende "Mechanische Unruhe" werden noch vernommen, danach ist Schluss mit dem Getöse. Schade eigentlich, da hätte sich ein früheres Kommen wohl gelohnt.
Im Staatenhaus geht es dann mit FROZEN PLASMA weiter, dem Duo um Keyboarder und Produzent Vasi Vallis und Sänger Felix Marc, der ansonsten bei DIORAMA die Tasten drückt. Deren Future Pop erfreut sich immer noch großer Beliebtheit und das zahlreich versammelte Publikum hat trotz stickiger, warmer Luft Bock auf die beiden. Sieben Songs werden geboten und abgesehen vom ganz neuen Track "Herz" sind das alles bekannte Clubhits. Los geht es mit "Generations Of The Lost", gefolgt von "Earthling", dem großartigen "Hypocrite" und "Irony" - klar, dass da sofort gute Stimmung herrscht. Die Bühne ist in stimmungsvolles Licht getaucht, das allerdings nur von hinten kommt, was den Fotografen nicht gefällt und was sich im Verlauf des Festivals auch kaum ändert. Gut für die Show, schlecht fürs Bild. Das Stageacting von Felix Marc wirkt allerdings ein bisschen holprig und gestelzt, ein souveräner Frontmann sieht jedenfalls ein bisschen anders aus. Der Gesang sitzt aber und so kann man FROZEN PLASMA letztlich einen ordentlichen Auftritt attestieren.
Auf der Hauptbühne sind derweil SOLITARY EXPERIMENTS zugange und klingen verdächtig nach VNV NATION. Das ist jedenfalls der Eindruck, der sich beim Nebenbeihören einstellt, wobei "Pale Candle Light" und das starke "Rise And Fall" definitiv starke Nummern sind, die auch bei Hintergrundbeschallung auffallen. Ihnen folgt WESSELSKY - der Checker Alexx Wesselsky mit einer Art Soloprogramm. Gemeinsam mit seiner Band performt er Songs, die er schon lange mal wieder live aufführen wollte. Oder einfacher gesagt: hauptsächlich Songs seiner ersten Band MEGAHERZ, die er mit EISBRECHER natürlich nicht spielt - von "Miststück" mal abgesehen. Und so stehen heute "Jordan", "Herzblut", "Wir sterben jung", "Auf der Flucht" im Duett mit Timur Karakus von SCHÖNGEIST oder das bewegende "5. März" auf dem Programm. Und die werden sogar ziemlich hart dargeboten, selbst kurze Doublebass-Attacken macht man aus. Auf Keyboards wird verzichtet, stattdessen wird stilvoll drauflosgerockt, was die gut eingespielte Begleitband souverän erledigt. Seiner Anzugsjacke entledigt sich Alex angesichts der Hitze trotzdem schon beim zweiten Song. Dass er einer der besten Frontmänner in Deutschland ist, dürfte wohl bekannt sein und einen sympathischeren Angebertypen kann man sich kaum vorstellen. Und so wird auch dieser, oftmals recht persönliche wirkende Auftritt vom Publikum ordentlich abgefeiert - zurecht.
Auf einen Ausflug zu FUNKER VOGT im Staatenhaus wird verzichtet - lieber wird die Sonne genossen. Ein weiterer charismatischer Frontmann, nämlich Mike Paulenz, besser bekannt als Teufel, will auf der großen Bühne als nächstes mit TANZWUT eben jene im Publikum hervorrufen. Das würde mit einem funktionierenden Mikrofon allerdings deutlich besser funktionieren und so dauert es eine Weile, bis die technischen Schwierigkeiten beim Opener "Weiße Nächte" behoben sind. TANZWUTs Kombination aus kraftvollem Electro Rock, Dudelsäcken und Flöten ist zwar nicht sonderlich außergewöhnlich, aber mit "Meer" hat man immerhin einen richtigen Hit im Programm, der von den Zuschauern lauthals mitgesungen wird. Natürlich sorgt auch die Dudelsack-Variante von "Bitte, Bitte", im Original von DIE ÄRZTE, für beste Laune, aber trotz der ansehnlichen Darbietung (vor allem Teufel hat ein gutes Mimikspiel drauf), will der Funke nicht so richtig überspringen. Was jedoch nicht für die Fans der Band und dem Genre an sich gilt, denn die klatschen begeistert mit. Objektiv also abgesehen von den anfänglichen Problemen ein guter Gig, subjektiv haben es andere Mittelalter-Combos dann doch irgendwie besser drauf. Auch, weil sie auf der Bühne homogener wirken, als TANZWUT, die in Sachen Styling eher bunt gemischt sind.
