COREY TAYLOR | Europe Tour 2023 - PALLADIUM KÖLN - 23.11.2023

COREY TAYLOR lässt seine Maske fallen und gibt Einblicke in sein Seelenleben. Auch der zweite Tag seines Gastspiels in der Domstadt gerät im Palladium zu einem echten Konzerthighlight 2023. Die OXYMORRONS, nur echt mit Doppel-R, heizen als Mitglieder der Familie bereits ordentlich vor

OXYMORRONS – 2 Rs – NOT 1

Wenn man in den vergangenen Jahren COREY TAYLOR auf der Bühne hat erleben wollen, ging das nur im Bandverbund der Handelsmarke SLIPKNOT, deren musikalische Ausrichtung deutlich härterer Ausprägung ist als bisherige Band- oder Solo-Projekte des Mannes aus Des Moines. Während TAYLOR sich als Frontmann der Maskenmänner unnahbar und distanziert gibt, lässt er an diesem Abend die Vermummung fallen und präsentiert sich als lausbubenhaft-energetischer Musiker, der tiefe Einblicke in sein Seelenleben gewährt, das nicht zuletzt aufgrund seiner traumatisch erlebten Kindheit eher verletzlich denn knallhart herüberkommt, doch dazu später mehr.

Eröffnet wird der Abend von der Rap-Rock-Metal-Cossover Formation OXYMORRONS, die, wie COREY TAYLOR später anmerkt, Teil seiner Familie geworden sind. Der vermeintliche Schreibfehler (Oxymoron schreibt sich normalerweise mit einem -r), dient als Bandslogan, der sich dann auch auf den Merch-Artikeln der Band wiederfindet (2 Rs NOT 1). Zudem agieren die beiden Hauptakteure Dave "D" Bellevue und Ashmy "KI" Bellevue als sich gegenseitig immer wieder konterkarierende Figuren, die hier wohl auch ganz bewusst den Begriff Oxymoron mit Leben füllen wollen. Die Mucke kommt im Palladium ausgesprochen gut an, obwohl der Stil eher in Richtung CRAZY TOWN denn COREY TAYLOR geht. Nach extrem unterhaltsamen 40 Minuten gehen die Jungs aus New York von der Bühne und haben die Meute in der Halle definitiv in ihren Bann gezogen.

COREY TAYLOR: Aktuelle Tour als Befreiungsschlag

Nach kurzem Umbau ist er dann endlich da – der Maskenmann aus Des Moines, Iowa, allerdings ohne die verhüllende Requisite, hinter der sich COREY TAYLOR bei SLIPKNOT in bekannter Manier verstecken kann. Los geht’s mit „The Box“ als Intro vom Band, dem Opener des aktuellen Albums „CMF2“. Die Zeile „take a breath – enjoy the show“ ist Programm und wird sogleich mit Leben gefüllt, da mit den letzten Tönen des Songs die Musiker aus der Garderobe kommen und die Bühne in Beschlag nehmen. „Post Traumatic Blues“ als Abrechnung mit der eigenen Vergangenheit rüttelt das Palladium vom ersten Takt an durch und zeigt alle Stärken des Songwriters, der zwischen Härte und Gefühl alle Register zu ziehen im Stande ist.

Man merkt TAYLOR an, dass er das neue Material und diese Tour als eine Art Befreiungsschlag empfindet, der ihn nach Jahren, in denen STONE SOUR auf Eis liegt, endlich wieder in die Lage versetzt, seinen musikalischen Wurzeln zu huldigen, denn während die SLIPKNOT-Gemeinde immer härteren Stoff fordert, schlägt sein Herz deutlich hörbar in Richtung Melodic Metal und Melodic Hard Rock bis hin zum Blues. Nach „Tumult“, einem alten STONE SOUR-Titel vom 2002er Debüt gibt es mit „Black Eyes Blue“ einen Kracher der ersten COREY TAYLOR Solo-Scheibe, der für Begeisterung im weiten Rund sorgt. Das anschließende „We Are The Rest“ demonstriert nachdrücklich die Fähigkeit TAYLORs, grandiose Melodien zu kreieren. Der Titel ist ebenso zeitlos wie unverwüstlich, macht Anleihen an Punk-Rock und liefert Party-Musik bester Ausprägung.

