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Ayreon - 013 Poppodium, Tilburg - 17.09.2017

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Die Sterne vom Himmel zu holen muss ein unheimlicher Kraftakt sein. Nur so lässt sich folgendes Fakt erklären, das schwarz auf weiß niedergeschrieben nach wie vor unglaublich klingt: Arjen Anthony Lucassen hat seinen blinden Minnesänger AYREON in den nunmehr 22 Jahren seiner Existenz tatsächlich noch nie live auf die Bühne geschickt.

 Doch jetzt ist alles anders. Seit dem denkwürdigen Wochenende vom 15. bis 17. September 2017 ist der obige Abschnitt nicht mehr gültig. Zwei Jahre Vorbereitung waren notwendig, um die zwischen Dinosauriern, mittelalterlichen Schlössern und Raumschiffen in fernen Galaxien pendelnde Zeitachse auf eine Show zu bündeln. Nur wenige Stunden hingegen brauchte es, um das hübsche Poppodium in Tilburg, das über Stehplätze, Sitzstufen und Balkon gleichermaßen verfügt, bis zum Rand zu füllen. Ratzfatz waren auch die Karten für das Zusatzkonzert vergriffen; und selbst beim dritten Termin an gleicher Stelle musste man als Interessent schon binnen eines Tages reagieren, um eine Chance auf Eintritt zu bekommen.

 

 

 An fehlender Nachfrage kann AYREONs Bühnenabstinenz also nicht festgemacht werden. Erst recht nicht an fehlenden Live-Qualitäten: Was die – über den Daumen gepeilt – rund 30 Musiker hier binnen zweieinhalb Stunden abbrennen, lässt Abermillionen von erdichteten Jahren futuristischer Gedankenspiele wie ein Augenzwinkern erscheinen, inklusive explodierendem Feuerwerk auf der Innenseite des Augenlids.

 Mit Feuer- und Nebelsalven, zwei beweglichen Roboterarmen samt Lichtkegeln („Wilma“ und „Betsy“), einem Host mit futuristischem Laserhelm, einer großen Leinwand, die alle Songs nonstop mit exklusiv angefertigten SciFi-Animationen untermalt, Theatralik auf der Bühne zwischen den beinahe so sehr schauspielernden wie singenden Vokalisten (derer 16 an der Zahl) und drei swingenden Background-Sängerinnen im Abendkleid wird das Projekt „Ayreon Universe“ nicht nur dem Over-The-Top-Faktor der Alben gerecht, sondern streckt bereits die Arme aus nach den irrwitzigen Bühnenshows eines Devin Townsend.

 Es ist ein Trip durch die Galaxie ohne vorbestimmtes Ziel. Die inzwischen doch recht beachtliche Diskographie des Niederländers wird kreuz und quer aufgemischt; ob nun das elektrische Schloss seine Pforten öffnet, ob die Nullen und Einsen rotieren, die Star One abhebt oder das aktuelle Album „The Source“ seine Feuertaufe erlebt, über fehlende Abwechslung kann man sich an diesem Abend nicht beschweren. Selbstverständlich wäre es reinster Wahnwitz gewesen, für einen solchen Cocktail sämtliche Originalgäste zusammenzutrommeln, die jemals unter Lucassen musiziert haben, aber trotzdem tummeln sich da oben so viele Hochkaräter, wie man sie auf einem einfachen Konzert selten gleichzeitig zu sehen bekommt.

 Spielbestimmend sicherlich der frisch gebackene Ex-THRESHOLD-Fronter Damian Wilson, der gefühlt die meisten Gesangsauftritte absolviert und gar nicht viele Posen benötigt, um zum Dreh- und Angelpunkt auf der Sängerposition zu werden. Mit dichtem Vollbart steht er im silbernen Jackett da, der massiven Metallstatue eines stolzen Zwerges ähnelnd, Dabei lässt die restlichen Musiker um sich herum wuseln, während er seine nuancierte Stimme zu kraftvollen Hymnen erklingen lässt, die nicht einfach nur wie für ihn gemacht scheinen, sondern es faktisch sind. Dass sich am Ende ausgerechnet er als agilste Rampensau erweist, als er noch vor Kollegin Maggy Luyten den Sprung zum Crowdsurfen in die Menge wagt, gehört zu den vielen trockenen Pointen, derer man heute unverhofft Zeuge wird (wieder einen wichtigen Meilenstein in der journalistischen Karriere abgehakt - einmal Damian Wilson begrapschen. Check!).

 Die breitbeinige Rock-Attacke besorgen dann Herrschaften wie Tommy Karevik, der mit rauchigem Kratzorgan in den groovigen Passagen zur Stelle ist. Spielend wird aber ein Gleichgewicht zwischen männlichen und weiblichen Lead Vocals gehalten. Dass beispielsweise NIGHTWISH-Röhre Floor Jansen eine massive Bühnenausstrahlung hat, wird in dem Moment offensichtlich, als sie erstmals die Bühne betritt. Dem Publikum ist regelrecht anzumerken, wie es einen Großteil seiner zahllosen Augenpaare augenblicklich auf sie richtet.

