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Josef Hien: Mit dir (Review)
Artist: | Josef Hien |
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Album: | Mit dir |
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Medium: | CD | |
Stil: | Liedermacher |
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Label: | Sturm & Klang/Alive | |
Spieldauer: | 43:40 | |
Erschienen: | 22.02.2019 | |
Website: | [Link] |
Auch wenn einem der Name JOSEF HIEN sicher bisher noch gar nichts sagt, so werden die meisten Freunde guter deutschsprachiger Liedermachermusik bei dem in Liedermacher-Stein gemeißelten Namen REINHARD MEY ganz bestimmt aufhorchen. Genau die sollten unbedingt auch dieses Album „Mit dir“ von JOSEF HIEN für sich entdecken, denn es ist von der Musik und – man kann es kaum glauben – auch den Texten her eine fast durchgängige Verbeugung vor dem längst zur deutschen Legende gewordenen Liedermacher … auch wenn es ironischer (oder doch logischer) Weise auf dem „Sturm & Klang“-Label von KONSTANTIN WECKER erscheint, der zu dem Album feststellt: „Josef singt, weil er ein Lied hat, mit einer sehr schönen Stimme und schnörkellos ehrlichen Texten. Mit ‚Sei bei mir‘ ist ihm ein politisch wichtiges Lied gelungen.“
JOSEF HIEN jedenfalls scheint ganz offensichtlich ein Typ zu sein, der das, was er in seinen kritischen, aber auch sehr traurigen oder ironischen Texten (Typisch Mey eben!) besingt, auch lebt und dabei im realen Leben schon oft genug von kleingeistigen Selbstdarstellern und unfähigen Chefs dahin getreten worden ist, wo bei denen schon längst nichts mehr in der Hose war, nämlich in den Hintern. Doch genau das scheint für Hien, der seine erste böse Ballade über seine ehemalige Firma schrieb und die auch noch bei dem firmeneigenen Sommerfest sang, nur Ansporn zu sein, darüber ein Lied zu schreiben und tatsächlich die passenden Worte zu finden, die einen beim Hören tief bewegen.
Das gilt im Grunde für alle Texte auf dem Album „Mit dir“, das er aus der Abfindung, die er nach Klagewegen von der Firma bekam, finanzierte. „Mit dir“ – eigentlich ein sehr optimistischer Titel für ein Album, doch wenn wir am Ende der CD hören, worin es sich in diesem Text handelt, dann wird wohl nur eine große Nachdenklichkeit und Traurigkeit übrig bleiben: „Ich will vor dir gehn, denn ich könnt‘ es nicht ertragen / Ich will nach dir gehn, denn sonst bleibst du doch allein. / Ich will vor dir gehn, was mach sonst ich mit all den Fragen? / Ich will nach dir gehn, denn du sollst nicht traurig sein.“
Da setzt sich doch tatsächlich ein Musiker mit dem so ungeliebten Thema Tod und der noch viel bedrückenderen Problematik auseinander, wie es, wenn man eine ganz große Liebe lebt, dabei dem überlebenden, zurückgebliebenen Partner ergehen könnte – und es im Grunde nur eine Hoffnung (Oder Lösung?) gibt: „Dann will ich Mit dir gehn, dann will ich Mit dir, Mit dir gehn.“
„Mit dir“ ist kein Album für schlichte Gemüter, die ihr inneres Navigationssystem nach den ihnen vor die Nase gesetzten Politiker, Abteilungsleiter, Chefs oder sonstwelche Funktionsträger ausrichten, die oftmals hinter dem Rücken bereits ihre Messer wetzen und sich genauso verhalten wie die Krähen in dem großartigen Titel „Schwarzes Gefieder“: „Krähen klettern schnell nach oben, / Achten gut auf ihren Platz. / Was sie in den Schnabel kriegen, / Hüten sie wie einen Schatz. / Krähen hacken, kacken, schubsen, / Sind schnell Herrn in manchem Haus.“
Es ist kein Album für Menschen, denen Musik und Kultur und Literatur als oberflächliche Unterhaltung dient und die am Zügel des Mainstream hängen, ohne es zu bemerken. Da geht jeder einzelne Text schon über ihr Niveau hinaus – auch wenn „Mit dir“ eine so offensichtliche und sehr tiefe Verbeugung vor REINHARD MEY ist, dessen Art zu singen von JOSEF HIEN mitunter nachgeahmt wird, was bei den großartigen Texten fast passend erscheint, aber Hien zugleich auch etwas von seiner eigenen Authentizität nimmt. Hier muss Hien noch an sich arbeiten, eigenes Charisma entwickeln, mutiger sich vielleicht rockigeren oder jazzigeren Klängen hingeben, die ihn nicht nur als „Liedermacher“, sondern auch als Komponisten zu etwas Besonderem machen. Und dabei reicht keinesfalls die umfangreiche Einbeziehung von Streichern und Bläsern, wie bei dem ironischen „Elitepartner“, oder vorsichtige Americana- und Country-Affinität durch die Einbeziehung einer Lap-Steel-Gitarre, wie bei „Wenn du nicht bei mir bist“.
