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Spin Marvel: Infolding (Review)

Artist:

Spin Marvel

Spin Marvel: Infolding
Album:

Infolding

Medium: CD
Stil:

Electronic Jazz

Label: Rarenoise Records
Spieldauer: 59:31
Erschienen: 19.02.2015
Website: [Link]

Das Marvel-Karussell um Schlagzeuger Martin France, der hiermit sein erstes Projekt als Leader begründete, hat sich weitergedreht und lässt nun ein erlesenes Quintett aufsitzen, das dem angehenden Frühling noch eine letzte kühle Brise beschert. „Infolding“ wirft Eisblumen wie Handküsse, lässt Dinge im Zustand der Vergangenheit erstarren und zieht selbst von der Spontaneität gepeitscht weiter, gestaltet düster-kalte Landschaften aus reiner Formmasse, die als Nachbilder in den Hintergrund gedrängt werden und fortwährend Platz für neue Landschaften machen müssen.

Wenn „Infolding“ eines beherrscht, dann ist es die Raumnutzung. France überlegt sich ganz genau, wann er welchen Takt anschlägt. Durch Niedrigfrequenzen reißt er Löcher in den Raum, die an anderer Stelle umso eifriger gefüllt werden. Er selbst tritt umgreifend überhaupt erst nach viereinhalb Minuten in Aktion, und dann gleich im Verbund mit Tim Harries’ ständig mäanderndem Bass; zuvor lässt er Terje Evensen ein elektronisches Stillleben gestalten, das vom prominentesten Teilnehmer der Runde, E-Jazz-Pionier Nils Petter Molvær, mit zunächst noch zurückhaltenden Trompetenmotiven eingedeckt wird. Noch im Opener wechselt die Stimmung aber eben ins Hektische, so dass es sich „Tuesday’s Blues“ daraufhin wieder erlauben kann, weitere eineinhalb Minuten ein erneutes schlagzeugfreies Elektro-Trompeten-Duett eröffnen zu lassen, das jedoch einer völlig anderen Stimmung folgt als der Albumauftakt – eher trübsinniger Fensterausblick als Feldspaziergang. Hier beginnt France auch langsam, die Taktart und die Pace praktisch sekündlich zu alternieren, um die Dynamik nicht stocken zu lassen.

Auf „Two Hill Town“ ist dann der Bass der Star; im Grunde gibt Tim Harries hier mit hektischem, aber gleichförmigem Tapping den Ton an, das hier und da mal plötzlich die bpm-Zahl halbiert und kurz darauf vervierfacht und gleichzeitig die Tonlage erhöht. France konterkariert an dieser Stelle den Beat, Evensen ist wieder Landschaftsarchitekt und Molvær frönt der Motivik, pflanzt sozusagen kleine Gebäude hinein.

Die Rollen sind also gewissermaßen klar verteilt und doch zehrt sich „Infolding“ aus einer gewissen Unberechenbarkeit, die daraus entsteht, dass Positionswechsel vollzogen werden, mit denen sich der Ist-Zustand der Stimmung auf dem Album immer im Wandel befindet, ohne aber eben auf die kühle Signatur des elektronischen Free Jazz zu verzichten. Dazu kann aber auch gehören, dass sich ein Titel wie „Leap Second“ Äonen an Zeit nimmt, denn die Verlangsamung gehört ja sogar zu den grundlegenden Möglichkeiten, Dynamik entstehen zu lassen. Erst im Schlussquartal des 12-Minüters schälen sich ausgeformte Tribals heraus, die in einer nur einsekündigen Schlusspointe seitens Evensen münden. „Same Hand Swiss Double Pug“ dehnt die Zeit sogar noch stärker und setzt die Kontraste noch höher; Drone-Rauschen trifft da auf wilde Schlagzeugeskapaden, mit Nichts gefüllte Hintergründe auf klar konturierte Instrumente, atmosphärische Hilfsmittel wie das Ticken einer Uhr auf Naturalismus, der sich im Wasserplätschern des Einstiegs von „Minus Two“ fortführt – nur damit Evensen die bis dahin zwar alienesken, aber doch deutlich ausgeprägten Elektronika in fast schon APHEX TWIN’schen Kubismus abstrahiert.

FAZIT: Ein eher Stimmungen als Musikalität im konventionellen Sinn verfolgendes Album, das zur Improvisation neigt und bei bewusstem Hören zu teils atemberaubenden Ausblicken führen kann. Eine gewisse Affinität zu radikalem Minimalismus sollte man allerdings mitbringen; zwar ist „Infolding“ gespickt mit ereignisreichen Momenten und auch sonst voller Kräfte, diese gehören allerdings der schwer greifbaren Sorte an, wenn man sich nicht angemessen darauf einlässt.

Sascha Ganser (Info) (Review 4011x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 11 von 15 Punkten [?]
11 Punkte
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Tracklist:
  • Canonical
  • Tuesday's Blues
  • Two Hill Town
  • Leap Second
  • Same Hand Swiss Double Pug
  • Minus Two

Besetzung:

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