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Michels: Erntezeit (Review)
Artist: | Michels |
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Album: | Erntezeit |
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Medium: | LP+CD/Download | |
Stil: | Singer-Songwriter/Westcoast-Americana |
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Label: | Glitterhouse Records/Indigo | |
Spieldauer: | 49:01 | |
Erschienen: | 14.09.2018 | |
Website: | [Link] |
Am 14.09.2018 ist Wolfgang MICHELS neues Album „Erntezeit“ erschienen. Genau ein Jahr nach seinem Tod. Ein musikalisches Vermächtnis, das 49 Jahre Musikerleben in einem flüchtigen Moment (jede Minute entspricht einem Jahr) für die Nachwelt festhält. So textsicher, innig, entspannt, traurig und wütend, dass es auch ohne die Begleitumstände ergreift, schmerzt, bestätigt im Kampf gegen Ungerechtigkeiten und tröstet.
MICHELS ist ein Phänomen. Alexis Korner nahm den 1951 geborenen Musiker 1967 (Wikipedia) oder 1968 (Hamburger Morgenpost und Hamburger Abendblatt) unter seine Fittiche, nachdem MICHELS ein selbst aufgenommenes Band an die BBC geschickt hatte, und Korner der Song „Desert Walker“ ausnehmend gut gefiel. Das führte 1969 zur Gründung von PERCEWOOD’S ONAGRAM, die vier Alben veröffentlichten, bevor MICHELS 1975 als Solist weiterarbeitete. Bis in die 80er mit englischen Lyrics, später, nachdem er mit Rio Reiser kooperiert hatte, mit deutschen Texten. MICHELS gelang der Umstieg problemlos. Er bewegt sich textlich auf TON STEINE SCHERBEN und Jörg Fauser/Achim Reichel-Augenhöhe und lässt erfolgreichere Kollegen wie Marius Müller-Westernhagen, Herbert Grönemeyer oder BAP locker hinter sich.
Dass es mit dem Erfolg in Deutschland nicht ganz hinhaute, war so eine Art der-richtige-Mann-am-falschen-Ort-Phänomen. Die Zeit wäre sogar passend gewesen. MICHELS war ein Westcoast-Mann im Krautrockland. Er bekam das unverkrampft hin, ohne jede teutonische Steifheit oder Exotenbonus. MICHELS nahm in den USA auf und hatte Angebote dort zu bleiben. Er hätte in den Laurel Canyon gepasst oder nach Haight Ashbury, wäre vermutlich durchgestartet, irgendwo zwischen den DOOBIE BROTHERS, THE EAGLES, CROSBY; STILLS, NASH & (vor allem) YOUNG (als dessen Special Guest er 2009 auftrat) oder Jackson Browne. Doch in seinem Heimatland blieb der Delmenhorster ein (begabter) Außenseiter, eher Kritiker- und Musiker- als Publikumsliebling.
Zu schade, dass auch „Erntezeit“ vermutlich nicht die Aufmerksamkeit bekommen wird, die das Album verdient hätte. Denn es besteht aus einer wundervoll austarierten Melange aus Gefühl und antreibender Wut. Die sanfte Hippie-Ästhetik von GRAHAM NASH trifft quasi auf die Power von NEIL YOUNG & CRAZY HORSE. Ohne, dass MICHELS abkupfert. Die Songs handeln von der Sehnsucht und der Lust am Leben, sind heftige Anklagen gegen den neoliberalen Zeitgeist und seine Vertreter („Eiskalt“), scheuen nicht den Besuch in Zwischenwelten („Geisterhaus“), spielen mit Hardrock und Punk („Wir haben die Power“). Kein esoterisches Geschwurbel, keine reim-dich-oder-dich-ich-fress-dich-Attacken, MICHELS Texte bestehen aus klug beobachteter Alltagspoesie, bewegenden Liebesbekundungen und pointierter Lyrik, die Stellung bezieht gegen menschen- und lebensverachtende Positionen.
Musikalisch bewegt sich „Erntezeit“ zwischen Laid-Back-Americana, die lässig dahingleitet, während es unter der Oberfläche schwelt, dezenten Country-Anklängen, jener ganz speziellen deutschen Rockvariante, die TON STEINE SCHERBEN, BLUMFELD oder Achim Reichel in ihren Glanzzeiten produzierten (wie im phantastischen, epischen „Geisterhaus“) und wuchtigem CRAZY HORSE-Gedächtnis-Parcours. Wolfgang MICHELS hält das gesamte Konvolut locker als Texter und Musiker im Gespann mit adäquater Begleitung zusammen.
Kongenial ist der Ausstieg mit dem krachenden „Es ist nicht einfach“ und dem versöhnlichen „Arm in Arm“. Wütend bis zum Schluss und voller Liebe. Ein passenderes Vermächtnis kann es kaum geben.
FAZIT: Das Ende von etwas Besonderem. Daran teilzuhaben ist Pflicht und lohnt sich. So kann deutsche Rockmusik aussehen. Überzeugt Euch selbst davon. Glitterhouse ist das perfekt passende Label fürs posthum erschienene Werk. Fünfzig Jahre Musikerleben auf den Punkt gebracht.
„Dies ist mein Leben, ich mach‘ was ich will, ich liebe es an jedem Tag. Der Mond dreht sich weiter, in allen Zeiten, die Welt dreht sich weiter, mal wild und mal still, wir gehen weiter, vielleicht dreh‘n wir uns um, in unseren Herzen bleiben wir – für immer jung“.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Erntezeit
- Der Mond Dreht Sich Weiter
- Genialer Tag
- Wenn Ich Mich So Fühl
- Sehnsucht
- Geisterhaus
- Eiskalt
- Wir Haben Die Power
- Bald Zuhause
- Sommerzeit
- Es Ist Nicht Einfach
- Arm In Arm
- Gesang - Wolfgang Michels
- Gitarre - Wolfgang Michels
- Keys - Wolfgang Michels
- Sonstige - Etliche Musiker
- Erntezeit (2018) - 13/15 Punkten
- Erntezeit - LP-Version (2018)
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