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Gorguts: Colored Sands (Review)

Artist:

Gorguts

Gorguts: Colored Sands
Album:

Colored Sands

Medium: CD
Stil:

Technical Death Metal

Label: Season Of Mist
Spieldauer: 62:49
Erschienen: 30.08.2013
Website: [Link]

Man musste als Fan einiges an Geduld aufbringen, um das seit Jahren angekündigte, neue GORGUTS-Album in Händen halten zu können. Nun ist es soweit, die mit Spannung erwartete Zusammenarbeit von Mastermind Luc Lemay und Wunderdrummer John Longstreth liegt vor.

Natürlich kann man ein Album nicht nur auf das Mitwirken zweier Musiker reduzieren, aber diese beiden besetzen doch die Schlüsselpositionen für den Erfolg.

Der Einfluss Lemays liegt auf der Hand, er ist der Lemmy, der Rock’n’Rolf bei GORGUTS. Mit seiner Rolle als Identifikationsfigur enden die Parallelen allerdings auch schon, denn wo Motörwild sich kompositorisch – mit mehr oder weniger Erfolg – treu bleiben, gibt es bei GORGUTS von Scheibe zu Scheibe doch immer recht deutliche Veränderungen. Hierin ähneln sie den Landsleuten Voivod, deren Stallgeruch ebenfalls trotz aller Modifikation stets unverwechselbar bleibt.

Auch auf „Colored Sands“ bedient sich die Band unmittelbar erkennbarer, mit „Obscura“ etablierter Eigenheiten wie komplexen Arrangements, unorthodoxem Gitarrenspiel und – mehr denn je – zu eigentümlicher Melodie verwobener Dissonanz. Herausgekommen ist dabei das „hörbarste“ Album der technischen Phase. Das bedeutet nicht, dass die Band einen Rückschritt gemacht, ihr Pulver verschossen oder sich gar in Richtung Berechenbarkeit bewegt hätte. Die größere Zugänglichkeit gründet darin, dass hier die flüssigsten Songs der Bandgeschichte zu finden sind. Vor allem hat diese Scheibe etwas, das „Obscura“ und „From Wisdom To Hate“ in diesem Sinne nicht hatten: Groove.

Und damit sind wir bei der Kombination zweier außergewöhnlicher Talente. Es scheint, als hätte Lemay nur auf Longstreth gewartet. Neben der unfassbaren technischen Versiertheit und halsbrecherischen Geschwindigkeit hat dieser Schlagzeuger eine Gabe, die sich an jeder Platte ablesen lässt, auf der er spielt. Er strukturiert den Überschall-Wahnsinn durchweg mit für diese Informationsdichte beeindruckend klaren Motiven. Auf diese Weise verhilft er Origin zu dem gewissen Etwas und pusht Dim Mak von einer sehr guten zu einer überragenden Band. Genau so läuft es hier. Nichts gegen seine Vorgänger, die sind selbstverständlich tolle Schlagzeuger, aber in Sachen Tempo, Tightness und eben vor allem Prägnanz halten sie bei weitem nicht mit.

Der Chef selbst hat seine Arrangements dem gegenüber beinahe orchestral gestaltet, die Schemata des Rocksongs noch weiter aufgelöst als bislang schon und seinem Drummer viel Raum gegeben, durch akzentuiertes Gemetzel zu glänzen. Die Kompositionen wirken sowohl offener als auch kompakter, vielseitiger und durchdachter, jedoch ohne Radikalitätsverlust. Im Gegenteil. Die Blasts sind brutaler und gnadenloser als je zuvor („Enemies Of Compassion“), die zähfließende Seite der Band ist drückender und schwerer („Absconders“), das Gefrickel sorgt regelmäßig für Maulsperren und wenn die Truppe an den Nerven zerren will, dann zerrt sie aber sowas von an den Nerven! Das Ergebnis strahlt gleichwohl eine Erhabenheit aus, die fast schon episch zu nennen ist und sehr viel mehr Stimmung, Drama und emotionale Dringlichkeit transportiert als die doch eher unpersönlich-technoid wirkenden Vorgänger.

