Zur – vorerst? – letzten musikalischen Hörspiel-Lesung zum Schauer-Roman "In Dreams" haben die Schriftstellerin Pia Lüddecke und der Musiker Ernest Monshonoris an einem Samstagabend nach Waltrop ins Jugendcafé Yahoo geladen, von wo aus sie das Publikum auf die Nachtseite des Ruhrgebiets (ent)führen.

"Schwarze Romantik aus dem Ruhrgebiet" ist nämlich das Genre, dem sich Lüddecke auch mit ihrem dritten Buch "In Dreams" verschrieben hat, einer sich über 400 Seiten eigentümlich verästelnden Schauergeschichte zwischen melancholischer Existenz im "echten Leben" und wilde Fahrt aufnehmenden Träumen, die zu kontrollieren für die Studentin Indra eine zunehmend gefährliche Herausforderung wird. An der Seite jener zunächst ziemlich verhuschten Protagonistin wird mit dem Traumtherapeuten Arno Löwenherz eine Figur ins Feld geführt, die bei der heutigen Lesung von Ernest Monshonoris gesprochen wird, und zwar mit näselndem Wiener Akzent. Es geht also nicht nur (alp)traumhaft schauerlich, sondern auch humorvoll zu, wenn die von Lüddecke liebevoll skizzierten Menschen, Tiere und andere Wesen auf ganz unwahrscheinliche Weise aufeinandertreffen. Das geschieht u.a. auf einem mitternächtlichen Markt in einem runtergekommenen Studentenwohnheim, am Rande eines abgelegenen Schrottplatzes und in einer eingeschneiten Hütte, in welcher eine Kreatur mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze bereits auf Indra wartet, um ihr eine entscheidende Frage zu stellen…

Pia Lüddecke liest diese Abschnitte aus ihrem Buch auf eindringliche Weise, variiert die Geschwindigkeit und Stimmen, nimmt von Anfang an Kontakt mit den zahlreich erschienenen Zuhörern auf. Ernest Monshonoris intoniert an zwei Gitarren sphärische bis rockige Klänge, welche die Handlung in unserer Vorstellungskraft weiter weben lassen. Zudem unterlegt er die Lesung mit einigen Samples, welche die Hörspielatmosphäre verdichten. Dieser Ansatz könnte durch ein Zuviel auch kitschig nach hinten losgehen. Pia und Ernest sind allerdings nicht nur gut eingespielt, sondern inszenieren "In Dreams" zwar effektvoll, doch eben nicht überladen – die eigene Phantasie wird stets eingeladen, sich zu entfalten. Somit verfliegt die Stunde wie im Fluge, und wer "In Dreams" bisher nicht kannte, der ist spätestens jetzt angefixt…

Angesprochen auf das dritte Tiamat-Album, das ursprünglich "In A Dream" heißen sollte und mit dem gleichnamigen Lied eine dunkle Reise beginnt, zeigt sich Pia Lüddecke überrascht – sie kennt es (noch) nicht. Dennoch ist eine atmosphärische Nähe zumindest für den Rezensenten gegeben.

FAZIT: Das Konzept einer musikalischen Lesung mit Hörspiel-Atmosphäre geht an diesem Abend voll auf. Nicht nur, weil "In Dreams" eine phantastische Schauergeschichte quasi vor der Türschwelle im Ruhrgebiet entfaltet und sphärische bis rockige Klänge den nächtlichen bis alptraumhaften Szenarien Tiefe und Kontur verleihen, sondern vor allem, weil die beiden Vortragenden mit nahezu kindlichem Spaß an der Freude den schrulligen bis geisterhaften Figuren Leben einhauchen. Darum hoffe ich sehr, dass dies nur vorerst die letzte Aufführung in diesem Format war.