ROCKHARZ 2023 | Mittwoch - Ballenstedt, Harz - 05.07.2023

Tag 1: Mittwoch, 05.07.2023

Seit dem Jahr 1993 hat sich am Fuße des nördlichsten Mittelgebirges der Republik ein Metal-Festival etabliert, dessen Bühnen anfangs auf LKW-Anhängern standen und etwa 100 Fans lockten, mittlerweile jedoch mit etwa 23.000 Besuchern zu den festen Größen im Festivalkalender der Metalheads zählt. Das Ganze findet seit 2009 auf dem Flugplatz Ballenstedt im Harz statt, der neben dem normalen Flugbetrieb in dieser Zeit auch das Abheben der Fans aufgrund harter Metal-Klänge ermöglicht.

Die beiden Bühnen Rock Stage und Dark Stage sind gleichwertig. Die Running-Order, in der es keine Zeitüberschneidungen der Shows gibt, ermöglicht den Fans, tatsächlich jeden Auftritt sehen zu können, was bei anderen Festivals eher selten der Fall ist.

Neben dem amtlichen Line-Up bietet das Festival darüber hinaus eine Reihe netter Annehmlichkeiten, die das Erlebnis abrunden und entspannt genießen lassen, hier sei insbesondere der familiäre Charakter des Events genannt, dessen Organisatoren stets die Überschaubarkeit vor ein überbordendes Wachstum gestellt haben.

Ein WÜRDIGER AUFTAKT am Fuße der Teufelsmauer

Das am Fuße der Teufelsmauer gelegene Festivalgelände bietet alles, was das Metaller-Herz begehrt. Neben den kulinarischen Angeboten zwischen Teufelsspieß und vegetarischer Schafkäsetasche, finden sich auf dem Gelände des Flugplatzes Ballenstedt jede Menge Marktstände, die von T-Shirts, über Klamotten jedweder Art, bis hin zu quasi „on-the-fly“ gestochenen Tattoos keine Wünsche offenlassen. Nach erfolgten Akkreditierungsformalitäten, die wie schon im vergangenen Jahr ratzfatz erledigt sind, beginnt mein Rundgang über das noch fast leere Infield. Das Wetter könnte nicht besser sein, die vergangenen Regentage sind glücklicherweise Geschichte. Wer das Festival in diesem Jubiläumsjahr eröffnen soll, haben die Veranstalter bis zuletzt geheim gehalten, hinter dem Banner WÜRDIGER AUFTAKT könnte sich somit alles und nichts verbergen. Dass der Opener seinem Namen dann erwartungsgemäß alle Ehre macht, versteht sich mit Blick auf die Besetzungsliste fast von selbst: ERIC FISH & FRIENDS, Urgesteine des ROCKHARZ-Festivals, bitten mit Hansi Kürsch (BLIND GUARDIAN), Peavy (RAGE), Holly (LETZTE INSTANZ) und Der Schulz (UNZUCHT) ein paar ganz spezielle Gäste auf die Bühne, die zu früher Stunde bereits das legendäre ROCKHARZ-Feeling transportieren und überaus gute Laune machen. Dass die BLIND GUARDIAN-Nummer „Bard´s Song – In The Forest“ bei Tageslicht gespielt wird und somit auf der Setlist des Headliners am Abend fehlt, ist auch eine Seltenheit und sei hier als Randnotiz vermerkt.

KNEIPENTERRORISTEN und EXHORDER als Kontrastpunkte

Als nächste an der Reihe sind die KNEIPENTERRORISTEN, die bereits seit 1998 die Bühnen der Republik beackern und mit ihrem Partyrock, Stichwort: „Nüchtern bin ich schüchtern“ einen Nerv des Party-Völkchens vor der Bühne treffen. Gleiches gilt für EXHORDER, Urgesteine des Thrash-Metals, die auch Groove-Metal und Punkanleihen in die Songs einfließen lassen. Diese Mixtur kommt bei den Fans vor der Bühne ausgesprochen gut an, was den bärbeißigen Frontmann gegen Ende des Gigs dann doch noch versöhnlich stimmt und ein „We love you, ROCKHARZ“ entlockt.

TANZWUT und LETZTE INSTANZ: 25 und kein bisschen müde

Deutlich melodischer geht es danach mit TANZWUT weiter. Der Teufel und sein Gefolge bitten zur „Silbernen Hochzeit“. Mehr als 25 Jahre sind die Jungs aus Berlin bereits in der Mittelalter-Szene unterwegs, die aufwändigen Kostüme sind ein weiteres Markenzeichen der Band, deren Fangemeinde seit Gründung stetig angewachsen ist. Ebenfalls auf mehr als 25 Jahre Bandgeschichte blicken LETZTE INSTANZ zurück. Holly Loose, der kurz zuvor bekanntlich mit ERIC FISH & FRIENDS auf der Bühne war, packt nun mit seiner Heimmannschaft im Rücken nochmals eine Schippe drauf, während die Flammen zu allen Seiten der Bühne zucken. Auch DEICHKINDs „Remmidemmi“ darf nicht fehlen und verschafft den GRABENSCHLAMPEN, den ehrenamtlich tätigen Helfern vor der Bühne, reichlich Arbeit.