 Spannend auch der Kontrast, den der stilecht in Schwarz gekleidete Jonas Renkse (KATATONIA) im Duett mit der immer strahlenden, nie verblühenden Anneke Van Giersbergen hergibt. Das gesamte Konzert lebt von heterogenen Anblicken wie diesen: Gegensätze, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen, vereint im symphonischen Konsens der, so beweisen auch die Live-Versionen, unverschämt eingängigen Kompositionen des Arjen Lucassen, der mit seinem Hauptprojekt nicht nur die Schnittmenge aus Fantasy und Science Fiction trifft, sondern ein Publikum jeglicher Couleur (über 50 Nationalitäten will man im Saal gezählt haben).

 Als Konstanten fungieren Joost van den Broek am Keyboard und Ed Warby am Schlagzeug jeweils wild um sich schlagend, gut sichtbar auf einer Empore; am Boden der Bühne werden sie von den Gitarristen Marcel Coenen / Freddy Duijsens und dem Bassisten Johan van Stratum tatkräftig unterstützt. Weitere Musiker treten immer wieder für kurze Soli auf; so etwa Jeroen Goossens, der seine Flöten-Soli bevorzugt beim Wirbeln um die eigene Achse spielt. Oder Peter Vink, der zum Auftakt von „Intergalactic Space Crusaders“ seinen knallpinken Bass erst einmal etwas piesackt und schelmisch in die Menge grinst, bevor er dann so richtig in die Saiten greift.

 Und der Maestro selbst? Zieht im Hintergrund als Puppenspieler die Fäden, so scheint es, bis er schließlich unter tosendem Applaus doch noch selbst Hand anlegt. Die Halle brodelt, als sich endlich ein Scheinwerfer auf den Mann richtet, der all das erdacht hat, um höchstpersönlich ein paar Riffs beizusteuern. Und dann entpuppt sich Lucassen in einer längeren Ansprache auch noch als humorvoller Entertainer, der die typischen Liebesbekundungen eines Musikers an sein Publikum charmant zu verpacken weiß („it's so cheesy, I know“). Schwer zu glauben, dass er die Bühne normalerweise aus Scheue meidet und lieber Platten aufnimmt.

 Wer nicht selbst dabei gewesen ist, darf voraussichtlich Anfang des Jahres immerhin mit einer Heimkinovariante auf DVD und / oder Blu-ray und / oder CD rechnen (so wie man Lucassen kennt, in zehn verschiedenen Versionen vom Jewel Case bis zum mannsgroßen Earbook); ob der dritte Abend auch dabei sein wird, ist noch nicht bekannt, da Lucassen zum Ende hin flucht wie ein Pirat in der Spelunke (und behauptet, dies zu dürfen, weil ja niemand mitfilme); massive Bild- und Tonwerte wird es aber unter Garantie geben, egal welches der drei Konzerte es auf die Datenträger schafft. Und eines hat die Vergangenheit gelehrt: Wer einmal auf der Bühne war, kehrt auch wieder dorthin zurück...

 

Tracklist

Prologue (with Mike Mills)

Dreamtime (with Edward Reekers)

Abbey Of Synn (with Robert Soeterboek)

River Of Time

Prologue: The Blackboard

The Theory Of Everything, Part 1

The Theory Of Everything, Part 2

Merlin's Will (with Floor Jansen)

Waking Dreams (with Jonas Renkse)

Dawn Of A Million Souls (with John Jaycee Cuijpers)

Valley Of The Queens

Ride The Comet

Star Of Sirrah

Comatose (with Rob Snijders)

Day Sixteen: Loser (with Mike Mills)

And The Druids Turn To Stone (with Damian Wilson)

The Two Gates

Into The Black Hole (with Tommy Karevik)

Actual Fantasy (with Edward Reekers)

Computer Eyes (with Edward Reekers)

Magnetism

Age Of Shadows

Intergalactic Space Crusaders (Star One Cover) (with Peter Vink)

Collision

Everybody Dies

The Castle Hall

Arjen's Speech

Amazong Flight (with Jay van Feggelen)

Day Eleven: Love

Encore: The Eye Of Ra

 

Floor Jansen - Nightwish

Damian Wilson - Threshold

Hansi Kürsch - Blind Guardian

Tommy Karevik - Kamelot

Anneke van Giersbergen - The Gentle Storm

Marco Hietala - Nightwish

Jonas Renkse - Katatonia

Mike Mills - Toehider

Marcela Bovio - Stream of Passion

Irene Jansen - Ayreon

Robert Soeterboek - Star One

John Jaycee Cuijpers - Praying Mantis

Edward Reekers - Kayak

Jay van Feggelen - Ayreon

Maggy Luyten - Nightmare

Lisette van den Berg - Scarlet Stories

 

Ed Warby - Drums

Johan van Stratum - Bass

Marcel Coenen - Lead guitar

Ferry Duijsens - Guitar

Joost van den Broek - Keyboards

Ben Mathot - Violin

Jeroen Goossens - Flutes, woodwinds

Maaike Peterse - Cello

Sascha Ganser (Info)

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Live-Fotos

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