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Fuchs: Too Much Too Many (Review)

Artist:

Fuchs

Fuchs: Too Much Too Many
Album:

Too Much Too Many

Medium: CD
Stil:

Progressive Rock

Label: Tempus Fugit
Spieldauer: 69:40
Erschienen: 14.07.2023
Website: [Link]

Endlich sind sie wieder gemeinsam auf der Jagd, der progressive Musik-FUCHS Hans-Jürgen und seine ebenso progressive FÜCHSin INES, die mit großem Musikeraufgebot noch immer nach dem Heiligen Gral oder der rettenden Höhle für den Neo- und Retro- sowie Art-Prog suchen und dabei wie der gute, kreuzgescheite Reineke richtig tiefe Spuren hinterlassen.


Die neuste und heißeste diesbezüglich heißt „Too Much Too Many“ (Wie passend!) und ist ein wahrhaft gelungener Wurf von FUCHS.
Und egal, ob sie nun eine erkennbare Fährte legen oder nicht – die Generation der Streamer und Main-Stromer, der Radio-Bulimisten und Hip-Hop-Rap-Fetischisten werden ihnen auch auf „Too Much Too Many“ nicht folgen, weil diese fremdbestimmten Zeitgenossen längst manipulativ mit massiven Werbe- und Massenhysterie-Strategien verblödet, verdummt und verdammt dazu worden, der fremd-profitgeilen, lautstarken, uns medial überall bedrängenden Konzern-Stimme zu folgen, statt auf ihre innere, bei so viel äußerem Einfluss längst verstummte, Stimme zu hören.
Und nein – das soll hier nicht etwa eine moralapostelnde, mit pädagogisch erhobenem Zeigefinger und bösem Neunmalklug-Blick erteilte Klugscheißer-Botschaft sein, sondern diesem Konzept hinter „Too Much Too Many“ gleich noch den Sinn geben, den FUCHS diesmal auf ihrem insgesamt vierten Studio-Album verfolgen – und der auf dem Grundsatz des im Booklet zitierten amerikanischen Autors VERNON HOWARD (1918 – 1992) basiert: „Du hast ein glückliches, erfolgreiches Leben, wenn alles, was du dir wünschst, nur das ist, was du wirklich brauchst!“

Darum begegnen wir gleich im ersten Song „Don't Get Me Wrong (Too Much Too Many)“ des Konzept-Albums einer Mandy Brown, deren Geschichte erzählt wird und die im Grunde so todlangweilig lebt, als wäre sie längst gestorben. Also ganz ähnlich wie die meisten von uns…

Mary lebt in einem Haus in einer kleinen Stadt, arbeitet als Sekretärin in einem Büro, ist gerade 40 Jahre alt (ein Problem, das bereits auch ein UDO LINDENBERG mit „Sie ist 40“ für sich entdeckte, als er noch keine Marionette seiner selbst war) und fühlt sich bereits recht einsam, weswegen sie viel Pay-TV sieht und sich so immer mehr von der Außenwelt abkapselt. Das Leben gibt ihr der Bildschirm samt Werbung vor und so wird sie langsam zur Gefangenen in einer scheinHEILigen TV/Radio-Welt. Genug Stoff also, um aus dieser Situation eine durchaus spannende und unbedingt nachdenklich stimmende Geschichte zu entwickeln, die am Ende mit „My Life“ (So viel darf hier schon verraten werden!) einem Happy End entgegenstrebt, da die 'Innere Stimme' wiederentdeckt und lauter als alle medialen Einlullereien wird: „It's my life, it's my life / I'm grateful for the things I have, a voice“. Welche Dinge sie auf ihrer Reise – oder besser Flucht – aus der Welt der unnötigen Verführungen und Versuchungen hin in die der lebensnotwendigen Erfüllungen entdeckt, dürfen wir nun mitverfolgen. Das Wichtigste ist hierbei natürlich neben dem Konzept die Musik, denn wenn die nicht als Genuss empfunden werden darf, dann wird auch die Geschichte nichts wert sein.
Aber…
...die Musik auf „Too Much Too Many“ ist ein Genuss, selbst wenn diese uns mit „Mad World“ in eine schreckliche Welt entführt, so gilt das nur für das textliche Konzept – das musikalische bleibt tatsächlich genussvoll, wenn man sich mit zu den progressiven Freigeistern zählt.


Also genau zu diejenigen, die ihren Ohren noch trauen und nicht mit beiden längst an einem Radio – ähnlich wie sie die 'Letzte Generation'-Kämpfer mit ihren Händen auf der Straße – festgeklebt sind, weil sie glauben, dort spiele sich die wahre Musik ab. Nein, die spielt sich in all den kleinen Musik-Clubs und mutigen Anti-Mainstream-Veranstaltungen ab, bei denen die Musiker noch an das glauben dürfen, was sie selber machen und nicht an das, was ihnen ein übergroßes Label zwecks Profit-Optimierung vorschreibt.
Also genau die Musik, wie wir sie auch von FUCHS zu hören bekommen, die sich weit zurück in der Vergangenheit genauso traumwandlerisch bewegt wie in der Gegenwart und die all das in sich vereint, was wir von den BEATLES bis PINK FLOYD, vom Pop bis zum Prog, vom Schönklang bis zum Komplex-Komplizierten so sehr im Laufe der besseren, schon lange vergangenen Musikjahre zu schätzen gelernt haben.

