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Kind Kaputt: Morgen ist auch noch kein Tag (Review)
Artist: | Kind Kaputt |
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Album: | Morgen ist auch noch kein Tag |
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Medium: | CD/Download/LP+DL-Code | |
Stil: | Alternative Deutsch-Rock, Post Hardcore |
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Label: | Uncle M Music | |
Spieldauer: | 42:51 | |
Erschienen: | 21.10.2022 | |
Website: | [Link] |
Das zweite Album der deutschen Indie- und Alternativ-Rockband mit einem Hang zum Post Hardcore und provozierenden deutschen Texten (alle auf der bedruckten Innenhülle der LP zu finden), bei der schon der Bandname verstört und nachdenklich macht: KIND KAPUTT, ist so gut geworden, dass sich garantiert so einige Geister daran scheiden werden. Auch Kritikergeister, wofür diese Review einfach als Beweis stehen soll.
Dass neben dem 'kindlich kaputten' Bandnamen dann sogar der Titel von Album Nummer 2 einen schon beim ersten flüchtigen Lesen erst ein Supergefühl vermittelt, um einem dann beim genaueren Hinschauen einen Tritt in die optimistische Fresse zu verpassen, ist auch eine echte Form von Kunst. Denn dieses Album heißt nicht etwa „Morgen ist auch noch ein Tag“, also eine Redewendung, womit man seinen Gegenüber, der gerade einen 'Hänger' hat, aufbaut, sondern „Morgen ist auch noch kein Tag“, das gänzliche Gegenteil von Optimismus eben, verborgen hinter nur einem einzigen Buchstaben! Schon damit mausern sich KIND KAPUTT zu kleinen Rock-Philosophen!
Auch gibt’s da noch einen zweiten, sehr verstörenden und zugleich überraschenden Effekt schon beim Bewundern des Album-Covers. Denn der deutlich ältere Kritiker als die vier 'kaputten' Jungs hat sofort beim Betrachten des Plattencovers ein Déjà-vu, denn er fühlt sich mit einem Schlag an den wohl legendärsten und in Italien hochverehrten Liedermacher, der ebenfalls durch seine provokanten Texte bestach, erinnert: FABRIZIO DE ANDRÉ mit seiner LP „Creuza de Ma“.
Ob das Absicht ist – oder nur ein Zufall?
Egal, denn wenn man sich die auf der farbig bedruckten Innenhülle enthaltenen Texte vornimmt, dann bemerkt man sofort, wie hochgradig wichtig die deutschen, das eine ums andere Mal den poetischen Finger in die persönlichen und gesellschaftlichen Wunden legenden, Texte sind.
Denn sie sind tatsächlich richtig gut und nicht etwa, wie bei viel zu vielen Bands heutzutage, nur klangvolles Beiwerk.
Hier werden uns tatsächlich keine Pennäler-Texte, sondern eine ernsthafte Kombination aus den zwei P's geboten: Poesie und Provokation!
Schon der knallharte Einstieg ins Album mit „Anfang & Ende“ überzeugt durch einerseits die Härte und andererseits das klare Statement zum eigenen Leben, welches man irgendwie nicht so auf die Reihe bekommt, wie man es gerne möchte: „Ich habe viel zu viele Dinge, und nehme jedes Leid in Kauf, / ich wollte gern etwas verändern, stand in meinem Lebenslauf.“
Vielleicht gelingt diese Absicht ja ein klein wenig auch mit „Morgen ist auch noch kein Tag“. Ein hehrer Wunsch, dessen Erfüllung aber eher in den Sternen statt in den biederen öffentlich-rechtlichen Radiostationen samt deren verbalen Deutsch-Pop-Rock-Schrott steht...
Immer wieder fällt im Umfeld derjenigen, die unbedingt KIND KAPUTT in eine Genre-Schublade pressen wollen, die Begrifflichkeit 'Post Hardcore' oder auch der 'Punk'-Schieber wird gerne aufgezogen. In diesem Falle jedenfalls verpassen einem KIND KAPUTT schonmal einen gehörigen Arschtritt, der bereits mit dem Cover anfängt, denn so sieht doch wirklich kein Post-Hardcore- oder Punk-Cover aus, sondern eben eins von F. De André, der viel zu singen und in seinen Texten zu sagen hat. Gleiches gilt für KIND KAPUTT. Symbolkraft pur!
