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Nikki Sixx: Tagebuch eines Heroinsüchtigen - 365 Tage im Leben eines Rockstars (Review)
Artist: | Nikki Sixx |
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Album: | Tagebuch eines Heroinsüchtigen - 365 Tage im Leben eines Rockstars |
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Medium: | Buch | |
Stil: | Rock |
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Label: | Iron Pages Verlag | |
Spieldauer: | 431 Seiten | |
Erschienen: | 02.11.2009 | |
Website: | [Link] |
Wen schon die Drogenbeichte von Andre Agassi entsetzt hat, der übrigens mit Crystal Meth eine Substanz konsumiert hat, die im 2. WK millionenfach an deutsche Soldaten ausgegeben wurde, sollte sich beim „Tagebuch eines Heroinsüchtigen“ des MÖTLEY CRÜE-Bassisten NIKKI SIXX warm anziehen.
Wer glaubt – ich will mich hier nicht ausschließen - dass hier ein alternder Rockmusiker nochmal schnell Kohle machen will, wird innerhalb weniger Seiten eines besseren belehrt, eigentlich ist dieses Tagebuch ein formidabler kommerzieller Selbstmord, den wahrscheinlich nur ein Wahnsinniger wie NIKKI SIXX unbeschadet überstehen dürfte, der übrigens alle Einnahmen aus dem Verkauf des Buches seiner „Running Wild In The Night“-Stiftung zur Verfügung stellt, die Kindern hilft, die von Zuhause abgehauen sind.
Ich kann und will diesem Review eine gewisse persönliche Note nicht absprechen, da NIKKI SIXX und MÖTLEY CRÜE eine nicht unerhebliche Rolle in meiner eigenen musikalischen Sozialisation in den Achtzigern des letzten Jahrtausends gespielt haben und SIXXs letzter musikalischer Output mit SIXX:A.M. und MÖTLEY CRÜEs „Saints Of Los Angeles“ zu den besseren Rockscheiben der letzten Jahre gehört.
„Life Wire“, Opener der ersten CRÜE-LP, ist ein bis heute ungeschlagener Song in Puncto Energie, das Zweitwerk „Shout At The Devil“ eines durchgehenden Kniefalls vor der Anlage würdig und „Theatre Of Pain“ gehört immerhin noch in jede gut sortierte Plattensammlung. Die darauf folgenden Veröffentlichungen sind dann an mir vorbeigegangen, das nun veröffentlichte Tagebuch umfasst relativ genau die Entstehungszeit des folgenden Longplayers „Girls Girls Girls“ bis zum Ende der gleichnamigen Tour.
Auch wenn im Zusammenhang mit dem „Tagebuch eines Heroinsüchtigen“ öfters von Memoiren gesprochen wurde, ist es doch im Grunde etwas anderes, nämlich ein restauriertes Tagebuch, nach ewigen Jahren in einer Garage wiedergefunden, welches von verschiedenen Seiten kommentiert und ergänzt wird, allen voran natürlich Sixx selbst, gefolgt von damaligen engen Begleitern wie seinen Bandkollegen und Familienfragmenten oder nur am Rande erwähnten Betroffenen wie Management und Plattenfirmenschweinen, wie sie von Sixx genannt werden.
Vorrangig lässt das Tagebuch den Leser erschüttert und erschlagen zurück. Erschüttert und Erschlagen von der psychischen Fertigkeit, dem körperlichen Verfall, der Verzweiflung und der Einsamkeit des Mannes, dem Heerscharen von Fans zu Füßen liegen und mit dem wohl viele gerne getauscht hätten, in Erwartung von Partyleben, Girls, Fun und Kohle ohne Ende, aber nicht einer abgrundtiefen endlosen privaten Hölle aus Drogensucht, Wahnsinn und Kindheitstrauma.
Letztgenanntes ist eine der Hauptursachen für den exzessiven Drogenmissbrauch Sixxs, der kurz nach der Geburt vom Vater verlassen und während seiner Jugend bei jedem neuen Freund der drogensüchtigen Mutter für Tage bis Monate zu den Großeltern abgeschoben wird, ein Verhalten, über das Sixx nie wirklich hinweggekommen ist. Anekdoten, wie das Auftauchen des Vaters nach fünf Jahren um seinen Sohn mitzunehmen, aber nur wenn er „gut geraten“ sei, lassen schon dem Unbeteiligten hoffentlich die kalte Kotze hochsteigen, der direkt Betroffene schießt sich aber konsequent so oft wie möglich aus der Realität weg, wird regelmäßig von gespritztem Kokain paranoid, verkriecht sich in seiner völlig verdreckten Besenkammer, liegt nackt mit seinem Gewehr im Bett, geplagt von Wahnvorstellungen, die sich nur mit Heroin unterdrücken lassen, zu dem er auch immer öfter greift.