Wie sehr Meister Lemay als Komponist gereift ist, zeigt im Übrigen das in der Mitte des Albums platzierte Streichquintett. Man kann nur sagen: Donnerwetter. Diese fünf Minuten bilden den Ruhepol der Platte und sind so elegant komponiert wie einfach nur wunderschön.

FAZIT: GORGUTS haben ihre Stärken ausgebaut, ihren Ausnahmestatus in Sachen Hirnerweichung gehalten und noch zusätzlichen Schub durch das neue Line-Up (zu dem mit Colin Marston und Kevin Hufnagel zwei weitere begnadete Musiker gehören) bekommen. Klarer Fall für den Fan in mir: Dieses Album ist schon jetzt meine Lieblingsplatte der Band. Aber egal, welches der drei Irrenanstalt-Alben man letztlich bevorzugt, enttäuschen wird dieses monströse Meisterwerk niemanden, der je was mit der Truppe anfangen konnte.

P.S. Dies sind die ersten 15 Punkte, die nicht retrospektiv für ein Lieblingsalbum, sondern für eine Neuveröffentlichung vergeben werden.

Hendrik Lukas (Info) (Review 9224x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
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Wertung: 15 von 15 Punkten [?]
15 Punkte
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Tracklist:
  • Le Toit Du Monde
  • An Ocean Of Wisdom
  • Forgotten Arrows
  • Colored Sands
  • The Battle Of Chamdo
  • Enemies Of Compassion
  • Ember's Voice
  • Absconders
  • Reduced To Silence

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
Kommentare
Der Captain
gepostet am: 21.01.2014

Ein sehr gutes Review, ich kann quasi riechen wie die Scheibe klingt...wird gleich geordert...

Gekauft hät ich das Dingen sowieso, aber dieses Review nötigt mich sofort zu bestellen...
hendrik
gepostet am: 21.01.2014

Danke. Wenn es dazu führt, dass du dir das Geschoss ins Haus holst, hat es ja getan, was es sollte ;)
Der Captain
gepostet am: 22.01.2014

Hab "Colored Sands" bereits bestellt...in zwei bis drei Wochen werde ich mal meine Eindrücke hier ans Brett nageln...
Mirko
gepostet am: 22.01.2014

User-Wertung:
14 Punkte

Bei mir muss sich das Album die Höchstwertung noch erarbeiten. Nachhaltigkeit muss reifen.
Ansonsten hast du natürlich Recht. Das Line-Up ist für meinen Musikgeschmack aber schon eine lupenreine Allstar-Truppe. Jeder einzelne Musiker würde mich zu einer Projekthörprobe nötigen.
hendrik
gepostet am: 22.01.2014

Tu das, bin gespannt! Bei mir hats auch ein paar Wochen gedauert, bis ich das alles einordnen konnte. Zuerst war ich sogar enttäuscht, weil es kein solcher hässlicher Mindfuck war wie "Obscura". Irgendwann schlug es ein: Die Scheibe ist NOCH geiler ;)
hendrik
gepostet am: 22.01.2014

@ Mirko: siehe meinen letzten Kommentar (da haben wir fast gleichzeitig gepostet).

Verstehe ich also. Ich hab die Scheibe ja auch schon fast 5 Monate. Und vom Heavy-Rotation-Stapel ist sie seitdem nicht runter gekommen.
Der Captain
gepostet am: 18.02.2014

User-Wertung:
13 Punkte

Ja, das Album ist ein Genuss, und bei aller "Frickelei" ist das Album sehr gut, fast schon sehr einfach zu hören...zumindest verglichen mit "Obscura"...

Jeder Song ist ein Treffer...tolles Album...
hendrik
gepostet am: 18.02.2014

Oder? Ist immer noch in der Heavy Rotation. Unglaubliche Verbindung aus Frickelbolz und elegantestem Songwriting.
Der Captain
gepostet am: 18.02.2014

Musikalisch vertrackt, verkopft, aber irgendwie doch relativ leicht zu konsumieren...die Platte hat irgendwie was beruhigendes...naja, vermutlich nicht für jeden, aber für mich...hahaha...für mich die beste GORGUTS...
hendrik
gepostet am: 18.02.2014

Seh ich genauso.

Ich würde vielleicht nicht beruhigend sagen, sondern erhaben. Ist aber sicher auch nicht die Vokabel, die den meisten dazu einfallen würde :)
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