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FIDDLER'S GREEN "Heyday"-Tour in Oberhausen - Turbinenhalle OBERHAUSEN - 24.05.2019
Eine Verkettung von unglücklichen Umständen kann in manchen Fällen doch noch zu einem Happy End führen. Und manche solcher Storys müssen einfach erzählt werden.
Beim letzten von mir besuchten Gig der Fiddler‘s zur ‚Folk‘s not dead‘-Tour in Duisburg, der immerhin schon neun Jahre her ist, habe ich bei dem sehr amtlichen Pogo vor der Bühne eine fette Verstauchung davongetragen. Wahrscheinlich war ich hinterher noch sehr auf Adrenalin und habe dieser Verletzung keine großartige Bedeutung beigemessen. Jedenfalls bin ich im Anschluss an das Konzert noch die 100 km nach Hause gefahren, obwohl eine sehr gute Freundin von mir mit dabei war. Die vermutet übrigens bis zum heutigen Tag, dass ich sie schlichtweg nicht mit meinem 124er Benz habe fahren lassen wollen. Was völliger Blödsinn ist, da sie selber einen sehr schicken Audi 80 besitzt. Dass die Entscheidung allerdings ein ziemlicher Fehler von mir war, habe ich dann des Nachts schmerzlich feststellen dürfen.
Zurück in die Gegenwart habe ich sehr schmunzeln müssen, als ich auf musikreviews.de das Gewinnspiel zur neuen Tour der Fiddler‘s entdeckt habe. Natürlich habe ich direkt eine Mail mit der richtigen Antwort losgeschickt und ebenso natürlich habe ich die „Kriegsverletzungsanekdote“ nicht unerwähnt gelassen. Thoralf Koß hat sich direkt darauf gemeldet und fand die Anekdote tatsächlich sehr erwähnenswert, machte mir jedoch wenig Hoffnung auf Erfolg, da sich wohl schon eine beachtliche Personenanzahl auf dieses Gewinnspiel gemeldet hat.
Wie erwartet, war ich dann nicht unter den Gewinnern, bekam allerdings wenige Tage später doch noch eine Mail vom Thoralf, der mir mitteilte, dass ihm meine Geschichte sehr gut gefallen hat und er gerne möchte, dass ich auch mal ein Fiddler’s Green-Konzert unbeschadet überstehe. Er hat somit die Verantwortliche der Promofirma der Fiddler‘s kontaktiert und darum gebeten, mir vielleicht doch einen Kartenwunsch zu erfüllen, obwohl ich bei der Verlosung nicht gewonnen hatte. Und siehe da, diese haben mich direkt plus eine Person meiner Wahl für das Konzert am 24. Mai in Oberhausen auf die Gästeliste genommen. Klar, dass ich mir diese Gelegenheit nicht habe entgehen lassen.
Der klangliche Rahmen des Abends wurde dann auch durch die Vorband The Moorings aus Frankreich direkt vorgegeben. Irisch-Gälische Folkmelodien gepaart mit ramonesclashiger Punkattitüde. Dieser Stil, von den Pogues Anfang der 80er Jahre ins Leben gerufen, wurde sowohl von den fünf Franzosen als auch später von der Hauptband des Abends in sämtlichen Facetten zelebriert. Große musikalische Überraschungen darf man da natürlich nicht unbedingt erwarten. King Crimson- oder Frank Zappa-Anhänger würden hier wahrscheinlich ihre anspruchsvolle Nase rümpfen. Aber dem setze ich das Argument entgegen, dass beispielsweise im höchst angesehenen Bluesbereich jederzeit gerne auf Roots und Classics zurückgegriffen werden darf, ohne dass irgendwer das Gesicht verzieht. Warum also nicht auch hier?
The Moorings haben also den High-Speed-Folk in bekannter Manier mit teils eigen komponierten Liedern, aber auch mit liebgewonnenen Punksongs á la Pennywise‘s ‚Bro Hymn‘ sehr sympathisch präsentiert. Und für den Abschluss des Abends haben sie noch ein besonderes Schmankerl bereitgehalten. Da die Straßburger auch der deutschen Sprache mächtig waren, was sie vorab schon in einigen Ansagen haben durchblicken lassen, haben sie ihr Set mit einer eigenen Version von ‚Auf der Reeperbahn Nachts um halb eins‘ enden lassen. Ein perfekter Abschluss für einen sehr gelungenen Auftritt.
