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Animals As Leaders / Flares - Ex-Haus, Trier - 22.04.2012
Dass Standfußball eine unterhaltsame Sache sein kann, glauben unzählige Tischkicker-Verbände in ganz Kneipendeutschland und darüber hinaus. In Washington weiß man darum, aber bis nach Saarbrücken ist die Kunde noch nicht vorgedrungen – und das Publikum der nördlichen Nachbarn in Trier erhält an diesem verregneten Sonntagabend den Beweis für beides.
FLARES nämlich, eine saarländische Postrock-Band, stehen für alles, woran die Stilistik krankt, der zuzuordnen sich die Musiker selbst keinen Zwang antun: Man steckt zu tief in seiner Szene-Kiste und dem entsprechenden Klangbild, statt tatsächlich alte Werte zu überkommen, denn „Post“ kann nicht bedeuten, dass man beim Überwinden des Abgeschmackten innerhalb der Rockmusik fehlinterpretiert, was eigentlich falsch läuft: Nein, die Alternative zu Strophe-Refrain-Strophe findet man nicht, indem man rigoros vorhersehbar nach dem Schneeballprinzip komponiert, also zuerst ein Zuckerbrot übers Griffbrett schmiert und zum Ende des jeweiligen, natürlich überlangen Songs hin immer kräftiger peitscht. Auch muss man breitbeinige Männerposen – zumal sie in den meisten Fällen mit Augenzwinkern versehen werden – nicht durch gelangweiltes Starren ersetzen, Genre-treu in der Regel auf die Schuhe. Drittens ist proletenhaftes Zurschaustellen von Virtuosität zum Selbstzweck zwar affig, aber nicht minder als ein riesiger Gerätepark, dessen Einsatz sich akustisch kaum erschließt, derweil die Musiker ihre Hände genauso wenig bewegen wie die Beine, sieht man vom aufrichtig leidenschaftlichen Zappeln von Gitarrist Christian Detzler und dem klasse Trommler Christian Schönlaub ab. Im Vergleich dazu bleibt Kollege Josh am Bass blass, und dass man den Lichtmann neben einem Keyboarder zur Besetzung zählt, ist in diesem Bereich zwar nicht ungewöhnlich, aber mit Hinblick auf den „unrockigen“ Charakter der Performance von FLARES kennzeichnend: zwei Laptops, viel Gewese, und außer„Atmosphäre“ bleibt wenig hängen. Freunde des Genres können sich das Debüt der Gruppe aber blind zulegen: „Kingdom Come“ kommt mit Artwork von Helder Pedro, der schon Callisto, God Is An Astronaut und einer Menge ähnlicher Bands optisch auf die Sprünge zur Konformität half, und wurde von Drone-Guru James Plotkin (Scorn, Khanate) gemastert. Inzest sollte auch im Musikgeschäft geahndet werden – und lacht doch mal, Jungs!
Wahrten die kaum 100 Gäste im beschaulichen Balkensaal des Trierer Ex-Haus während des halbstündigen Gigs der Vorgruppe noch Abstand, füllt sich der Raum vor der Minibühne lange vor Beginn des Hauptacts, schätzungsweise mit Musikern, die dem kommenden Trio auf die Finger schauen möchten. Bereits beim Auffahren der Equipment-Geschütze ist das Staunen groß: Tosin Abasi und Javier Reyes sind ein zur Band gewordener Ibanez-Katalog und haben mit Matt Garstka einen kräftig zulangenden Hochschulabsolventen hinters Schlagzeug geklemmt. Den Bass spart man sich längst, genauso wie modische Eitelkeiten oder eine Lightshow. Tatsächlich brennt während des Gigs herkömmliches Weißlicht, während im Hintergrund zwei Leinwände gefällige Projektionen zeigen. Das macht dem Fotografen das Leben zur Hölle, doch der Fan freut sich über das, worauf es bei Konzerten eigentlich ankommt, obwohl es in jüngerer Zeit zunehmend in den Hintergrund rückt – die tatsächliche musikalische Leistung. Trotz Klick im Kopfhörer wirken ANIMALS AS LEADERS sehr organisch, auch weil sie eben „nackt“ aufspielen. Die Single „Waves Of Babies“, ein erwartbarer wie sinniger Opener, gibt den Weg für die folgende Eineinviertelstunde vor: je zweimal acht Saiten und vordergründige Arrhythmie, die geschwind einen mörderischen Groove entwickelt. Die Matten der Anwesenden wehen nur verhalten, ihre Augen ruhen umso aufmerksamer auf den Fingern der sympathischen Doppelspitze, wobei Abasi auch viel steppen muss, um zwischen Effekten umzuschalten und Loops zu starten beziehungsweise abzubrechen. So mitreißend die Songs der drei Männer im Vergleich zum Gros der Instrumental-Metal-Bands sind, beeindrucken ANIMALS AS LEADERS zuerst durch ihr technisches Vermögen, wobei sich zeigt, dass dessen Umsetzung ohne entsprechende Ausrüstung überhaupt nicht nötig wäre. Die Gitarristen haben gewiss einen Großteil ihrer Jugend zum Üben geopfert, doch so leicht mutet ihr Spiel auch deshalb an, weil man ihnen die entsprechenden Instrumente gebaut hat. Aberwitzige Tappings, in Hochgeschwindigkeit geslappter Bordun auf den tiefen Saiten – all dies bringt das Duo mit minimalem Bewegungsaufwand zustande, während sich der Hintermann unbeeindruckt den Wolf trommelt. Um dabei wieder zum Anfang zurückzukommen: Die Amerikaner strahlen während ihrer Zeit auf der Bühne über beide Ohren und wirken ehrlich erfreut beziehungsweise hungrig. Genau dies ist es, was Rockmusik – neu oder alt, Post oder Bahn – wertvoll macht, und wenn das abschließende „Cafo“, die Zugabe „Weightless“ verklungen und der „Djent“-Trends verpufft ist, werden ANIMALS AS LEADERS weitergehen. Für wenig Geld gab es an diesem Abend jedenfalls eine Menge Emotionen, Schweiß und Spielfreude ohne Protzen, auch wenn gerade diese Musiker damit durchkämen.