In der nächsten Umbaupause der Hauptbühne kommt Schlagermusik vom Band - der Kenner weiß, was das bedeutet. Was im Metal Bands wie SABATON oder POWERWOLF sind (also Bands, die es zwar drauf haben, aber trotzdem irgendwie peinlich sind), sind im Gothic-Bereich AGONOIZE. Die haben zwar seit 2009 außer der Single "Wahre Liebe" im letzten Jahr kein neues Material am Start, sind aber trotzdem gern gesehene Bühnengäste und feiern zudem 10-jähriges Jubiläum. Da kann man sich also auf einiges gefasst machen. Sonst als Trio unterwegs, ist heute nur ein Keyboarder mit von der Partie - die Musik klingt trotzdem nicht anders. War der provokante, mitunter platte, aber auch immer mal wieder sozialkritische Dark Electro der Truppe anfangs (also so um 2007 herum) mitsamt der Bühnenshow noch recht unterhaltsam, hat sich das Konzept inzwischen ein bisschen abgenutzt und ist recht überraschungsarm geworden. Das dachten sich wohl auch AGONOIZE und peppen ihre Show heute ein bisschen auf. Während Fronter Chris L. beim Intro wie beim letzten Mal an Seilen auf die Bühne herabgelassen wird, gesellt sich bei "Pavillon 5" eine Performancekünstlerin zu ihm auf die Bühne, die zum Schrecken mancher und zur Freude anderer anfängt, sich lange Nadeln durch die Wange zu stechen. Schön, wenn man mit der Kamera direkt davor steht. Erst links, dann rechts - und das sieht wirklich ein bisschen ekelig aus. Mit dem Gestänge im Mund, zieht sie dann andere Nadeln, die im Kopf stecken, heraus und das Blut rinnt ihr das Gesicht herab. "Bis das Blut gefriert" heißt passenderweise der nächste Song und da spritzt das Blut (bzw. der Himbeersaft) dann auch quer über die Bühne und ins Publikum - die Leute in den ersten Reihen sind danach jedenfalls ordentlich besudelt - und der Fotograben verdammt rutschig. Diesen Showeffekt kennt man bereits, erwartet ihn jedoch nicht am Anfang das Sets. Danach haben AGONOIZE ihr Pulver aber showtechnisch weitestgehend verschossen. Bei "Sacrifice" kommen die Saftschläuche nochmal zum Einsatz, dass "Koprolalie" (das man doch noch gerne mitträllert) und "Schaufensterpuppenarsch" jedoch ohne Effekte bleiben (also auch kein ejakulierender Dildo aus der Hose gezogen wird), enttäuscht dann doch ein wenig. Immerhin gibt es noch ein paar Pyros. Cool ist jedoch das Cover des BEASTIE BOYS-Klassikers "(You Gotta) Fight For Your Right (To Party!)", im weiteren Verlauf gibt es noch Standards wie "Femme Fatale", "Glaubenskrieger", "Gottlos" und "Staatsfeind". Wie gesagt, ein bisschen zum Fremdschämen, aber doch auch unterhaltsam.
Ehre, wem Ehre gebührt - und so sitzt Alexander Wesselsky grinsend im Fotograben, um sich aus nächster Nähe einen seiner Helden anzugucken, nämlich PHILLIP BOA & THE VOODOOCLUB. Mit Charisma ohne Ende kommt der Namensgeber unter lautem Jubel auf die Bühne (vor der es unverständlicherweise ein bisschen leerer ist, als bei AGONOIZE) und stimmt "Fine Art In Silver" ein. Zum zweiten Song schnallt er sich dann selber die Gitarre um, Pia Lund kommt auf die Bühne und gemeinsam wird "Annie Flies The Lovebomber" dargeboten. Und es tut gut, diesen ungekünstelten, unaufgesetzten Düsterrock mit Seele zu hören, nachdem vorher so viel Lärm um so wenig gemacht wurde - im direkten Vergleich... Nach "Want" und "Diamonds Fall" folgen mit "Love On Sale" und "Albert Is A Headbanger" früh zwei der größten Hits - dass im weiteren Verlauf dann auch noch "This Is Michael", "Container Love" und "And Then She Kissed Her" folgen, erfährt man erst hinterher, wenn man dringend ins Staatenhaus muss und schweren Herzens von dannen zieht.