Der Hauptact des Abends hat dann auch nicht lange auf sich warten lassen. Die Fiddler‘s sind einfach eine Institution in diesem Genre und wahre Live-Monster. Sie brauchen tatsächlich nur ein paar Akkorde, um in der (ohnehin schon enorm warmen) Halle der Audienz den ein oder anderen Schweisstropfen mehr zu verpassen. Denn jetzt kam die Meute vor der Bühne so in Schwung, wie die Moorings es sich zuvor gewünscht hatten. Das Set der Fiddler‘s bestand selbstverständlich aus Songs von ihrem neuen Album ‚Heyday‘ und, ebenso selbstverständlich, aus Stücken der Vorgängeralben. Das ergab einen bunten „Pott Porree“ mit eben neuen Darbietungen wie auch altbekannten Ritualen wie beispielsweise der Wall of Folk, eine Variante der in Fachkreisen sehr geschätzten Wall of Death (die Unterschiede zwischen beiden Praktiken können wahrscheinlich nur absolute Experten erkennen) zu dem Stück ‚Rocky Road to Dublin‘.
Zudem wurde besonderen Wert auf melodiöse Zwischenstücke gelegt. So hat zum Beispiel Tobias Heindl, der Mann an der Geige, mal gemeinsam mit Drummer Frank Jooss, mal mit Stefan Klug an der Bodhrán mehrfach ein paar Soloeinlagen eingelegt, um dem Programm die entsprechende Würze sowie Diversität zu verleihen. Und genau das war es, was den Auftritt der Jungs aus Erlangen in musikalischer Hinsicht ausmachte. Es wurde eben nicht eine 1-2-3-4-Dreiakkordsnummer nach der anderen runtergedudelt, sondern ebenso gezeigt, dass man seine Instrumente beherrscht. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum die Band, wie von Sänger Ralf Albers angemerkt, auch nach mittlerweile respektablen 29 Jahren weiterhin wachsenden Support erhält. Denn auch an diesem Abend war die Audienz der Band sehr gewogen. Ob das auch der Grund war, warum Gitarrist Patrick Prziwara am Ende zu Tränen gerührt war, lässt sich nur vermuten.
Sehr erwähnenswert waren zudem die politischen Statements beider Bands, die keinen Zweifel darüber ließen, welche Meinung besonders in diesen Zeiten zulässig ist und welche eben nicht.
Sei es die von den Moorings per Flagge beworbene Organisation Sea Sheperd, die im Mittelmeer mit den Auswüchsen des Kapitalismus, der damit verbundenen Armut in Afrika und der gleichzeitigen Verbohrtheit (und das ist eigentlich zu milde ausgedrückt) der EU zu kämpfen hat, in dem sie Tag für Tag schlichtweg versucht Menschenleben zu retten. Nothing more, nothing less. Auch wurde der auf dem neuen Album der Fiddler‘s enthaltene Song ‚No Anthem‘, der eine ziemlich klare politische Message hat, mit ein paar erklärenden Worten angekündigt. Darüber hinaus durfte Greenpeace am Halleneingang Informationen und Informationsmaterial an interessierte und aufgeschlossene Menschen weitergeben. Ja, so ein Abend soll vornehmlich Spaß machen, ja, es sind unangenehme Themen, aber auch ja, es kann gar nicht genug darüber gesprochen werden. Ignoranz ist keine Lösung. Wer anderer Meinung ist, unterstützt, ob unbewusst oder bewusst, den wachsenden Populismus, und damit unweigerlich Intoleranz, Rassismus und am Ende schlichtweg den Hass auf dieser Welt. Punkt.
Abschließend gilt es noch zu erwähnen, dass ich den Abend tatsächlich (weitestgehend) verletzungsfrei überstanden habe. Die paar kleinen Wunden und Hämatome fallen da nicht ins Gewicht.
FAZIT: Es sind in der Regel immer die kleinen Gesten, die eine Menge bewirken können. Danke an Thoralf sowie Sonja von CMM-Marketing für eben diese Geste.
TIMO SCHAKAU
Alle Bildrechte liegen beim Autor dieses Konzertberichts!