Ja! Hier ist wirklich ein FUCHS (oder besser doch zwei) am Werk, der genau das Gespür in seiner Musik entwickelt und umsetzt, das für viele von uns längst zum Lebensgefühl und Lebensinhalt geworden ist. FUCHS ist lebendig und greift eben nicht nach den Trauben, die süß sind (und am Ende nur profitablen Brechreiz verursachen), sondern bleibt am Boden und gräbt tief zwischen den Wurzeln die schönsten Klänge aus, die durchaus vertraut sind, aber von vielen seit geraumer Zeit im gruseligen Streamer-Strom und Radio-Einheitsbrei zugeschüttet wurden. Genau diese Frage nach den Wurzeln begegnet uns später dann auch auf dem mehrteiligen Longtrack „The Middle Year“ wieder: „Once the tree has been cut / Can the roots grow?“

Schon wie das Album musikalisch durchstartet – mit Duett-Gesang über den rechten und linken Kanal, der einem ankündigt, dass sich hier zwei Seelen in Mandy Brown – eine böse und eine gute – einen Kampf liefern. Die eine fragt sich nach dem Sinn des Lebens, die andere beschwört, sich endlich von all den Zwängen und Überfluss zu befreien. Gerade dieser mehrstimmige Gesang erweist sich im Verlaufe des gesamten Albums als eine echte Stärke, die in dem textlichen Konzept die entsprechend unterschiedlichen Stimmungen widerspiegelt.


Und dass FUCHS schon immer große Fans von GENESIS waren und ihr Kopf wohl ganz besonders von TONY BANKS, der in den fast 70 Minuten dieses Konzept-Albums immer wieder durchklingt, begeistert ist, spricht schon für sich. Doch auch andere, uralte, beat-affine Brit-Pop-Einflüsse der 60er-Jahre der Marke BEATLES oder BEE GEES lächeln einen immer wieder an und laden bei einigen eingängigen Rhythmen regelrecht zum Tanzen ein, die dann aber jederzeit wieder von komplexeren Prog-Strukturen überfahren, aber alsbald erneut wieder aufgegriffen werden.

Wer hier also ein 'typisches' Prog-Rock-Album erwartet, das sich konsequent nur in progressiv rockende Richtung bewegt, der wird mit all dem Schönklang, der „Too Much Too Many“ innewohnt, wahrscheinlich nicht klarkommen. Denn um bei GENESIS zu bleiben, sind es eher „And Then There Were Three“ und „Wind And Wuthering“, die einem beim Hören des aktuellen FUCHS-Albums in den Sinn kommen. Oder um beim Titel „Too Much Too Many“ zu verweilen: Viel mehr „Many Too Many“ (Übrigens von Tony Banks geschrieben!) des 1978er-GENESIS-Albums als ein Lamm, das sich zum Schlafen auf den Broadway legt.

Aber auch verträumte Instrumental-Stücke mit Saxophon, wie die Einführung von „The Middle Years“, dem neben dem 12-Minüter „Here In My Void“ mit seinen gut 11 Minuten zweitlängste Track, wissen in ihrer Harmonie zu gefallen – wirken fast beruhigend, während sich die Handlung immer weiter zuspitzt: „Could it be, could it be my biggest mistake? / Could it bend or could it even break? / But if I never try, I'll never know / Once the tree has been cut / Can the roots grow? / I guess that's is the risk I'll have to take / Paths are made by the steps that you take“.


Und so wird für Freunde des eingängigen Progs, der gerne auch in der frühen, pilzköpfigen Beat-Ära Momente der Entfaltung finden darf, „Too Much Too Many“ im gänzlichen Gegensatz zum Titel, ein modernes Art- und Neo-Prog-Album, von dem man nicht genug bekommen kann. Ein gerissener FUCHS, der da pfiffig der Prog-Szene eine spannende weiter Klangfarbe aus seiner FUCHS-Höhle präsentiert, die trotz der Corona-Schließzeiten viel musikalisches Leben in sich trug, das jetzt lautstark und mit einem spannenden Konzept herauswill.


FAZIT: Progressiver Art-Rock aus Süddeutschland, klug und gerissen umgesetzt, genau wie man es einem FUCHS in der Fabel nachsagt. Fiese Hinterhältigkeiten oder überhebliche Arroganz sind hier allerdings nicht zu erwarten – dafür strahlt das Album viel zu viel Harmonie aus. Und wenn FUCHS auch der Name des Kopfs und Keyboarders Hans-Jürgen hinter besagter Band ist, bei der ihn auch seine Frau unterstützt, die übrigens bereits in den 1990er-Jahren als INES neoprogressive Geschichte schrieb, die man hier durchaus ebenfalls heraushört, so ist „Too Much Too Many“ mit seinem Konzept (das man in dem 16-seitigen Booklet im Inneren des Digipak mitlesen kann), welches sich darauf bezieht, dass sich das wahre Glück hinter dem Verzicht auf Überflüssiges – einen in unnötige Abhängigkeiten Treibendes – verbirgt, ein beeindruckendes Album geworden, das selbst mit schönen Melodien nicht geizt. Außerdem erscheint es ziemlich clever und FUCHSschlau, ein Album abzuliefern, bei dem man nach dem Hören darüber nachdenkt, sich doch auch mal wieder seine „And Then There Were Three“- und „Wind And Wuthering“-Scheiben von GENESIS oder MARILLIONs „Seasons End“ anzuhören.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 2309x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 13 von 15 Punkten [?]
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Tracklist:
  • Don't Get Me Wrong
  • Of Hopes And Dreams And Bitter Tears
  • Challenge Of Lifelong Learning
  • And Once Again
  • The Middle Years
  • * Contemplation
  • * Must Have Done Something Good
  • * What If
  • * Release
  • Mad World
  • Here In My Void
  • My Life

Besetzung:

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