Es geht aber nicht anders, denn Johan van Roy, der Großmeister des düsteren Electro bittet zum Tanz. Man kann es drehen und wenden wie man will, aber SUICIDE COMMANDO sind und bleiben einfach das Beste, was das Genre zu bieten hat. Im Gegensatz zu AGONOIZE gibt es hier kein Aggro-Getue, sondern echte Aggression auf der Bühne, musikalisch, wie textlich und wie auch in Mimik und Gestik des Zeremonienmeisters. Links und rechts stehen Galgen auf der Bühne, von denen in Tüchern eingehüllte "Leichen" baumeln, mittig gibt es eine Videoleinwand, auf der wie üblich fiese Filmchen zur Songuntermalung gezeigt werden. In der Halle ist es inzwischen brütend heiß, was weder die Leute vom Tanzen abhält, noch den Verfasser dieser Zeilen davon, die Matte kreisen zu lassen. Das ist zwar kein Metal, aber von der Intensität und Härte nicht unähnlich und wenn der Rhythmus es nun mal zulässt... Angesichts des neuen Albums "When Evil Speaks" startet das Set mit dem Intro "Feeding My Inner Hate", bevor es mit dem recht langsamen "My Blasphemy" erst noch gemächlicher zugeht. Der Titeltrack des neuen Albums zieht das Tempo an, das vergleichsweise sanfte "God Is In The Rain" drosselt es zunächst, bevor es mit "Cause Of Death: Suicide" und "Dein Herz, meine Gier" abgeht. Kurzer Tritt auf die Bremse mit "Monster", dann hat die "Attention Whore" ihren Auftritt. Da hat der Auftritt schon längst seine Magie entfaltet: großartige Musik, Hitze, Emotion und Energie vermischen sich und nehmen einen komplett gefangen. Was an diesem Wochenende nur noch einmal der Fall sein wird, aber dazu später. Nach "Love Breeds Suicide" folgt mit "Unterwelt" noch ein neuer Song, bevor es mit drei Bandhits auf die Zielgerade geht: "Die Motherfucker Die", "Bind Torture Kill" und "See You In Hell" machen den heißen Sack zu.
Wenn es in der Gothic-Szene eine zeitgenössische Konsensband gibt, dann sind es ohne Zweifel VNV NATION. So voll, wie es bei deren Headlinergig vor der Hauptbühne ist, hat man den Platz am Tanzbrunnen selten erlebt und so viel Enthusiasmus von Seiten des Publikums muss man sich auch erst einmal verdienen. Bessere Stimmung als an diesem Abend kann es nicht geben und so ist auch der knuddelige Frontmann Ronan Harris völlig überwältigt von der Resonanz und kann kaum glauben, wie sehr die Zuschauer seine Band und die Musik abfeiern. Ansonsten hüpft er singend über die Bühne, während sein Partner-in-crime Mark Jackson die E-Drums bearbeitet. Auch die Setlist lässt wenig Wünsche offen, vor allem dann, wenn man das Material bis zum "Judgement"-Album dem neueren Material vorzieht: "Chrome" (als Opener), das traumhafte schöne "Illusion" an vierter Stelle en bloc mit "Standing", dem aggressiven "Honour", "Nemesis", dem ebenfalls grandiosen "Further" und "Epicentre" ist schon die geballte Macht in Sachen Future Pop. Rundherum gibt es noch ein paar neuere Songs, die zwar dafür gesorgt haben, dass sich die Fanschar der Band stetig vergrößert hat, die man aber trotzdem ein bisschen zu poppig finden kann - besonders im Vergleich mit den gerade genannten Songs. Sei's drum, VNV NATION haben sich den Erfolg aufgrund ihrer Unermüdlichkeit redlich verdient und auch wenn man den Song nicht so richtig mag, muss es eine Band erst einmal schaffen, mit dem abschließenden "Perpetual" den gesamten Tanzbrunnen zum Mitsingen und Durchdrehen zu bringen.
Seit 21.30 Uhr tobt im Staatenhaus das totale Kontrastprogramm und weil noch ein bisschen Zeit ist, bis der Zug nach Hause fährt, guckt und hört man sich eben noch Anarcho-Electro-Punk mit ATARI TEENAGE RIOT an. Die mischen in ihren linkspolitischen Lärm (was ohne jegliche Wertung gemeint ist) jede Menge Hardcore Techno, Drum'n'Bass, Rap, Dubstep und was man sonst noch so alles zum Krachmachen nutzen kann. Neben Alec Empire und Nic Endo shoutet noch ein weiterer Sänger die Parolen ins Publikum, das, soweit es mit dem Getöse da klar kommt, auch ordentlich Spaß an der Sache hat. Dagegen sind VNV NATION wirklich brave Chorknaben - vergleichen kann man die Performances aber eh nicht. Wie auch immer, die paar Songs, die von den Berlinern gehört werden, sind erfrischend und energisch und machen echt nochmal Spaß zum Schluss, bevor es dann endgültig in die warme Sommernacht in Richtung Deutzer Bahnhof geht.