Genauso wie der letzte Song „In Frieden“, mit dem sich die Band aus ihrem Album verabschiedet – und diesen Abschied definitiv nicht auf friedliche, sondern wiederum provokante Weise vollzieht: „Hatten wir nicht alles schon gesagt, sollten wir nicht alle etwas kriegen? Nimm es dir, du hast dafür bezahlt, und ruh in Frieden.“
Noch dazu lebt das gesamte Album, dessen Titel mit „Morgen ist auch noch kein Tag“ schon für eine bedrückende Stimmung sorgt, von einer Vielzahl stilistischer Wechsel und schwenkt mal in die härtere Richtung der Marke FJØRT, wie bei dem Album-Opener „Anfang & Ende“ oder „Vergessen“ sowie „Alles erreichen“ und „Wartezimmer“, dann wieder in die rockigen Gefilde der BROILERS oder von MASSENDEFEKT, um gerne auch sich denkmalsetzend die männliche Variante von WIR SIND HELDEN zu erproben, um dann sogar – eigentlich völlig neu – in Richtung CASPER zu schielen, womit wir bei „Stolpern“ wären.
Mit „Stolpern“ stolpern wir so gesehen gleich aus der LP-A-Seite hinaus und sitzen vorm Wechseln des farbvinylig-transparenten Scheibchens erst einmal nach den letzten Zeilen dieses Textes, der in gutem Sprechgesang mit Hip-Hop-Attitüde, die dann in postrockige Gefilde abdriftet (Gewagt – und gelungen!), etwas bedeppert vor unserer Anlage: „Wenn mein Nervensystem schon im jetzigen Wertesystem nicht mehr funktioniert, ist es leicht zu verstehen, dass ich lieber verreck', als dabei zuzusehen, wie ihr triumphiert.“
Leider verliert sich das Album bzw. die Band ganz im Gegensatz zu den abwechslungsreich-beeindruckenden Texten manchmal in sich wiederholender rhythmischer Eintönigkeit und auch der Schrei-Gesang in „Vergessen“ oder „Alles erreichen“, der die Texte unkenntlich zerschreddert, ist fragwürdig, so sehr dieser vokale Ausdruck zum Post Hardcore, dem KIND KAPUTT leidenschaftlich huldigen, gehört.
Verzichtet die Band aber darauf und steigt mutig auf den Sprechgesang um, womit wir wieder bei dem großartigen „Stolpern“ wären, dann überzeugen KIND KAPUTT auf ganzer Linie, weil man eben auch jedes Wort ganz klar versteht, denn solch eine poetische Meisterleistung wie den „Stolpern“-Refrain muss man erstmal hinbekommen: „Ich falle durch die Tage, / wie soll es anders sein? / So hält es sich die Waage, / ihr wachst über euch hinaus / und ich schrumpf in mich hinein.“
FAZIT: Auch wenn einer der besten Songs auf „Morgen ist auch noch kein Tag“, dem zweiten Album von KIND KAPUTT, „Stolpern“ heißt, so stolpert die deutschen Indie- und Alternativ-Rockband mit deutlichem Hang zum Post Hardcore und provozierenden deutschen Texten zu keiner Zeit durch dieses zwar nicht viel Optimismus verbreitende, aber gerade darum mit den gelungenen Texten den Finger in die längst eiternden Wunden unseres persönlichen, gesellschaftlichen und politischen Zeitgeists legendes Album. Wenn dieses musikalische KIND KAPUTT sein sollte, dann müssten wir Angst um alle Erwachsenen haben, denn die scheinen derzeit viel kaputter zu sein…
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Seite A (21:06):
- Anfang & Ende (2:47)
- Glücklich sein (3:20)
- Kenntnisstand (3:21)
- Gegen dich (3:05)
- Vergessen (3:44)
- Stolpern (4:49)
- Seite B (21:45):
- Gut gemeint (2:57)
- Alles erreichen (3:47)
- Nadel (4:05)
- CH20 (3:12)
- Wartezimmer (3:41)
- In Frieden (4:01)
- *plus ein Hiddentrack
- Morgen ist auch noch kein Tag (2022) - 12/15 Punkten
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