ANGUS MCSIX oder: Die Schöne und das Biest

Der Ansturm der Crowd-Surfer verstärkt sich im Anschluss daran noch erheblich. ANGUS MCSIX, die neue Kapelle des ehemaligen GLORYHAMMER-Frontmanns Thomas Winkler, macht sofort mit Beginn des Sets deutlich, wo die Reise des neuen Ziehkindes von Sebastian „Seeb“ Levermann hingehen kann und vermutlich auch wird: in den Olymp der Drachentöter in güldener Rüstung. Neben Winkler und Levermann, letzterer inkognito als SEBULON unterwegs, agiert an der Stromgitarre Thalia Bellazecca, die neben gekonntem Riffing auch optisch einiges zu bieten hat. Die Show ist opulent, kurzweilig und voller Selbstironie der Akteure, die den Spaß an der Sache deutlich im Gesicht stehen haben und selbigen auf die Meute vor der Bühne transferieren können. Ein echtes Highlight. Und es geht Schlag auf Schlag weiter, denn nebenan entern BATTLE BEAST mit Frontlady NOORA LOUHIMO die Bühne. Die Finnen liefern ihren bewährten Party-Metal, der seit den Anfängen der Band deren Markenzeichen ist, auch wenn Anton Kabanen nach seinem Abgang mit BEAST IN BLACK in ähnlichen Gewässern fischt. „Eden“ und „King For A Day“ beenden einen grandiosen Auftritt, der gerne länger hätte dauern dürfen.

AS I LAY DYING: Metalcore und menschliche Abgründe

Weiter geht es mit den Metal-Core Heroen von AS I LAY DYING, die aufgrund einiger Probleme mit ihrer Fluggesellschaft ohne ihr Equipment und mit vierzig minütiger Verspätung in den Harz gekommen sind. An der Band scheiden sich spätestens seit der Verurteilung des Shouters Tim Lambesis die Geister, der seine Frau per gedungenem Killer das Lebenslicht ausknipsen wollte. Pech nur, dass er einen verdeckten Ermittler mit dem Mord beauftragte. Die Band formierte sich nach seiner Freilassung neu, die Mucke ist seit je her irgendwo zwischen Metalcore und Thrash zu verorten. Das Image als Christliche Band bezeichnete Lambesis vor Gericht als PR-Gag, der dazu dienen sollte, die Plattenverkäufe anzukurbeln. Wie gesagt: an AS I LAY DYING scheiden sich die Geister...

MONO INC. und BLIND GUARDIAN: Raben und Wächter

Deutlich beschaulicher geht es mit MONO INC. weiter, die nach eigener Aussage „Lauter als die Hölle“ sind und Pyrotechnik einer Größenordnung abfeuern, die dem Fürsten der Finsternis in dessen Behausung den Schweiß auf die Stirn treiben würde. Der Ausflug in komödiantische Gefilde mit MIKE KRÜGERs „Mein Gott Walter“ steht den Raben um Martin Engler allerdings deutlich weniger und gehört meiner Ansicht nach wieder schleunigst in der Requisite verstaut. Danach gibt es ein Wiedersehen mit Hansi Kürsch, der nach seinem Gastspiel mit ERIC FISH & FRIENDS nun mit seiner eigenen Kapelle BLIND GUARDIAN den Headliner des ersten Tages gibt. Da Kürsch „Bard´s Song – In The Forest“ niemals zweimal an einem Tag singt (O-Ton), kündigt er den Fans bereits ganz zu Anfang des Sets an, dass dieser Hit an diesem Abend auf der Setlist fehlen wird – Pech für diejenigen, die seinen Auftritt am frühen Nachmittag verpasst haben. Dennoch brennen BLIND GUARDIAN ein wahres Hitfeuerwerk ab, Klassiker der Bandgeschichte wie „Imaginations From The Other Side“, „Welcome To Dying“, „Nightfall“ und „Ashes To Ashes“ werden ebenso zelebriert wie das abschließende „Valhalla“, das ein episches Best-Of Set grandios beendet.

KNORKATOR als Surprise-Act

Nach diesem Highlight hat das Rätselraten um den „Surprise-Act“ endlich ein Ende: mit KNORKATOR steht Deutschlands „meiste Band“ – wie schon im vergangenen Jahr – auf der ROCKHARZ-Bühne. Das verspricht wiederum Partystimmung, die die letzten Kraftreserven der Fans mobilisiert. Frontmann Stumpen lässt es sich wiederum nicht nehmen, die versammelten Fotografen auf die Bühne zu bitten und im Laufe des Abends alle Register der Band zu ziehen. Danach heißt es „Zähneputzen, pullern und ab ins Bett“, denn der zweite Festivaltag ist zu diesem Zeitpunkt bereits angebrochen.

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