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Kira Linn's Linntett: Illusion (Review)

Artist:

Kira Linn's Linntett

Kira Linn's Linntett: Illusion
Album:

Illusion

Medium: CD/Download
Stil:

Progressive Jazz

Label: Whirlwind Recordings
Spieldauer: 46:10
Erschienen: 28.04.2023
Website: [Link]

„Wut und Ohnmacht, aber auch Kraft, Diversität und Freiheit sind Kernbegriffe, die sich durch diese Platte ziehen.“ (Kira Linn)

Liebe Freunde von Saxophonen und Jazz und Soul und Electronics und Pop, hier kommt genau eure Platte!
Einzige Voraussetzung, ihr müsst das alles auch mögen und nicht in eurem eingeschränkten Musikhorizont denken: „Och, nö, das passt doch alles gar nicht zusammen...“

Großer Irrtum!
Bei KIRA LINN'S LINNTETT und ihrem Album „Illusions“ passt das bestens zusammen.
Ihr müsst euch erst der Musik und dann von hören zu hören zu hören...
… genau dieser, nämlich ihrer, Illusion hingeben, um den wahren Genuss, der sich hinter der guten, für alle eingängigen wie improvisierten Experimente offenen Dreiviertel-Musikstunde verbirgt, zu erschließen.

Eigentlich ist Kira Linn eine Saxophonistin, die sich in der Vergangenheit immer herrlich in die Schublade 'Jazz' einordnen ließ. Und damit war's gut, während alle, die dieser komplizierten Stilrichtung nichts abgewinnen konnten und bis zum heutigen Tage nicht können, ließen diese interessante Musikerin einfach links liegen, weil Jazz eben zu intellektuell und/oder anstrengend und/oder kompliziert war, ist und sicher bleiben wird. Außerdem schaltet man im Radio sowieso immer gleich weg, wenn solche Musik in den öffentlich-rechtlichen Kultur-Sparten-Kanälen auftauchte. Oder?

Doch es gibt auch Momente, in denen eine Musikerin auf ihre Weise eine überraschende Verwandlung durchmacht und selber eines Tages wie diese junge Saxophonistin, die sich nunmehr sehr beeindruckend auch als Sängerin präsentiert, feststellt: „Während der vergangenen zwei Jahre habe ich bemerkt, dass ich gar nicht mehr so viel Jazz höre. Stattdessen entdeckte ich Pop, Indie, Electro, Neo-Soul und R&B für mich – Billie Eilish, Bon Iver oder Laura Mvula beispielsweise. Dementsprechend sind diese Einflüsse auch in meinen neuen Kompositionen zu hören.“

Wer allerdings glaubt, Indie-Pop oder Neo-Soul würden nunmehr „Illusions“ dominieren, der wird enttäuscht sein, denn nach wie vor ist die komplette musikalische Grundlage hinter „Illusions“ der Jazz, der Mut zum musikalischen Experiment und sogar etwas Bar Lounge. Oftmals bestimmen die Saxophone die Stücke und jagen einem bei der intensiven Spielweise wieder und wieder eine Gänsehaut über den Rücken.

Den Einstieg in das Album macht nach dem eröffnenden „Hello“ dann gleich das abwechslungsreiche Jazz-Instrumental „Rage“, welches die Wut über die allgemeine Situation während der Pandemie und den Wunsch, auszubrechen und sich frei zu fühlen, zum Ausdruck bringen soll. Mit dieser Komposition und der Umsetzung wird genau diese Stimmung fast körperlich fühlbar.

Aber nicht etwa schräge Free-Improvisationen, sondern ruhige und nachdenkliche Töne bestimmen den Sound. Synthesizer, Rhodes und Piano sorgen zudem für jede Menge Tastenaufregung der akustischen wie elektronischen Art. Dazu singt oder spricht Kira Linn mitunter und weckt bei all der vokalen Verspieltheit samt Verfremdungseffekten besonders bei „Women To Sky“ deutlich atmosphärische Erinnerungen an eine LAURIE ANDERSON, selbst wenn hier keine elektronische Violine auftaucht. Doch an deren Stelle beglücken uns gleich besagte unterschiedliche Saxophone und sorgen gleichermaßen für eine extrem intensive Stimmung. Sogar die Texte sind nicht ohne und greifen neben dem Klimaschutz, Geschlechterfragen gleichermaßen wie die Pandemie auf, wozu die Musikerin selber meint: „Während der Corona-Pandemie kamen viele neue Gefühle hoch, die ich vorher noch nicht empfand. Zudem hatte ich viel Zeit, über Themen wie Gleichstellung und Klimaschutz nachzudenken. All diese Gedanken habe ich auf 'Illusion' erstmals in Lyrics verpackt.“

Illusion“ ist ein sehr finsterer, aber auch mit saxophonaufblitzenden Hoffnungsschimmern versehener Titelsong, der auf spezielle Art und den dann mit „Zoom I“ folgenden, umfangreich gesprochenen Text regelrecht ein Appell an die Vernunft und die Liebe des Menschen, vor allem derjenigen, deren Handeln immer stärker durch die öffentliche Aufmerksamkeit sich in puren Hass gegen alles, was irgendwie anders ist, wandelt. Musikalisch alles sehr verhalten, nachdenklich, gar bedrückend umgesetzt – bis sich dann das anschließende Stück „Zoom II“ langsam steigert und hier statt der Stimme das Saxophon zum Hörer 'spricht'. „Illusion“ löst gefühlsmäßig und stimmungsmäßig beim Hörer Dinge aus, die er vielleicht sogar bisher verdrängt hat.
Extrem starke Wirkung in dieser Kombination.
Extrem starkes Album...

FAZIT: Auch ohne sich großen Illusionen hinzugeben, ist „Illusion“ von KIRA LINN'S LINNTETT eins der wohl gewagtesten musikalischen Grenzgänge zwischen Jazz und Soul und Electronics und Pop und Experimentellem mit ganz intensivem Saxophoneinsatz sowie sich zu bedrückenden Themen (Pandemie, Klimaschutz, Geschlechtergerechtigkeit...) äußernden Texten geworden. Ein thematisch sehr ernstes und gleichermaßen verspieltes Album, das einen mit jedem Hördurchgang immer ein wenig mehr packt ohne auch nur ansatzweise eintönig zu werden. Wut wie Ohnmacht ziehen sich genauso durch dieses Album wie der Wunsch nach Freiheit und Verständnis für alles, was Mut zum Anderssein besitzt. „Illusion“ ist genau das Album geworden, welches diese Eigenschaften musikalisch wie textlich in sich vereint. Für Freigeister unverzichtbar…

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 1772x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 13 von 15 Punkten [?]
13 Punkte
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Tracklist:
  • Hello
  • Rage
  • That Thing
  • Numb_ers
  • Illusion
  • Zoom I
  • Zoom II
  • Under Water
  • Dumb_ness
  • Women To Sky
  • Bonus Track:
  • Solitude

Besetzung:

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