Es grenzt an ein Wunder, dass Sixx - zwar unter Mühen - noch das komplette „Girls Girls Girls“-Album schreiben und aufnehmen kann, das immerhin Platz 2 der Billboard-Charts belegt und sich für die anstehende Tour, die sich ein halbes Jahr durch die USA hinziehen wird, selbst vom Heroin entzieht, also irgendwie noch ein Blick für Teile der Realität bewahren kann. Für die Tour wird vom Mangement extra ein Privatjet gechartert, um die Band nach den Gigs auszufliegen und besser unter Kontrolle haben zu können, die offensichtliche Drogensucht Sixxs aber hingenommen, da der Rauswurf aus der Band auch den Verlust des Hirns, Motors und Songwriters MÖTLEY CRÜEs bedeutet hätte, ein Verlust, der gerade für das Management das Ende einer enormen finanziellen Einnahmequelle gewesen wäre. Auffallend ist das zunehmende Aufklaren des Verstandes während der heroin-, aber keineswegs drogenfreien Zeit während der Tour, die sich in klar gefassten Gedanken über die Abgefucktheit des Musikbusiness äußert. Dass MÖTLEY CRÜE konsequenterweise ihrem Label mit irgendwelchen Tricks und Drohungen die Rechte an ihren eigenen Songs abgeluchst haben, sei nur am Rande erwähnt, ebenso die Tatsache, dass über das „Wie“ Stillschweigen vereinbart wurde, da das Label Angst hat, andere Bands würden folgen. Grotesk. Dass Sixx auch zu dieser relativ klaren Zeit öfters den „Sikki“ raushängen lässt, wie er es selbst nennt, ist unbestritten, das Abfackeln von falschen Hoteltüren ist noch fast harmlos zu nennen im Vergleich zu dem Raubbau, den Sixx an seiner Umwelt, Seele und Körper betreibt, nachdem die Heroinsucht zurückgekehrt ist. Oder ist es normal, nachdem man gerade wegen einer Überdosis reanimiert wurde und einen Nachruf auf sich selbst im Radio gehört hat, zuhause auf den Anrufbeantworter zu sprechen :“Ich bin nicht zuhause, weil ich tot bin.“ und sich als nächstes im Badezimmer eine weitere Dosis Heroin zu verabreichen? An diesem Punkt geht sogar einem NIKKI SIXX auf, dass etwas sehr falsch läuft und er beginnt eine lange Therapie, der wir wohl die Tatsache zu verdanken haben, auch heute noch seiner Musik lauschen zu dürfen.
Dieses sei nur als ganz grobes Raster des „Tagebuch eines Heroinsüchtigen“ genannt, der absolut sprichwörtliche Teufel steckt im Detail und wird niemanden kalt lassen, der dieses Buch in die Finger bekommt. Die Frage, warum er eigentlich dieses Buch, welches übrigens durchgehend dreifarbig gedruckt und brillant illustriert ist, geschrieben hat, beantwortet Sixx auch noch selbst: „Vielleicht wird es eine Person lesen, der es helfen wird.“ Auf die Antwort: „Das ist nicht sehr Rock 'n Roll, oder?“, antwortet er nur lakonisch: “Scheiß drauf.“
FAZIT: Es gibt wenige Bücher, die mich so beeindruckt haben wie das „Tagebuch eines Heroinsüchtigen“, diese schonungslos offene Darstellung der Drogenhölle, die nüchterne Menschen nicht mal erahnen können. NIKKI SIXX will kein Mitleid und ganz sicher ist das Buch auch ein Teil seiner eigenen Therapie, aber es ist eine klare Warnung vor dem Konsum harter Drogen und wenn er auch nur einen Menschen von diesen abhalten kann, hat er nach eigenen Angaben sein Ziel erreicht. Kaufpflicht!
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- ISBN: 978-3-931624-61-3
- 431 Seiten, gebunden
- 23,90 Euro
- Sonstige - Schreibmaschine: Nikki Sixx
- Tagebuch eines Heroinsüchtigen - 365 Tage im Leben eines Rockstars (2009) - 14/15 Punkten
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