„...Before I Forget...“ als rhetorische Figur des Abends

Zwischen den Songs wendet sich TAYLOR immer wieder ans Publikum und man spürt deutlich die pure Freude, die er auf der Bühne hat, als jemand, der hier keine Rolle spielen muss, sondern er selbst sein kann. Insofern ist dieser Abend auch die Werkschau eines Musikers, der scheinbar sein Ego in den vergangenen Jahren nicht nur durch die Maske eingeengt sah. „Song #3“ ist ein weiterer Beweis, welch fantastischer Songwriter TAYLOR ist. Der STONE SOUR-Track wird mächtig abgefeiert, bevor „Beyond“ vom „CMF2“ Album den Bogen in die aktuelle Schaffensperiode schlägt. Im Anschluss gibt es den ersten SLIPKNOT Song, der schon im Vorfeld immer wieder durch die Zeile „..before I forget“ als Wiederkehrende Einleitung diverser Moderationen TAYLORs Anklang findet, nun aber mit dem Zusatz „...is the next song we play“ im Jubel der Menge untergeht. Danach gibt es das launige „Sponge Bob Square Pants Theme“, das TAYLOR als Lausbuben erkennen lässt, als Kind, das einfach nicht erwachsen werden will.

„Snuff“ liefert Gänsehaut-Momente

„Snuff“ in der Akustik-Version verdeutlicht in der Folge einmal mehr den Ansatz, den COREY TAYLOR mit dieser Solo-Tour verfolgt und lässt die Abkehr des Musikers von der beinharten Ausrichtung SLIPKNOTS erkennen, die dieses Juwel erst 2022 nach mehr als dreizehn Jahren wieder auf einer Setlist hatten. Man kann sich denken, auf wessen Betreiben hin dies wohl geschehen ist. Die Intensität, mit der COREY TAYLOR diesen Song intoniert erzeugt unwillkürlich eine wohlige Gänsehaut. Etwas rockiger geht es mit „30/30-150“ weiter, einem STONE SOUR Song, den TAYLOR extra für diese Tour „ausgegraben hat“. Mit „Talk Sick“ und „Midnight“ vom neuen Album geht es zurück in die Gegenwart, die COREY TAYLOR mit den Fans ausgiebig auskostet. „Through Glass“ liefert den letzten Eintrag der regulären Setlist, bevor die Band mit „Duality“ und dem BLACK SABBATH-Cover „Fairies Wear Boots“ die grandiose Zugabe bestreitet. Danach ist Schluss und COREY TAYLOR und seine formidable Band baden noch minutenlang in den Ovationen der Menge.

FAZIT: COREY TAYLOR wirkt ohne seine SLIPKNOT-Maske wie befreit und spielt vor ausverkauftem Haus ein Konzert von Weltklasse. Die „CMF2“-Tour wirkt wie ein Befreiungsschlag des genialen Songwriters, der hier wieder er selbst sein kann und die Zwänge seines Alter Egos als SLIPKNOTs „Number 8“ hinter sich lässt. Wohl nicht von ungefähr verabschiedeten sich in den vergangenen Wochen einige SLIPKNOT-Musiker aufgrund „musikalischer Differenzen“, die TAYLORS Hinwendung zu mehr Melodie wohl eine Absage erteilen wollten. Die 2024er Festival-Saison wird COREY TAYLOR Solo bestreiten, während es für SLIPKNOT eine künstlerische Pause geben wird, die TAYLOR bereits auf dem W:O:A 2022 angekündigt hatte. Im kommenden Jahr wird COREY TAYLOR zudem erneut nach Deutschland kommen. Ich freue mich schon jetzt darauf!