Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Sebastian Krämer: Liebeslieder an deine Tante (Review)

Artist:

Sebastian Krämer

Sebastian Krämer: Liebeslieder an deine Tante
Album:

Liebeslieder an deine Tante

Medium: CD
Stil:

Deutsche Chansons

Label: Reptiphon/Broken Silence
Spieldauer: 61:10
Erschienen: 23.10.2020
Website: [Link]

„Keiner spickt seine Chansons so mit Morbidität, Charme und vor allem mit hinterfotzigem Humor Güteklasse A.“ (Kurt Krömer über SEBASTIAN KRÄMER)

Was ist das nur für ein charmanter (Oder doch frecher?) Albumtitel – in Zeiten, in denen alle Tanten, die nicht Corona heißen, draußen bleiben müssen. Liebeslieder! Die schreibt man doch für seine Herzdame oder seinen Herzbuben. Tanten und Onkel kommen da eher komisch rüber und insgesamt schlecht weg. Und natürlich weiß das auch der Berliner Chansonnier SEBASTIAN KRÄMER, der seit fast 30 Jahren in seinen Liedern immer wieder gerne auf die bucklige Verwandtschaft zurückgreift. Aber nun mit einer Liebeserklärung daherkommt – wie konnte es nur dazu kommen?

„Ich denk an deine Tante. Wüsste nicht, wann ich so brannte, ist sonst nicht meine Art, liegt an Hildegard...“, nun haben wir auch noch den Namen der angebeteten Tante, die „mal Orkan und mal Schäfchenwolke“ sein kann. Da müssen wir ja fast aufpassen, dass es nicht noch zum Inzest kommt und alle bösen Mächte, wie die katholische Kirche oder der gute, kerngesunde, querdenkende Deutsche, zur Teufelsaustreibung aufrufen.

SEBASTIAN KRÄMER schafft es tatsächlich auf seinem aktuellen Album erneut mit hintergründigem Humor zu provozieren und zugleich anzuregen, mal ein wenig über jeglichen Tellerrand zu denken. Oft ist das Ergebnis daraus nicht zynisch, sondern mehr melancholisch-scharfzüngig und manchmal sogar traurig und dem Hörer geht es wie Hamlet, als der erkennt, dass da etwas faul im Staate Dänemark ist. Gleiches gilt für das gutbürgerliche Deutschland – so viel sei schonmal verraten, nur dass hier eben nicht Prinz Hamlet, sondern ein(e) Krämer-Seele darauf verweist.

Der 1975 in Ostwestfalen geborene Musiker versteht sich in erster Linie als Chansonnier, der auf seiner aktuellen CD sich nicht nur an Tasteninstrumenten selber begleitet, sondern sogar ganz groß mit Streichern daherkommt, klassische Stimmung verbreitet und trotzdem ironisch um sich beißt. Sogar seine Tochter Hedwig hat er dieses Mal mit in sein Musik-Boot geholt und sie das Lied über eine Grundschullehrerin und den Finsterling mit sage und schreibe 16 Strophen singen zu lassen. Dass dabei nicht gerade eine Lobeshymne auf die Grundschullehrer*in herauskommt, wird wohl jedem klar sein – doch das große Lob ist nicht wirklich SEBASTIAN KRÄMERs Sache. Der legt auf „Liebeslieder an deine Tante“ viel lieber den musikalischen (Stinke-)Finger in die Wunden, welche wir im Alltag viel zu gerne unter den Teppich kehren, um stark zu erscheinen, auch wenn wir das gar nicht sind, denn wen plagen nicht Trennungsprobleme oder mangelndes Zeitmanagement oder Flugzeuge, die über unseren Garten fliegen, oder Freunde mit Liebeskummer oder Nichtverliebte oder böse Schwestern oder Liebesliedeinforderer oder, oder, oder…

Dass wir mit diesen Problemen nicht allein dastehen, sondern ganze Chansons daraus werden können, die mit zwar nicht ganz ernst gemeinten – doch gerade darum umso zutreffenderen – Worten all das zum Ausdruck bringen, dürfen wir nun, Krämer sei dank, auf „Liebeslieder an deine Tante“ hören. Und mit dem „Amphirach-Waltz“, eine rein instrumentale Hommage an Vladimir Nabukov, bleibt zudem kurze Zeit zum Durchatmen, indem wir uns mit dem Streichquartett Bowhème in himmlische Klassik-Gefilde erheben, um gleich danach zum Affen gemacht zu werden.

Am Ende sagt und singt uns – nur von klassischem Pianospiel begleitet – Herr Krämer auf „Gute Nacht“ in den Schlaf. Nur Vorsicht, danach werden wir nie wieder mit denselben Worten zu Bett gehen, wie wir's zuvor gewohnt waren. Versprochen!

FAZIT: Der frisch gekürte Bayrische Kabarettpreis-Träger SEBASTIAN KRÄMER singt „Liebeslieder an deine Tante“. Klingt das frech? Das ist frech – und noch viel besser, auch voller spitzfindigem Humor und schwarzhumoriger Melancholie. Und wenn sich der Chansonier dann auf über der Hälfte seiner Titel von breit aufgestellten Streichern begleiten lässt, dann wird sein neues Album gleich noch zu einem Klassiker.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 3963x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Wertung: 12 von 15 Punkten [?]
12 Punkte
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • Deine Tante
  • Der Güterzug
  • Die Flugzeuge über meinem Garten
  • Auch noch du
  • Mit dazu
  • Die Nichtverliebten
  • Der Entzogene
  • Freund mit Liebeskummer
  • Kein Liebeslied für dich
  • Amphibrach-Waltz
  • Mein Affe
  • Dein Verhalten
  • Pingpong im Dezember
  • Freu Zielinski und der Finsterling (feat. Hedwig Krämer)
  • Neues Reiselied
  • Gute Nacht

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Vervollständige: Laterne, Laterne, Sonne Mond und...

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!