Noch dazu klingt „Mein Respekt“, ein Lied, in dem sich Hien namentlich bei R. Mey für dessen Lieder bedankt und Passagen daraus nutzt, um diesen Song zu „basteln“ nicht nur wie eine Mey-Huldigung, sondern auch ein wenig wie eine Entschuldigung dafür, dass er sich noch nicht von dessen musikalischen Fesseln lösen konnte. Er ist das Huhn, das noch zum Adler werden muss, wie in seiner wunderschönen Vertonung der Fabel aus Ghana „Der Adler, der ein Huhn war“.
Oder der von Wecker so geschätzte politische Titel „Sei bei mir“, in dem JOSEF HIEN den Mut zum Muthaben – auch unter Einbeziehung des „Kantschen Imperativs“ (Handle so, wie du selber behandelt werden möchtest!) besingt, den man wunderbar auf Vergangenheit (beispielsweise auch die DDR-Diktatur), Gegenwart (politische Entwicklung heutzutage) und Zukunft (Wo geht das nur hin, dass wir einfach nicht aus Vergangenheit und Gegenwart die richtigen Schlüsse für die Zukunft ziehen!?) beziehen könnte, der in dem dazugehörigen Video dann tatsächlich nur auf eine Auseinandersetzung mit der AfD, PEGIDA und den ähnlich gearteten rechten Parteien in Europa minimiert wird. Pah, warum nur diese linke Blindäugigkeit, um so mehr man das rechte Auge öffnet? Mut bedarf es nicht nur in diesen Situationen, sondern in vielen, vielen mehr.
FAZIT: JOSEF HIEN unternimmt auf seinem deutschsprachigen, sehr anspruchsvollen Debüt-Album „Mit dir“ den Versuch, einerseits in die Fußstapfen eines REINHARD MEY zu treten und andererseits eine eigenständige Aura als kompositorisch begabter Liedermacher zu entwickeln. Leider gelingt es ihm dabei noch nicht, wirklich eigene Wege einzuschlagen, die seinen großartigen Texten das aus musikalischer Sicht gewisse Etwas verleihen, um aus dem Mey-Schatten ans eigene Licht zu treten.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Genial
- Der Adler, der ein Huhn war
- Mein Respekt
- Schwarzes Gefieder
- Mitten im August
- Jan
- Wenn du nicht bei mir bist
- Elitepartner
- Belegt
- Sei bei mir
- Mit dir
- Bass - Yoyo Röhm
- Gesang - Josef Hien
- Gitarre - Josef Hien, Chris Singer, Fredrik Kinbom
- Keys - Josef Hien, Yoyo Röhm, Rolf Hammermüller
- Schlagzeug - Tim Lorenz
- Sonstige - Streicher, Bläser, Akkordeon, Samples, Telefonansage
- Mit dir (2019) - 11/15 Punkten
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